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Finkenbach Festival 2005

Finkenbach, 29.-30.07.2005


FINKENBACH FESTIVAL 2005

Finkenbach, 29.-30.07.2005

 

Große Probleme hatten die Veranstalter des Finkenbach Festivals in den vergangenen Jahren. Seit seinen Anfängen in den 70ern galt das Odenwaldfestival als ein Treffpunkt von Hippies, Krautrockfans und Nonkonformisten aus ganz Deutschland (und darüber hinaus).

Um es gleich zu Anfang klarzustellen: die Probleme gab es nicht mit den Besuchern. Im Gegenteil: Die Veranstalter (das Dorf) fuhr mit dieser Besuchergruppe bisher immer gut und konnte mit den sicheren Einnahmen von Fest zu Fest kalkulieren. Ob dies nach den vergangenen Jahren so bleiben kann, scheint jedoch momentan fraglich. Vielen Besuchern wird seit einiger Zeit nämlich die Teilnahme an diesem Event durch das massive und unverhältnismäßige Auftreten der Polizei aus Hessen und Baden-Württemberg gründlich verdorben. Schon am Mittwoch (das Festival beginnt Freitag Abend) wurden, wie bereits im Vorjahr geschehen, (sogar Einheimische) Fußgänger wie Autofahrer und Beifahrer gefilzt, eine Maßnahme, die sich bis Sonntag Abend hinzog. Manche Anwohner brachten es so auf vier und mehr Kontrollen an einem Wochenende, vielen Besuchern ging es nicht anders.

Schon immer gab es zivile Polizisten (liebevoll Spitzel genannt) die das Gelände durchkämmt und sich unter das bunte Volk gemischt haben, immer jedoch ohne großartig Ärger zu machen. Der kleine Joint und das Fläschchen zu viel wurden sowohl auf dem Zeltplatz, wie auch auf dem Festivalgelände großzügig geduldet, soweit es zu keinen Problemen in Straßenverkehr kam und man nicht gerade total bedröhnt am Steuer saß. Randale gab es in Finkenbach nie!

 

Seit der Koch-Regierung jedoch hat sich etwas geändert und Finkenbach ist seit dem Jahr 2000 immer stärker ins Visier der Obrigkeit genommen worden. Das Dorf und das Woodstock in Odenwald erscheint in den Presseberichten der Polizei immer als Hort der Schwerverbrecher, Extremkiffer und Drogendealer. Anders kann man das Auftreten der Hundertschaften aus gleich zwei Bundesländern auch nicht vor dem Steuerzahler rechtfertigen. Allein 2004 waren es 350 Ordnungshüter aus Hessen die aus dem Nachbarbundesland gar nicht mitgezählt. Durchschnittlich zehn Besucher durften sich einen Beamten teilen, oder weniger blutrünstig ausgedrückt: fast jeder Finkenbacher (400 Einwohner) hatte für fast eine Woche seinen persönlichen Polizisten! Ähnlich, wenn auch nicht ganz so extrem, war es auch in diesem Jahr. Finkenbach war wieder das Zentrum einer Länderbergreifenden Einsatzübung. Als Bewohner und Besucher kommt man sich an diesem Juliwochenende immer beinahe wie in einem Asterix Comic vor. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt, nur das die Römerlager hier nicht Kleinbonum und Laudanum sondern Hirschhorn und Rothenberg heißen. Dort und in einigen Ortschaften mehr (ganz zu schweigen von Waldwegen) stehen links und rechts der Fahrbahn zunächst nur ein paar, später dann doch wieder fast ganze Hundertschaften von Polizisten und -innen und versehen ihren verhältnismäßig gut bezahlten Wochenend- und Sonntagsdienst. Ob sie dies gerne tun, sei einmal dahingestellt.

Ach so, noch eine kleine Anmerkung: das Resultat der ganzen Filzerei, der Urin- und Bluttest, der Hundeschnüffelei auf dem Festivalgelände ist traditionell lächerlich mager. Auf jedem Mittelstufenschulhof wäre die Ausbeute größer!

 

Nun jedoch endlich zur Musik: Leider kann ich ehrlicherweise nur zu den beiden Bands ausführlich etwas sagen und schreiben, die ich auch gesehen und gehört habe: Kraan und Guru Guru.

Ich konnte diesmal nicht, wie die Jahre zuvor schon am Freitag oder früher anrollen und der musikalische und intellektuelle Zugang zu der anderen gebotenen Musik am Samstag fehlt mir leider (oder Gott-sei-dank). Darüber hinaus muss ich zugeben, dass ich sowohl bei Stahlofen als auch bei Stahl nach kurzer Zeit sehr gelangweilt um nicht zu sagen genervt in das dann doch sehr zu lobende Bierzelt ging und mich dort mit netten Menschen austauschen konnte. Klar, die Veranstalter versuchen aufgrund der Repressalien auf Nummer Sicher zu gehen, ob diese Strategie dem Festival langfristig gut tut, sei einmal dahingestellt. Ich persönlich bezweifle es stark. Lieber klein und fein als ein weiteres Opfer des Mainstream.

 

Lobend erwähnen sollte ich dennoch die Gammelbacher Formation Bresslufd. Das Outfit des Frontmanns (ein Siebzigerjahre Badeanzug) setzte neue Maßstäbe in Sachen Bademode 2005.

 

Horst Stahlofen und seine Band boten für mich den gleichen Weichspüler fürs Ohr, wie schon im vergangenen Jahr, den vierzehnjährigen Mädchen hat es sicher gefallen. Klar, es sind alles echt gute Musiker, (Wolfman an den Keyboards sei hier besonders hervorgehoben), und nett sind sie obendrein, aber sie sollten einfach mutig sein und bessere Musik machen, das können sie! Jeder durfte bei Stahlofen natürlich kurz zeigen, was er musikalisch draufhat, doch ich mag dieses verhältnismäßig seichte Gedudel mit Weltverbessereranspruch einfach nicht. Punkt.

 

In Finkenbach hat dieser Schmusepop für mich persönlich nichts verloren vielleicht auf dem Karlsruher Fest oder im Vorprogramm von Xaver Ne-Du! Ich denke mal, für die meisten Begleitmusiker gilt der oft zitierte Zappa-Spruch: „we\'re only in it for the money“. Schade, sollte das stimmen.

 

Es folgten dann endlich die beiden Krautrocklegenden: Klar für mich das Höchste war wieder die Band, der wir dieses Festival zu verdanken haben: Krautrocklegende Nummer Eins - Guru Guru, wer hätte es anders von mir erwartet ? Die Fans freuten sich über Rolands neue Frisur und über die Tatsache, dass Luigi neben seiner Steinberger Gitarre (Marke Brett) nun auch wieder eine gute alte Gibson zupft. Nach einem kurzen Intro folgte eine spannende Mischung aus Stücken neueren Datums und Klassikern. Moderner Worldbeat mit Tribes and vibes , der Erfahrungsbericht mit Augenzwinkern Rastafari In Bajuvari (da gehts nicht nur um Weißwurst), Living In The Woods, das Stück, bei dem Mani seine Wahlheimat besingt und neben dem Gesang einzig eine Standtom bedient, eine viertelstündige Version von Izmiz (für Butze), das Nadaswaram-Stück Iddli Killer, der Japan-Rocker Moshi Moshi, der buddhistische Blues Inkarnation Stomp, die Reisebeschreibung Jet Lag, der vertonte Comic Strip Ooga Booga, (bei dem es eigentlich um etwas ganz anderes geht) und der unverzichtbare und mittlerweile legendäre Elektrolurch seien hier nur als Beispiele für das breite Spektrum genannt. Die Band zeigte sich locker und spielfreudig - sie spielten, dass im wahrsten Sinne des Wortes die Federn flogen.

Mani outete sich wieder einmal als Pyromane und man wünschte sich abschließend, da das Konzert aufgrund des Zeitplans dann doch etwas kurz war, noch mehr davon. Sehr positiv zu bewerten, obwohl die Kameraleute oft im Weg standen, war hier die Video- und Lightshow, die uns mit Großaufnahmen der Musiker und Schnappschüssen von Manis letzten Weltreisen verwöhnte (ich hoffe nur, sie war nicht zu teuer)! Dazu später noch etwas mehr.

 

Mit Kraan folgte die weitere Legende des Krautrocks, die auch schon mehrfach in Finkenbach gespielt hat. Ingo Bischof, Jan Fride, Peter Wohlbrandt und Hellmut Hattler betraten die Bühne peu a peu und nach zwei, drei Takten Andy Nogger war es klar: Kraan legte los, und zwar in Bestform ! Gleich ging es mit dem nächsten Klassiker weiter: Yaqui Yagua. Dieses Stück war einfach wieder eine Offenbarung, einige Fans zückten sogleich ihre Kameras und machten MP3- Filmchen für daheim, andere waren einfach völlig relaxed. Mit Vollgas Ahoi zog das Tempo wieder etwas an. Es folgte Unser Lied, Jerk Of Life, sehr virtuos Dinner For Two nur Peter und Hellmut im Synchronrausch und Silver Buildings.

Höhepunkt des Kraan-Konzerts war die von vielen alten Hasen erwartete Jamsession mit Mani Neumeier: Kraan Arabia (zehn Minuten!). In dieser Fassung wohl einmalig. Seit Mitte der Siebziger kreuzen sich die Wege von Mani und Kraan immer wieder, mal für kurz, mal lang doch egal, wie lange die gegenseitige Abstinenz dauert: einmal auf der Bühne, und es flutscht einfach wie von selbst.

Und noch eine Überraschung wartete auf die Fans, die zum Teil gar aus Österreich angereist waren: ganz kurz vergaloppierten sich die Vier Kraaniche bei dem etwa zwanzigminütigen Medley aus Hallo Ja-Ja > Borgward > Nam Nam ganz woanders hin und spielten ihr Kultstück Sarahs Ritt (durch den Schwarzwald) an. Das Publikum war kollektiv aus dem Häuschen und dankte mit Ovationen.

Gegen Ende des doch etwas kurzen Sets (für Kraan Verhältnisse) konnte auch Hellmut seinen Ärger über die Polizei nicht für sich behalten und wünschte den geneigten Zuhörern versöhnlich und optimistisch wie immer - trotzdem noch ein schönes Leben; abschließend meinte er trotzig ..wir sehen uns in zehn Jahren wieder in Finkenbach. Die Zugabe Let\'s Take A Ride beschloss dieses wunderbare Konzert, bei dem die Vier, trotz aller Kürze, wieder einmal zeigen konnten, was in ihnen steckt.

Einzig nervend waren die vielen Kameraleute auf und vor der Bühne, besonders der Kameragalgen versperrte durchgehend die Sicht auf den Bass !!! Es gab dafür Großaufnahmen satt und auch die Videoshow war passend, doch etwas dezenter wäre es vielleicht auch gegangen. Ein kleiner positiver Nebeneffekt könnte die eventuell geplante teilweise Verwertung des Konzertes als Live-DVD werden - es wurde per Computer mehrkanalig mitgeschnitten und, wie bereits erwähnt, auch wild gefilmt. Sind wir mal gespannt. Dann verzeihen wir sicher auch den Kameragalgen!

 

Ein rockiger Abschluss war angekündigt worden, und wir hofften wirklich auf das Beste: Stahl war beim ersten Lied auch noch recht witzig. Ein Trio, das seine Instrumente wahrscheinlich beherrscht, und als gute AC/DC Coverband sicherlich auf Dorffesten oder zu später Stunde bei Bikertreffen Begeisterung hervorrufen könnte. Doch alleine die deutschen Texte, die sie vom Original unterscheiden, machten den Kohl eben nicht fett sondern waren eindeutig der Schwachpunkt der Band. Wenn ein Stück schon Du Alte Schlampe heißt, mag das sicherlich dem Zeitgeist entsprechen, doch nach der -zigsten Wiederholung dieser Textzeile wird es eben doch eintönig. Die anderen Stücke ähnelten dem Erstgenannten musikalisch wie auch textlich, wie ein Ei dem anderen, und reizten mich dann doch sehr schnell zum intensiven Konsum legaler Drogen, andere Besucher zogen es vor, frühzeitig schlafen zu gehen, was sicher schlau war und auch gesünder sein soll. Die Reihen lichteten sich sichtbar. So was wie Stahl bitte auch nicht mehr in Finkenbach! Schade eigentlich, dass mein Bericht so negativ enden muss.

 

OK, noch ein positives Fazit zum Schluss: Guru Guru und Kraan waren die Reise (und für viele Besucher auch den damit verbundenen Ärger) wert die meisten Besucher kommen nun einmal wegen den Urvätern des Krautrock, so auch ich!

 

Alles andere war Begleitmusik, in den meisten Autoradios lief um diese Zeit besseres Material. Aber Finkenbach machte seit 1977 immer die Vielseitigkeit aus! Offene Fragen bleiben zum Schluss: wo bitte blieb die experimentelle Ecke (Tiere Der Nacht, Damo Suzuki, Moebius). wo blieb Japan (Marble Sheep, Mama Guitar), wo die Weltmusik (Dhalia, Dissidenten), wo der Blues (Hamburg Blues Band, Champion Jack Dupree), wo die guten Liedermacher (Götz Widmann) wo die Trance (Lover 303), wo der (echte) Reggae?

 

Liebe Veranstalter: Finkenbach ist nicht Mainstream und auch wenn Euch Koch und Bouffier das Leben schwer machen, beweist weiterhin planerischen und musikalischen Mut!

Ich komme auf jeden Fall wieder!

Björn Münz


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