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Ainigma
Ainigma» ist aufgelöst

Biografie

AINIGMA - Bio  

Ainigma aus Garmisch-Partenkirchen in Oberbayern spielten ziemlich wüsten und rohen Progressivrock, der etwas an Garagen-Punk der Sechziger erinnert. Lassen wir am besten Keyboarder Willi Klüter selbst erzählen, den man auch als die schöpferische Kraft der Gruppe bezeichnen kann:

„Ainigma kommt aus dem Altgriechischen und heißt das Rätsel. Ich habe damals Altgriechisch und Latein gelernt; als wir im April 1973 unsere LP Diluvium (lateinisch für ,Sintflut‘) aufgenommen haben, war ich in der zwölften Klasse des Benediktiner-Gymnasiums in Ettal.

Ainigma, das waren im Kern mein Bruder Michael Klüter (Jahrgang 1957) am Schlagzeug, Wolfgang „Wolfi“ Netzer (ebenfalls Jahrgang 1957) an der Gitarre und meine Wenigkeit, Willy (damals noch Willi) Klüter (Jahrgang 1955) an der Orgel. Den Gesang übernahm ich auch, da niemand sonst darauf Bock hatte. Bassisten hatten wir einige, sie kamen und gingen, die meiste Zeit spielte ich den Bass mit der linken Hand auf der Orgel, genau wie Vincent Crane von Atomic Rooster. Die waren unsere ganz großen Idole, daneben inspirierten uns Bands wie Cressida, Stray und andere. Wir spielten am Anfang auch etliche Rooster-Stücke nach, ich erinnere mich an Death Walks Behind You, Tomorrow Night und Breakthrough. Außerdem coverten wir One Of These Days von Pink Floyd und auch Stücke von Uriah Heep (an die Titel kann ich mich aber nicht mehr entsinnen).

Zusammengefunden hatten wir uns irgendwann Ende 1971 in unserer Heimatstadt Garmisch-Partenkirchen. Dort war bislang nur Volksmusik erklungen, und es gab einige Coverbands. Wir waren auf jeden Fall die erste Band im Landkreis, die ein PA-System und einen „Front of the house“-Mixer hatte (das heißt, ein Mischpult im Publikum hinten im Saal), und wir hatten auch die längsten Haare im Landkreis. Mein Bruder war der erste Mann im Ort, der zu einem Damenfriseur ging, um sich eine Dauerwelle in seine ,Matte‘ machen zu lassen - ein ,Skandal‘ damals im erzkonservativen Garmisch-Partenkirchen. Michaels und mein Vater war ein angesehener Zahnarzt in Garmisch, und unser Proberaum war im Keller des elterlichen Hauses, genau unterhalb des Sprechzimmers. Dort, in einem ungedämmten Betonraum, machten wir einen ohrenbetäubenden Lärm; wie unser Vater und besonders seine Patienten das ausgehalten haben, ist mir heute noch ein Rätsel...

Zu unserem allerersten Auftritt in Oberammergau kutschierte uns meine Mutter im Familien-Pkw. Ich glaube, wir brauchten drei Fuhren für die ganze Anlage. Nach einigen Gigs in Garmisch und Umgebung dachten wir, es wäre an der Zeit, eine LP aufzunehmen. Wir hatten inzwischen genügend eigene Stücke, und unser Vater wurde lange genug genervt, bis er bereit war, die Kosten zu übernehmen. Ein Studio gab es in Garmisch nicht, daher mieteten wir für einige Tage den Garmischer Pfarrsaal, den wir von Auftritten her kannten. Das auf der Platte genannte PFS-Studio steht für ,Pfarrsaal-Studio‘. Irgendwie kam der Kontakt zu einem Tontechniker aus München namens Franz Förth zustande, der damals ein Praktikum beim Bayerischen Rundfunk machte (sein Bruder Bernd Förth gestaltete dann auch gleich das Cover). Er brachte zwei Revoxmaschinen (zweispurig) mit und einen Assistenten namens Hans Waldmann.

Die Aufnahmen liefen wie folgt: Zunächst nahmen wir in einem Rutsch live Gitarre, Orgel und Schlagzeug auf. Bei dem Titel Diluvium hatten wir noch einen Freund namens Michael Freise an der (fast unhörbaren) zwölfsaitigen Gitarre im Intro dabei, das Schlagzeugsolo wurde separat aufgenommen und in das Originalband reingeschnitten. Dieses Band wurde dann für die Overdubs auf ein zweites Band überspielt, während ich dazu gesungen habe und Wolfi gleichzeitig Bass spielte. Auch die spärlichen Backing-Vocals von Wolfi und Michael wurden im gleichen Arbeitsgang aufgenommen. ,Gemischt‘ wurde praktisch während der Aufnahme, ein ,Einsteigen‘ (Punch-In) war nicht möglich, und die Abhörkontrolle war unter aller Sau; daher ist es zu erklären, dass der Bass, den unser Gitarrist Wolfi spielte (und das zum ersten Mal in seinem Leben!), teilweise sehr unsynchron ist.

Aus heutiger Sicht, aber auch schon damals, waren die Aufnahmebedingungen schlichtweg katastrophal. Das fertige Masterband konnten wir aus Zeitgründen nicht mehr abhören und schickten es im guten Glauben an das Presswerk. Als wir einige Wochen später die erste Anpressung bekamen, fielen wir aus allen Wolken. Aber da war es schon zu spät. Wir waren entsetzt über die Soundqualität, besonders aber über die teilweise wahnwitzigen Pegel?-unterschiede. Man muss sich vorstellen, dass nur ein winziges Mischpult (ohne Klangregelung, wenn ich mich recht entsinne) zum Einsatz kam, keine Kompressoren, keine Effekte, gar nichts. Und während der Overdubs hat unser Tontechniker, wenn der Pegel zu hoch wurde, einfach verzweifelt die Fader mal kurz runtergezogen, um sie dann ganz schnell wieder hochzuziehen. Wir waren jedenfalls sehr unzufrieden mit unserer LP, ja, wir schämten uns sogar ziemlich. Als Konsequenz setzten wir den Verkaufspreis der LP auf 10,- Mark fest, um die schlechte Soundqualität zu entschuldigen.

Kleiner Hinweis am Rande: Vor kurzem wurde bei Ebay ein Original-Exemplar von Diluvium für 411€ versteigert. Das entspricht dem 80-fachen (!!!) des Original-Preises. Es wurden knapp 500 Stück von der LP gepresst, die wir dann hauptsächlich bei Auftritten und an Freunde verkauften. Niemand ahnte damals, dass die Platte mal ein so gesuchtes Sammlerstück werden würde.

Erst gegen Ende der achtziger Jahre wurde ich stutzig, als wir eine Anfrage nach Ainigma-Platten bekamen. Es lagerten noch etwa 30 Exemplare auf dem Speicher unseres Garmischer Hauses, die ein Interessent dann für 30,- Mark pro Stück erwarb (und wir dachten, wir hätten ein Schnäppchen gemacht!). Dass die Platte viel mehr wert war und sogar mehrfach raubgepresst wurde, erfuhren wir erst später.

Aber zurück ins Jahr 1973... Wir nahmen schließlich doch einen festen Bassisten in die Band, Alex Ulrich, weil es einfach fetter klang. Er war ein gutes Stück älter als wir und kam von der ortsansässigen ,Konkurrenz‘-Band Christmas Camel. Deren Organist besaß eine echte Hammondorgel, und ich musste auch so ein Ding haben. Mit Vaters Hilfe (beziehungsweise seines Geldbeutels) besorgte ich mir das billigste Hammond-Modell, eine L-100 mit einer Leslie-Imitation. Bis dahin hatte ich eine Farfisa gespielt. Übrigens, Wolfis ,grungiger‘ Gitarrensound war eher eine ,Notgeburt‘, denn mit Verzerrer war seine Gitarre dreimal so laut wie ohne... Wir schrieben viele neue Stücke, darunter das vierzigminütige Opus Journey To The Centre Of The Earth nach dem Roman von Jules Verne. Ein paar Monate später kam Rick Wakeman mit einer gleichnamigen LP auf den Markt.

Leider, leider haben wir die neuen Stücke nie richtig aufgenommen. Es existieren lediglich Monokassetten, bei den Proben zur Kontrolle mitgeschnitten. Der Bonustrack Thunderstorm ist einer dieser Kassetten entnommen und war Bestandteil von Journey. Es gab einen sehr guten Livemitschnitt eines zweistündigen Konzertes, den ein Freund gemacht hatte und in seinem Besitz behielt. Als ich ihn Jahre später darauf ansprach, hatte er die Bänder leider gelöscht. Es wäre eine Dokumentation unseres gesamten Repertoires gewesen, schade, schade...

Im Herbst 1974 trennten sich unsere Wege. Wolfi spielte eine Zeitlang bei Gantenbein, war für einige Jahre in Brasilien, entdeckte dort die Verwandtschaft von brasilianischer und bayerischer Musik, und rief sein Projekt BavaRio ins Leben, das noch heute existiert. Daneben schreibt er Film- und Theatermusiken. Michael hat sich dem Blues verschrieben, spielt heute hauptsächlich Gitarre und lebt die meiste Zeit auf Fuerteventura. Ich war mit diversen Bands unterwegs, unter anderem mit dem Musical ,Hair‘, machte einige Soloplatten, besitze seit 1982 ein professionelles Tonstudio und bin recht erfolgreich als Komponist und Produzent. ARC ALPS 151715 war die Bestellnummer unserer LP Diluvium. Das stand für Ainigma Record Company – Ainigma LP Stereo, 15-17-15 stand für unser Alter zum Zeitpunkt der Aufnahmen.

Dass unser ,Jugendstreich‘ heute, nach fast genau 32 Jahren, immer noch für Furore sorgt, nehmen wir verwundert zur Kenntnis, aber es macht uns auch irgendwie sehr stolz.“

Und schließlich noch ein paar Sätze von Gitarrist Wolfgang Netzer: „Irgendwie war Willi der Chef der Band, er konnte Noten lesen und schreiben und war außerdem fette zwei Jahre älter. Meist war er es, der mit immer neuen Einfällen oder besser Bruchstücken auftauchte, die wir mit großer Begeisterung weiterentwickelten. Meine Ideen oder Gedanken gingen öfters in eine etwas ,schrägere‘ Richtung und kamen nicht immer, aber meist gut an. Alles in allem war die Atmosphäre im betonigen Untergrund wahrlich kreativ, laut und voller Diskussionen. Oft stand ich zwischen den streitbaren Brüdern und wollte dann einfach weiterspielen. Dank des Verzerrers, den ein Bekannter von uns gebaut hatte, konnte ich mich erstaunlich gut durchsetzen. Unerklärlicherweise war die chaotische Welt da unten im plärrenden Beton viel besser als die kleinbürgerliche Oberfläche, wir fühlten uns geborgen. Nicht ohne Stolz gehörten wir zu den seltenen ,subversiven Elementen‘ des weiß-blauen Oberlandes. Vielleicht ist es ja gerade diese rebellische Einstellung, die sich über all die vielen Jahre in den Rillen gehalten hat und – verwunderlich und zugleich wunderbar – einfach nicht vergessen werden will.“

Was lässt sich noch ergänzen? Die Anlage von Ainigma betreute damals Franz Keim, das Geschäftliche erledigten sie selbst. Die Zeichnung auf der Hülle der LP soll eine Woge der Sintflut darstellen. Rechts unten in der Ecke sieht man das Kürzel BF (für Bernd Förth). Der Untergrund war weiß, doch gilbten im Laufe der Jahre die Cover etwas ein. Vorne waren sie glanzbeschichtet, hinten matt und rein weiß, nur die Bestellnummer aufgestempelt. Beiliegend gab es ein einseitig bedrucktes Blatt mit den Songtexten in der Größe DIN A4. Alle Stücke waren von Ainigma selbst geschrieben, nur der Text von Prejudice stammt von Harry Bowman, einem Freund der Gruppe, der aus Alaska nach Deutschland gekommen war. Ansonsten war Willi Klüter bei den Texten federführend, die Musik schrieb er mit Wolfgang Netzer zusammen. Die Platte boten sie nebenher auch in Riebes Fachblatt an, worüber sie unter anderem Michael Brandes bestellte, der Schlagzeuger von Erlkoenig aus Helmstedt, die gerade ihre eigene LP herausgebracht hatten. Der schrieb in einem Brief an Ainigma treffend: „Eure Scheibe hat uns gut gefallen, aber den, der die Revoxmaschine bedient hat, hätten wir erschossen.“

Vorliegende CD, gezogen vom Mutterband, hat nun wieder die ursprüngliche Hülle der LP, das Zusatzstück fehlt nicht, ein weiteres – eine Fassung von Diluvium noch ohne Gesang – wurde angehängt, und der Klang wurde von Willi Klüter in seinem Studio noch einmal gründlichst überarbeitet und nachgebessert, soweit das möglich war. Die Angaben zu den Spielzeiten der einzelnen Stücke, die bei den verschiedenen Auflagen leicht voneinander abweichen, wurden nun von der Erstausgabe übernommen.

Vielen Dank an Willi Klüter, Wolfgang Netzer, Michael Ludwig, Dag Erik Asbjørnsen, Rolf Kowalski, Jürgen Hilker und Jürgen Kaun für ihre freundliche Hilfe. 

Quelle: Garden Of Delights

Bilder

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Ainigma PR-Fotos 1973 Foto: Sammlung Garden Of Delights

Konzertbericht

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Diskografie

Jahr vonJahr bisBezeichnungArtCover
2006 2006 Deluvium CD
1973 Deluvium LP
2016 2016 Deluvium LP

Rezensionen

AINIGMA

Diluvium 

1973, ARC, re-release 2016, Long Hair, LHC 170

Das einzige Album von Ainigma ist ein Beispiel für puren Garage-Rock mit fettem Fuzz-Gitarren- und Hammond-Orgel-Sound. Die Band spielt darauf eigene Songs, bei denen der Einfluss von Atomic Rooster und Uriah Heep nicht zu überhören ist. Das tritt am deutlichsten beim Titel-Track in Erscheinung, der die ganze B-Seite einnimmt. Hier wird mehrfach das markante Basis-Riff von Gypsy vom Uriah Heep-Debüt …Very ‚Eavy …Very ‚Umble von 1970 zitiert.

Der Organist Willi Klüter zeigt sich in seinem Stil von Ken Hensley inspiriert. Seinen leidenschaftlichen spacigen Soundscapes steht die fetzige Gitarrenarbeit von Wolfgang Netzer in nichts nach.

Die etwas holprigen englischen Texte sind naiv, aber sympathisch, und sie sind repräsentativ für die Gefühle und Gedanken des kulturellen und politischen Undergrounds des deutschen Krautrocks sowie der Jugendbewegung, die später 'die 68er' genannt wurde. Es ist auffallend, dass sie von einem tiefen Pessimismus erfüllt sind. Texte und Musik sind Zeugnisse für das Gefühl des Ausgestoßenseins in einer Gesellschaft, in der noch die Nazi-Mentalität vorherrschte. Dafür ist sicher auch die Herkunft der Band aus der bayrischen Provinz verantwortlich. Es ist Musik von Amateuren, aber sehr talentierten.

Die Abkürzung ARC steht für (die fiktive) Ainigma Record Company.

Jürgen Egyptien  

Interviews

Leider haben wir zu dieser Rubrik noch keine Daten zur Hand.

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Danke [jg]

Musiker

1973

Freise, Michael - g

Freise, Michael

1973 Gitarrist bei Ainigma.

Klüter, Michael - d

Klüter, Michael

1973 Trommler bei Ainigma.

Klüter, Willi - orgel, v

Klüter, Willi

1973 Orgel und Gesang bei Ainigma.

Netzer, Wolfgang - g, b

Netzer, Wolfgang

1973 Gitarrist und Bassist bei Ainigma.

News

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