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Berlin Festival 2006

Paaren im Glien, MAFZ, 29.-30.07.2006


BERLIN FESTIVAL 2006

Paaren im Glien, MAFZ, 29.-30.07.2006

 

Bereits zum zweiten Mal fand am letzten Juli-Wochenende im beschaulichen 600-Seelen-Ort Paaren im Glien das Berlin Festival statt. Das angekündigte Line Up dieses Ereignisses müsste die Herzen vieler Freunde gepflegter Indie- / Alternative-Musik höher hüpfen lassen und sie in Scharen zu den Vorverkaufsschaltern treiben.

Denkt man, und irrt offenbar, denn die zweitägige Veranstaltung in unmittelbarer Berlin-Nähe ist nicht annähernd ausverkauft. Ein Informant spricht von 600 verkauften Karten. Das könnte stimmen, wenn man die Mitarbeiter, V.I.P.s, Promoter und Pressemenschen mit einrechnet. Am Preis kann der mangelnde Andrang auf Tickets eigentlich nicht gelegen haben. 35 Euro im Vorverkauf für so viele Musiker würde ich nicht gerade als viel bezeichnen, zahlt man diese Summe doch oftmals schon, um eine einzige Band zu sehen. Vielleicht haben viele (Rand) Berliner das schöne Wetter lieber genutzt, um sich am Strand eines Badesees niederzulassen oder gleich Last Minute in den Urlaub zu fliegen. Und sicher, die Königsklasse des derzeit angesagten Indie-Pop und -Rock fehlt hier, weder Franz Ferdinand noch die Arctic Monkeys oder ähnliches stehen auf dem Programm. Nichts desto trotz kündigte sich neben stattlichen Größen wie Echo & The Bunnymen und Stereo Total eine ganze Reihe viel versprechender und von den einschlägigen Gazetten und Radiostationen hochgelobter Künstler an, die auf einer großen Hauptbühne und einer kleinen Indoor-Location in einem ehemaligen Stall ihr Können darbieten wollten.

Die irischen Humanzi sind die erste Band, die die geschätzten 50 Zuschauer, die den Weg rechtzeitig um 14 Uhr zum Festivalgelände gefunden haben (oder finden wollten) beglücken will. Obwohl es gleich richtig rockig los geht, gelingt ihnen das leider so gut wie gar nicht. \\\"This is the most fucking gig we\\\'ve ever played. This is not Rock \\\'n\\\' Roll\\\", schimpft schließlich deren Sänger. Wo er Recht hat, hat er Recht und hinzufügen kann man dem auch nichts. Ähnliches gilt für die zwei folgenden Bands Kubichek! und die übermüdeten Amusement Parks On Fire mit ihrem psychedelischen Sound, die zwar mal mehr mal weniger rocken, aber doch ziemlich farblos wirken und beliebig austauschbar klingen.

Trotz kurzem und angesichts der Hitze viel zu geringfügigem Regenschauer sind die wiedervereinigten 18th Dye für mich der erste wirkliche Lichtblick des Tages, sind ihre Songs doch sehr viel abwechslungsreicher als die ihrer heutigen Vorgänger und machen Appetit auf eine weitere Zusammenarbeit des Trios.

Sultans Of Ping konnten vor vierzehn Jahren mit Where\\\'s Me Jumper? einen formidablen Indie-Club-Hit aufweisen. Davon zehren sie noch heute. Eigentlich ist die Band nur hier, weil sie \\\"got paid for this shit\\\", wie sie gleich mal klarstellen. Gäbe es Mick Jagger nicht bereits, so würde deren Sänger angesichts seiner Performance wohl gerne seinen Platz einnehmen. So reicht es nur für eine Großschnäuzigkeit, die der der Gallagher-Brüder von Oasis in nichts nachsteht. \\\"Fuck\\\", \\\"Fucking\\\" und \\\"Motherfucker\\\" sind offenbar die Lieblingswörter dieses Vokalakrobaten, die er eindrucksvoll nach beziehungsweise vor jedem Song darbietet. Manchmal einfach so und manchmal, um die anderen Bandmitglieder oder die Zuschauer zu beleidigen. Fairerweise muss man aber sagen, dass Sultans Of Ping mit ihren ironischen Songs wirklich eine gute Band sind und nicht nur der eigens aus Irland angereiste Fanclub in Freudentaumel ausbricht, sondern urplötzlich allerorten Bewegung in das mittlerweile zahlreichere Publikum einzieht.

Die folgende Soffy O. bietet dann mit ihren souligen, aber nicht langweiligen Nummern ein perfektes Kontrastprogramm und lädt wieder etwas zum Chillen auf dem Rasen ein. Aber nicht lange, denn die dänischen Raveonettes erweisen sich darauf wieder als echter Publikumsmagnet, wobei insbesondere Vertreter männlichen Geschlechts schnell der Bühnenpräsenz von Bassistin Sharin Foo erliegen.

Während die Sultans Of Ping -Anhänger, erkennbar am einheitlichen roten T-Shirt mit der Where\\\'s Me Jumper-Aufschrift, noch darüber rätseln, was für ein \\\"fucking German act\\\" denn nun die Bühne in Beschlag genommen hat, erfreue ich mich und viele andere sich ebenfalls an den großartigen Stereo Total, die von Beginn an eine super Show abliefern. Die amüsant absurden deutsch-französischen Trash-Songs sind dann auch dermaßen mitreißend, dass es kaum noch jemanden auf seiner Picknickdecke hält, sondern alle fleißig im Takt wippen und springen. Auch Soffy O. lässt es sich nicht nehmen, in der ersten Reihe ihre Kollegen zu feiern und später dann zusammen mit Fran çoise Cactus und Brezel Göring und anderen Zuschauern sogar auf der Bühne zu tanzen. Rückblickend muss man sagen, dass Stereo Total der Platz des Headliners an diesem Abend zugestanden hätte, stattdessen wurde diese Ehre jedoch erstaunlicherweise Zoot Woman zuteil. Die Band, die ich am sehnlichsten erwartete und mich dafür sogar ausnahmsweise in die erste Reihe stellte (da war ja schließlich -wie eigentlich immer- auch noch genug Platz) bietet dann allerdings wenig Erwähnenswertes. Nette Popsongs, aber kaum Bewegung oder gar Spannung auf der Bühne sollten vielleicht dezent andeuten, dass für diesen Samstag Schluss war mit dem Festival und man sich nun zum nächtlichen Tanzen in den Stall, in sein Zelt, ins Auto oder in Richtung Shuttle-Bus begeben soll. Da wir praktischerweise in Berlin wohnen, fahren wir also mit dem Auto heim, um wenige Stunden später in alter Frische zurückzukehren.

Der Sonntag beginnt bei gewohnt schönem Wetter und die Wiese vor der Bühne ist bei unserer Ankunft wenigstens etwas gefüllter als noch am Vortag. Daniel Benjamin heißt der sympathische, junge Musiker (oder die ganze Band?), der uns heute als erstes die Ehre erweist. Und das macht er richtig gut mit seinen melodiösen, meist eher ruhigen Singer-/Songwriter-Stücken, die den perfekten Einstieg in den zweiten Festivaltag bieten. Ein kurzer Stromausfall tut der allgemeinen guten Stimmung auch keinen Abbruch, sondern wird sowohl von der Band als auch von den Technikern souverän und schnell gemeistert.

Wir stehen noch am improvisierten Merchandising-Stand von Daniel Benjamin als Timid Tiger die Bühne betreten. Nach nicht mal einer Minute haben die Jungs mein Herz erobert. Die Band ist großartig. Ein mitsingfreudiger Sommer-Sonne-Gute Laune-Song jagt den nächsten. Festivaltauglicher geht\\\'s nimmer. Das überzeugt auch das Publikum und so finden sich heute schon zu diesem Zeitpunkt etwa 30 Tänzer und Tänzerinnen direkt vor der Bühne ein. Im Vergleich zum Samstag ist das viel! Ein junger Mann, der am folgenden Tag Geburtstag hat, darf mit der Band auf der Bühne schon einmal vorfeiern, wird nicht nur Timid Tiger-typisch gold bemalt, sondern darf auch für Seifenblasenuntermalung eines Songs sorgen. Für mich waren Timid Tiger definitiv das musikalische Highlight des Berlin Festivals, ich habe eine neue Lieblingsband dazu gewonnen und die Band mindestens einen neuen Fan. Die Mückenstiche, die ich mir während der zwei Tage einfing, haben sich also gelohnt.

Wenn mich eine Band derart begeistert, haben es deren Nachfolger leider meistens schwer. Und so werde ich mit My Latest Novel nicht so recht warm, sind deren ruhige, getragene Songs doch nicht so leicht zugänglich und für mein Empfinden eher für den Spätherbst geeignet als für einen Sommertag wie diesen.

Wir wechseln also zur noch weniger besuchten German Label Stage, auf der indes eine Band namens Navel wütet, deren Sänger den Eindruck erweckt, dass Kurt Cobain vielleicht doch noch leben könnte. Nur so auszusehen und ein bisschen zu schreien, reicht aber noch nicht, um als potentielle Nirvana-Nachfolger gehandelt zu werden. Daraufhin folgen Monoland, deren Name offenbar Programm ist, denn nennenswert oder gar spektakulär ist nichts an deren Auftritt. Also schnell zurück zur Main Stage, wo mittlerweile die Islands, die weder aus Island noch von einer anderen Insel, sondern aus Kanada stammen, mit atmosphärischen, teilweise folkigen Klängen aufwarten. Deren Sänger taucht zwischenzeitlich ins Publikum ab, um von dort aus weiter seine Songs zum Besten zu geben.

Von den folgenden Gravenhurst wusste ich im Vorfeld des Festivals nur, dass sie auf dem gleichen Label wie Maximo Park sind, meine musikalischen Helden des letzten Jahres. Das lässt Hoffnung aufkeimen, die jedoch schnell enttäuscht wird, denn die beiden Bands haben außer ihrer Plattenfirma so gar nichts gemein. Spätestens beim dritten Song wird klar, dass alle Lieder gleich strukturiert sind; sie beginnen ruhig und balladesk, um dann in ein wüstes Gitarren-Gewitter überzugehen. Das langweilt mich zwar alsbald, aber ich muss doch erwähnen, dass ein Großteil des Publikums ganz anderer Meinung ist. Und so ziehen Gravenhurst vergleichsweise viele Menschen in ihren Bann und vor sich an die Bühne.

Die erfrischende Mediengruppe Telekommander mit schmissigem Elektropunk und mitgrölgeeigneten Texten schlägt dann aber mit ihrer Fähigkeit, die Massen zu begeistern, alle der heute spielenden Künstler. Schließlich müssen sich die Zuschauer deren Hit Kommanda erst einmal verdienen, geben also ihr Bestes, was von dem mit Energie nicht geizendem Berliner Duo dann auch entsprechend belohnt wird.

Unsere nationalen New Wave of New Wave-Vertreter Nr. 1, The Robocop Kraus aus Nürnberg, haben sich das Festival \\\"irgendwie anders vorgestellt\\\", wie sie gleich anfangs betonen. Das haben wohl die meisten hier, nichts desto trotz stört sich die Band im Gegensatz zu manch anderem Interpreten daran nicht, sondern bietet eine hervorragende Performance, bei der Sänger Thomas Lang sowohl mal seinen Auftritt ins Publikum verlagert als auch auf dem Bühnenequipment herumturnt, worauf es ihm sichtlich schwer fällt, dieses auch wieder unbeschadet zu verlassen. Ein unfreiwillig komisches Zwischenspiel, das aber nichts daran ändert, dass wir es hier mit einer Band zu tun haben, die locker mit derzeit angesagten internationalen Künstlern des Genres mithalten kann.

Die schwedischen Shout Out Louds im Anschluss haben zwar erst ein Album veröffentlicht, sich aber damit schon eine erstaunliche Fanbase erspielt. Ihr melodischer, teils melancholischer, aber immer eingängiger Gitarrenpop findet jedenfalls großen Anklang in weiten Teilen des Publikums.

Nun warten wir zum Abschluss noch auf echte 80er Heroen, auf Echo & The Bunnymen, die mich schon im Vorfeld ganz nostalgisch auf meine Jugend zurückblicken lassen, obwohl sie damals in meiner Gunst haushoch gegen The Cure verloren. Als Headliner verbreiten sie dann zum ersten Mal an diesem Wochenende so etwas wie Starrummel, indem bei deren Ankunft ein Weg, der zu den Toiletten und am Backstage-Bereich vorbei führt, gesperrt wird. Da wird dann auch vergleichsweise lange auf der Bühne gewerkelt und zum Abschluss werden Bühne und Zuschauer komplett eingenebelt. Soviel Mystik muss sein. Einige wenige der Anwesenden werden nur wegen der Bunnymen hier sein, andere waren vielleicht noch nicht mal in Planung, als die Band ihre Hochzeit hatte, sind aber trotzdem neugierig. Der Bereich vor der Bühne ist jedenfalls zum Abschluss des Festivals glücklicherweise noch einmal gut gefüllt. Frontmann Ian McCulloch muss sich dennoch wie in seinen Anfangstagen gefühlt haben, als er hinter einer Sonnenbrille versteckt und mit Zigarette bewaffnet, die Bühne betritt. Anders als andere Künstler an diesem Wochenende kann er sich eine gewisse arrogante Ausstrahlung auch leisten, denn ich halte es zumindest für fraglich, ob irgendeine der anderen Bands noch in zwanzig Jahren zu einem Festival geladen wird. Echo & The Bunnymen spielen dann ein hübsches, leider nur einstündiges Set mit wenigen Überraschungen, aber dafür bringen mich lang nicht mehr gehörte Klassiker wie Lips Like Sugar und The Killing Moon fast zum Weinen, so schön klingen die Songs heute Nacht. Mit dem passenden Titel Nothing Lasts Forever klingt das Festival dann ruhig aus und Lili Marleen (natürlich von Band und von Marlene Dietrich, nicht von den Bunnymen) wird zum Rausschmeißer des Abends.

Wie kann nun ein Fazit zu diesem Festival aussehen? Nun, ich bereue es nicht, dabei gewesen zu sein und es gab auch einige schöne Momente, aber ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass jeder, der nicht vor Ort war, ein Riesenevent verpasst hätte. Dazu war es dann doch zu unspektakulär. Einige Bands haben lediglich ein Standardset runter gespielt und schienen es kaum erwarten zu können, die Bühne wieder zu verlassen, andere wiederum - und hier vor allem nationale Acts - gaben sich viel Mühe, den müden Zuschauern doch noch ordentlich einzuheizen. Etwas wunderlich fand ich die Beschwerden vieler auftretender Musiker über das fehlende beziehungsweise wenig enthusiastische Publikum. Was können wir dafür, dass andere dem Festival fern blieben? Und seit wann ist es Aufgabe der Zuschauer, die Bands zu unterhalten? Auch wenn ich verstehen kann, dass die Künstler lieber in ausverkauften Stadien spielen würden, sollte die Aufgabenverteilung doch erst mal andersrum sein. Das wird dann vielleicht auch durch ekstatische Ausbrüche seitens des Publikums gewürdigt.

Selten wird man ein so entspanntes, unchaotisches Festival sehen. Die Besucher gingen größtenteils sehr freundlich miteinander um, aber so rechte Stimmung wollte eben nicht aufkommen bei diesem fast intimen Event. Zu weiten Teilen glich die Veranstaltung eher einem größeren Picknick im Park, bei dem die Musik durchaus auch von einem alten Kofferradio hätte stammen können. Die wenigen Zuschauer sorgten für eine festivaluntypische Übersichtlichkeit auf dem Gelände, das genug Platz zum Ausbreiten von Decken, dem Aufstellen von Liegestühlen und sogar zum Ballspielen bot. Natürlich kann man auch positiv hervorheben, dass es an den Essens- und Getränkeständen nie zu langen Warteschlangen kam sowie ausreichend an die Kanalisation angeschlossene Toiletten vorhanden waren. Und wem zwischenzeitlich zu heiß wurde oder wer die Nacht im Zelt verbrachte, der konnte sich unter strategisch gut verteilten Rasensprengern eine wohlverdiente Erfrischung abholen. Also alles in allem doch ein nettes Erlebnis.

Sofern sich die Veranstalter nicht haben entmutigen lassen, werden wir sehen, ob und wie sich das Berlin Festival weiter entwickeln wird. Schließlich war es ja erst das zweite und steckt somit noch in den Kinderschuhen. Also auf ein Neues im kommenden Jahr - dann mit hoffentlich mehr Besuchern.

Sandy Dobrileit


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