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1969 Deutsche Bands

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Can
Can, Köln

Biografie

Die Can – Story

 

Was generell gesagt werden sollte, ist die Tatsache, dass die bezaubernd eingängige, verzwickte, einfache, entzückende, bittere und berauschende Musik der Can, eben weil sie so schwierig einzugliedern ist, wiederholt falsch gedeutet wurde und bei allen Musikliebhabern, die sich gerne auf Urteile anderer alleine verlassen, nie ihren eigentlichen Stellenwert einnehmen konnte. Can - Musik ist nicht im flüchtigen Hinhören zu begreifen, sondern muss erlebt werden. Nur der unvoreingenommene Musikfan kann sich mit gewisser Einschränkung in die Can - Klangwelten hineinversetzen, an ihr teilhaben, sich von ihr treiben lassen - dann allerdings hat er Cans Konzept auch begriffen.

 

Die Gruppe Can, die zuerst unter dem Namen Inner Space auftauchte, wurde 1968 in Köln gegründet, und galt laut dem Londoner Melody Maker als die "talentierteste und beständigste Experimental - Rockgruppe in Europa", und "jedem britischen Ensemble weit voraus". Dieses lag zum Teil an der Band-Konzeption, aber vor allem aber an dem hochkarätigen Format der Musiker, welche alle eine umfassende musikalische Vorgeschichte aufzuweisen hatten.

Eine Band, welche sich aus Jazz-Musikern und Stockhausen-Schülern konstruierte und reinweg neuartige Wege einer gemeinsamen Verständigung betrat. Sowohl der größtenteils samtartige, fast gebrochene Sound, die minimalistischen Improvisationen, der auf spontanen Eingebungen beruhende Gesang, die Montage-Technik, das Verständnis in weit gefassten rhythmischen Komplexen zu denken, die Verbindung zu Ethno-Elementen und Klangcollagen aus Kurzwellensignalen als auch die Arbeitseinstellung der Band, die keinen Bandleader im herkömmlichen Sinne hatte, die ihr Song-Potential immer zusammen ausarbeitete und an die Schranken des Musikverständnisses ging, vermachten der Musikgeschichte etliche Glanzpunkte.

Irmin Schmidt und der amerikanische Flötist und Avantgarde-Komponist David Johnson auf der einen, Michael Karoli und Holger Czukay auf der anderen Seite beschlossen gleichzeitig und unabhängig voneinander einfach "etwas Neues" zu machen. "Ohne zu wissen, was wir exakt machen wollten" (Schmidt) startete die Kölner Experimental-Formation am 19. Juli 1968 das Projekt. Irmin Schmidt: "Wir fingen ohne jeden Plan an. Unsere einzige Idee bestand darin, ein Konzept zu entwickeln, wie wir alle zusammen spontan Musik machen konnten, als Kollektiv und ohne einen Leader". Jaki Liebezeit: "Es gab es völlige Gleichberechtigung unter den Musikern. Auch unter den Instrumenten einschließlich der Stimme". Der erste gemeinsame Auftritt findet als improvisiertes Happening auf Schloss Nörvenich bei Köln statt, in dessen Speisesaal sich die Musiker ein kleines Studio eingerichtet hatten und sich zuerst auf Produktionen von Filmmusiken spezialisierten. Diese Art der Produktion gab ihnen einen gewissen künstlerischen Freiraum. Es war eine spektakuläre Collage aus anarchischem Lärm, Rockmusik und Tonbandeinspielungen. Dieser Auftritt ist auf der Kassette Prehistoric Future sehr gut dokumentiert.

Holger Czukay über David Johnson: "David Johnson war einer der Assistenten von Karlheinz Stockhausen. Bei letzterem hatten Irmin und ich auch studiert, ich von 1963 bis 66. Und David war es auch, der uns ermöglichte, unsere erste Platte Monster Movie im elektronischen Studio zu mastern, was wegen unzureichender technischer Mittel in unserem Inner Space Studio nicht möglich war".

Organist Irmin Schmidt (geb. 29.05.37, Berlin) ist laut dem Kritiker Richard Williams "einer der stärksten Rockmusiker auf diesem Planeten". Er widmete sich von 1957 - 1964 ganz seinem Musikstudium am Konservatorium Dortmund, an der Folkwang Hochschule in Essen, am Mozarteum Salzburg, und an der Musikhochschule Köln, (Kurse für Neue Musik). Er dirigierte bei Heinz Dressel und Istvan Kertesz, nahm Klavierkurse bei Fritz Büker und in der Meisterklasse von Detlef Kraus. Kompositionslehre studierte er u.a. bei G. Ligeti und Karl Heinz Stockhausen und nahm Kurse für Waldhorn am Konservatorium Dortmund. Ferner studierte er Musik-Ethnologie an der Universität Köln. Durch sein enormes Engagement bekam er dann die Dirigierpreise Folkwang Leistungs-Preis 1963 und First Price Mozarteum Salzburg 1964 und war in der Bundesauswahl Junger Künstler 1965. 1962 bis 1969 hatte er zahlreiche Konzerte als Dirigent u.a. mit den Bochumer und Wiener Sinfonikern. Mit dem von ihm 1962 gegründeten Dortmunder Ensemble für Neue Musik und spielte er Konzerte als Pianist. Einige Kompositionen aus dieser Zeit stammen von ihm: u.a. Hexapussy, Uraufführung Frankfurt 1967. Ilgom, Uraufführung Radio Stuttgart 1968. Und er wurde Kapellmeister am Stadttheater Aachen und Dozent für Musical und Chanson an der Schauspielschule Bochum und schrieb weiter Schauspielmusiken für verschiedene Theater. Gleichzeitig wurde Irmin damals von Rockmusik angetörnt, speziell von Frank Zappas erstem Doppelalbum Freak Out und Jimi Hendrixs Are You Experienced. Aus diesem enormen Erfahrungsschatz und musikalischen Grundvoraussetzungen entwickelte er dann ökonomische Rockstrukturen. Hierzu sagte er mir in einem Interview: "Ich kam und komme heute immer noch mit der klassischen Musik gut zurecht und höre sie sehr gerne. Nur mit der "neuen Musik" kam ich damals an eine Grenze welche ich nicht überschreiten konnte. So musste ich neue Wege suchen, und habe sie in Can gefunden."

Gitarrist Michael Karoli (geb. 29.04.48 Straubing, Tod: 17.11.2001,) lernte als Kind Geige, Banjo und mit 14 Jahren Gitarre zu spielen (wodurch seine spätere Begeisterung für das Cello und Violine, auf späteren Aufnahmen zu hören, wohl zu erklären ist). Er spielte in diversen Schülerbands und begann nach dem Abitur ein Jura Studium und tingelte, wie man so schön sagt, durch die Gegend. Noch in der Schule in St. Gallen/Schweiz spielte er in einer Tanzdiele und lernte Tony Ashton mit den Remo Four kennen. Er nahm seinen damaligen Musiklehrer Holger mit auf einen Bauernhof, wo beide mit den Remo Four eine Session machten. Tony Ashton und Holger beschlossen daraufhin, eine Gruppe zu gründen, die zeitgenössische Musikelemente in einem Beatrhythmus aufgemischt präsentieren könnte.

Bassist Holger Czukay (geb. 24.03.38, Danzig) hat vor seiner Can-Zeit als Tanzmusiker gearbeitet und zugleich im elektronischen Studio des WDR gelernt, bei Stockhausen, Pousseur und Koenig studiert und ein paar klassische Gitarrenstunden im Duisburger Konservatorium genommen. Danach war er zeitweilig als Musiklehrer in der Schweiz und in Deutschland tätig.

Holger Czukays Kommentar zum Thema Stockhausen: "Wir haben nie Karlheinz Stockhausen mit Rock zusammen-gebracht. Wir haben erst mal alles vergessen, was wir bei ihm gelernt hatten, und die Dinge mal passieren lassen. Schon 1968 fing David Johnson an, in Paris ganze Straßenschlachten aufzunehmen und diese Aufnahmen in unseren ersten Live-Auftritt einzubeziehen. Zuvor waren wir noch nie live zusammen-gekommen, haben damals im Schloss Nörvenich vor allen möglichen Galeristen und Künstlern einen Auftritt gehabt, der von der Ausführung her vielleicht kläglich war- wir waren eben noch meilenweit entfernt, eine vollwertige Gruppe zu sein - , aber wir haben von Anfang an alle möglichen Welten in die Musik mit einbezogen".

Zu Schloss Nörvenich äußerte sich Holger Czukay in einem Interview folgendermaßen: "Bei mir gegenüber wohnte ein Kunstsammler. Das war der Herr Vohwinkel. Ein ausgesprochener Gentleman. Der hatte ein Wasserschloss etwas westlich von Köln angemietet, und er ermöglichte es uns, ein Jahr lang, ohne dass wir einen Pfennig an Miete zahlen mussten, dort ein Studio einzurichten".

Schlagzeuger Jaki Liebezeit (geb. 26.05.38, Ostrau). "Kennst du nicht einen Drummer für unsere Band?" So ähnlich hat Irmin damals einen Bekannten Namens Jaki Liebezeit gefragt, der schelmisch antwortete, er würde da einen kennen. Bei der angesetzten Probe tauchte niemand anderes als Jaki selbst auf, der bezeugte, auch endlich mal was anderes spielen zu wollen, sofern dabei für ihn nur ein durchgehender Beat herausspringen würde. Nicht zuletzt für Irmin war diese Offenbarung überraschend, da er Jaki lediglich als Schlagzeuger kannte, der an einem Becken mit dem Geigenbogen entlang strich, anstatt drauf zuschlagen. Jaki hatte anfangs Trompete gelernt, spielte diese unter anderem in einer Feuerwehrkapelle, zog nach Spanien, wo er beim Jazz-Trompeter Chet Baker einen iberischen/lateinamerikanischen Rhythmus lernte und landete schließlich beim deutschen Manfred Schoof Quintett, wo er neben Schoof, Alex Schlippenbach, Buchi Niebergall und Gerd Dudek elitären Free-Jazz klopfte, und eben Schlagzeugbecken mit Geigenbögen vergewaltigte. Nachdem er so viele Jahre in der Jazz-Szene in und um Köln und eine Zeit lang in der europäischen Free-Jazz-Szene aktiv war, schloss sich Jaki Liebezeit dann 1968 dem Kollektiv an, woraus sich dann Can herauskristallisierte. Michael Karoli: "Jaki beeindruckte mich dann plötzlich irrsinnig, als wir Halleluwah machten. Da wurde mir klar, dass er ein gottbegnadeter Musiker war. Schlagzeuger kann man gar nicht sagen: Schwingungserzeuger".

Der farbige Amerikaner Malcolm Mooney empfahl sich im Herbst 1968 als Sänger und wurde sechstes Can-Mitglied. Er fabrizierte seine Texte zum Teil spontan auf der Bühne und hatte die Begabung seine Stimme quasi auch als Rhythmusinstrument einzusetzen. Irmin Schmidt: "Jaki und Malcolm waren vom ersten Moment an eine Einheit. Eine rhythmische Zelle, von der eine unglaubliche Kraft ausging. Von diesem Moment an wurde aus all dem, was potentiell schon vorhanden war, plötzlich eine Rock-Gruppe". Jaki Liebezeit: "Malcolm hat einfach einen unheimlich starken Rhythmus rübergebracht. Durch die Stimme. Ich habe wenige Leute erlebt, die mit der Stimme einen solchen Rhythmus erzeugen konnten. Der Zusammenhalt von Stimme und Schlagzeug war einmalig. Etwas Derartiges habe ich nie wieder erlebt". Der Titel Father Cannot Yell stammt aus einer seiner ersten Sessions. Malcolm war ursprünglich Bildhauer und Zeichner. Er war das reine Allroundtalent und entsprach etwa dem Typ, der zwei Stunden zu spät auf einer Party erscheint, dann aber binnen zehn Minuten alle Gäste auf seiner Seite hat. Ständig sprudelten aus ihm die irrwitzigsten und stets guten Ideen. Heute wohnt Malcolm in New York und überschwemmt dort seine Umgebung mit Geistesblitzen. Michael Karoli: "Ich hatte eine sehr starke persönliche, fast Liebesbeziehung zu Malcolm. Er hingegen hatte eine Liebesbeziehung zu meiner Schwester. Aber damit hatte ich ja nichts zu tun. Er war für mich jedenfalls etwas ganz wunderbares, denn er hat diese Band, die ja schon ein Organismus war, als er kam, zu einem erwachsenen Organismus gemacht". Seine Spontanität belegen auch seine Texte. Er sang zum Teil was ihm gerade einfiel. Zum Beispiel Thief ist ein Text von Mals Freund Zim, bei Yoo Doo Right hatte Malcolm einen Brief von seiner Freundin aus Amerika bekommen und den las er einfach vor. Die Mooney Ära ist umfassend dokumentiert auf Can Delay 1968.

Doch dieses erste Album von Can wollte damals keine Plattenfirma veröffentlichen. Can waren ihrer Zeit zu weit voraus, und die Firmen hatten Zweifel am Erfolg des Plattendebüts. Kurz, bevor im Januar 1969 die Gruppe im eigenen Studio die ersten Kompositionen einspielte, verließ David Johnson, welcher bis dato auch der Toningenieur war, die Band und ist somit auf keiner Aufnahme mehr zu hören. Ihm wurde die Musik zu rockig. Jaki Liebezeit und Malcolm Mooney fanden nun auch endgültig einen Namen für die Band: The Can.

Hierzu äußerte sich Holger Czukay folgendermaßen: "Wir haben damals völlig ohne Mischpult aufgenommen. Da wir auch nur ganz wenige Mikrophone hatten, haben wir uns um sie herum postiert und unsere Lautstärken in Balance gebracht. Jemand, der da herausgeprescht wäre, hätte die Aufnahme zerstört; es gab ja keinen extra Toningenieur. Als Band hatten wir natürlich außer ein paar geklauten Bandresten aus dem Rundfunk nur noch Heimtonbänder von 1954. Das muss man sich mal vorstellen. Die waren alle geklebt, wir hatten sie irgendwo auf dem Müllhaufen gefunden und hatten keine Skrupel, die einzusetzen, damit wir überhaupt etwas zum Aufnehmen hatten. Zum Beispiel ist 19th Century Man auf einem solchen Band aufgenommen worden. Ich weiß, wie ich da später geschnitten habe, weil das an den Schnittstellen immer hüpfte und jaulte. Da musste eben vieles entfernt werden, und Gott sei Dank spielten wir immer dann schlecht, wenn viele Schnittstellen den Kopf passierten. Gab es dann wieder eine längere ungeschnittene Bandstrecke, lief musikalisch wieder alles bestens. Das war schon eine tolle Zeit damals und mag hier als meine einzige Nostalgieanmerkung durchgehen. Delay gehört mit zu meinen Can-Favorites. Und Little Star Of Bethlehem ist sicher eins der stärksten Stücke, das Can je gemacht hat. Als wir das Anfang 1969 anboten, blitzten wir total ab. Und als ich die Platte Jahre später fertig vorbereitet hatte, sagte Conny Plank zu mir, wenn diese Platte kein Riesenerfolg würde, dann mache irgendjemand etwas falsch. Er hatte ein gutes Gefühl dafür, was unsere eigentliche Qualität war. Can waren immer dann gut, wenn die Band einen wie auch immer gearteten "Soul"-Charakter nicht verleugnen konnte. Und wir konnten gar nicht abgehoben genug sein, um den in seinen Grundzügen zu verlieren."

Der japanische Vokalist Damo Suzuki (geb.16.1.50), der im Mai 1970 an die Stelle von Malcolm Mooney trat, reiste vier Jahre lang durch viele Länder und machte auf Gitarre, Saxophon und Klarinette unablässig Musik. Czukay und Liebezeit fanden ihn auf der Münchener Leopoldstrasse: Ein Globetrotter, der sich das Geld für die Heimreise als Straßenmusiker verdiente und diverse Auftritte beim Musical Hair hinter sich hatte. Am selben Abend noch trat er mit Can im Münchener Blow Up auf. Die chaotische Performance, eine Klangmischung aus Feedbacks und genialer Lärmerzeugung, zählt zu den denkwürdigsten der Can-Historie.

Czukay zu Damo Suzukis Kennenlernen: "Ich erinnere mich, dass wir in München unseren ersten Auftritt ganz ohne Sänger geplant hatten, bis ich Damo auf der Straße sonnenanbetend daherschreiten sah, und meinte zu Jaki: "Guck mal, der macht so komische Bewegungen, der wird bestimmt unser neuer Sänger. Ich frag ihn mal, ob der heute Abend mit uns im Blow Up auftreten will." Das war damals eine große Live-Diskothek in der Franz-Josef-Strasse. Fünfzehnhundert Leute passten da rein. Die Münchner sind bei diesem Auftritt alle geflohen. Damo sang zunächst ganz friedlich, aber plötzlich ließ er eine Horde Samurai aus den Lautsprechern raus und schien allen Leuten den Kopf abschlagen zu wollen, also stürmten die Konzertbesucher zur Tür, es gab eine Schlägerei, und übrig blieben etwa dreißig Amerikaner. Abi Ofarim, unser damaliger Übergangs-Manager, und David Niven, der, später gefragt, nicht wusste, ob es sich dabei überhaupt um Musik gehandelt hatte. "Es war angenehm toll, aber wohl ein Verlust für das Blow Up. Damo war ein Melodiker. Er wollte eigentlich erfolgreiche Songs machen. Und dazu hatte er auch die Fähigkeit. Malcolm Mooney war eine Rhythmus-Maschine. Die Engländer hatten vielleicht ein paar Vorbehalte gegen ihn. Jaki hingegen sagte, es gäbe nur einen Sänger, der besser singe als er, und der sei James Brown. Wir hatten es begrüßt, dass er sich humorvoll in einer fließenden rhythmischen Struktur bewegen konnte. Das reichte bereits aus. Der brauchte keine tollen Melodien, ähnlich wie bei Ludwig van. Damo hingegen reagierte sensibel auf seine ganze musikalische Umgebung und hatte auch über weite Strecken leise Töne anzubieten".

Cans ausgefeilte Stücke, schwere Rock-Improvisationen mit elektronischen Verflechtungen, die allen gesellschaftlichen Zwängen entgegenwirken sollten, wurden im eigenen Inner Space Studio im einem alten Kino in Weilerswist 20 Kilometer außerhalb Köln erarbeitet und ohne kommerzielle Bevormundung Plattenreif produziert. Hier zeigte sich die Unabhängigkeit, mit der Can notwendigerweise arbeiten mussten: Der kollektiven, spontanen Musik der Can würde im Zeitlimit, das in gemieteten Studios stets Grenzen setzt, quasi der Hals abgedreht. Ins eigene Studio konnten Can jedoch, wann und immer sie wollten. Ohne diese Voraussetzung wäre die im Prinzip anarchische Methodik bei ihren Aufnahmen nicht realisierbar gewesen. Darüber hinaus lieferten Can stets fertige Bänder bei der Plattenfirma ab. So konnten sie sich alle Freiheiten bei der Produktion erlauben und liefen weniger Gefahr, von einem Platten-Label unter Druck gesetzt zu werden.

Holger Czukay zum Thema Improvisation: "Das improvisatorische Moment hat uns immer begleitet. Wobei ich sagen muss, dass das Verhältnis zwischen Improvisation und Produktion in den Anfangszeiten ausgeglichen war. Wir hatten ja keine Mehrspur-Maschine, sondern ein simples Tonbandgerät und später ein ganz einfaches 8-Kanal-Mischpult, das aber für die Belange von Can groß genug war. Unser technischer Vorteil bestand darin, dass wir uns aufs Schneiden verstanden. In den Neunzigern ist der Schnitt ja richtig zum Thema geworden, da z.B. das Cutten on scratch gleich in die Sequenzerabläufe mit einbezogen wurde".

Auf die Frage, wie denn nun die Songs im Inner Space Studio entstanden sind, sagte Irmin Schmidt in einem Interview mit Wolf Kampmann: "Vor allem sind sie aus einer ziemlichen Besessenheit entstanden. Eigentlich passten wir gar nicht zu einander. Wir waren ja nicht wie das meistens passiert, Freunde gewesen, die eine Gruppe gründen, weil sie alle dieselbe Musik machen. Eigentlich ist es für mich immer noch ein ziemliches Wunder, dass aus uns Can geworden ist. Diese Konstellation von Leuten mit völlig verschiedener musikalischer Erfahrung und auch ganz gegensätzlichen Lebensvorstellungen war in mancher Hinsicht doch eine Kopfgeburt. Aber bei all den irrsinnigen Spannungen die daraus entstanden gab es eine gemeinsame geheimnisvolle Leidenschaft, die uns zusammenhielt. Es war die Erfahrung, dass man in glücklichen Momenten beim Spielen ein einziges Wesen, ein mächtiger pulsierender Organismus wurde. Unsere ganze Musik ist der immer wieder neue Anlauf, diesen Zustand herzustellen. Der kommt nicht einfach so über einen, der kommt aus einer ungeheuren Konzentration und Wachheit, Geistesgegenwart eben, Ohrengegenwart, Du wirst ganz Ohr, alles um Dich herum wird Musik. Die Tür zum Garten steht auf, draußen sausen Autos und ab und zu brüllen Starfighter vorbei, Jaki stimmt seit einer Stunde sein Schlagzeug, indem er mit äußerster Konzentration Klopfzeichen in einem Geheimrhythmus sendet, den nur seine Trommel und die dazugehörige Gottheit versteht - "Musik sollte nur von Maschinen oder Göttern gemacht werden" hat er mal gesagt - Holger ist ganz weit weg in seiner Mischpultraumkapsel und produziert abwechselnd kurze gellende Schreie und dumpfe Erdbebenstöße, Michael starrt seine Gitarre an, die vor ihm liegt und brummt und gleichzeitig die 8-Uhr-Nachrichten sendet, Damo liegt auf einem Müllsack der mit Styropor gefüllt ist, rutscht hin und her und kichert, weil das Ding irgendwie sexy ist und so schön quietscht und ich sitze am Klavier und spiele mit einem Finger das eingestrichene H bis es sich plötzlich mit Starfightern, Klopfzeichen, Styropor-Quietschen, Gitarrenbrummen und Erdbebenstößen zu einem Groove vereinigt. Nach einer Stunde pulsiert der ganze Raum und dein Körper, einfach alles in diesem Groove. Du hörst den anderen und dem was Deine Hände machen zu, es geht ab wie die Hölle. Du bist glücklich und nach zwei Stunden hast Du plötzlich die dumme Idee, dein kleines Riff, dein H zu verlassen und spielst eine kleine Melodie, alles fängt an zu wackeln. Du willst dein Riff wieder spielen, es ist aber weg und alles bricht zusammen. Jaki verprügelt noch eine halbe Stunde sein Schlagzeug, Michael starrt wieder stumm auf die Gitarre, Damo mault, Holger spult Bänder zurück und verkündet: daraus schneide ich euch ein Stück, das wird in 30 Jahren eure Rente sein, ich weiß gleich werden wir uns das anhören und, obwohl wir es eigentlich alle ziemlich gut finden, das Gegenteil behaupten, meckern, uns in die Haare kriegen, wieder anfangen zu spielen, weil’s eben eigentlich doch noch besser gehen müsste, noch mehr zusammen. Und manchmal hat’s geklappt. Tja, so ungefähr sind die Sachen entstanden".

Aus einer Underground-Group, deren Privatpressung Monster Movie zu Stückpreisen bis zu 60 Mark gehandelt wurde, (Info des Autors: Im September 2004 wurden gut erhaltene Alben mit 2500 Euro gehandelt) waren Can nun zu einer hochgeschätzten Musikkommune avanciert, deren Klang zahlreiche Kino- und Fernsehfilme untermalte. Da die Gruppe mit ihren ersten Bändern bei der Pattenindustrie abgeblitzt war, ließen sie ihr Debüt-Album dann eben auf eigene Rechnung in 500 Exemplaren pressen. Ende des Jahres 1969 veröffentlichte United Artists das Album noch einmal. Dem Grundkonzept von Monster Movie folgten dann fast alle Can-Platten, das hieß: direkt und live im Studio eingespielte Songs, welche nicht komponiert waren, sondern spontan beim Jammen entstanden und sich allenfalls auf früher entstandene und auf Tonband mitgeschnittene Ideen bezogen. Eine absolute Freiheit der einzelnen Musiker innerhalb des vorgegebenen Gruppenrahmens; weitgehend freie Improvisationen und Spontanität der Bandmitglieder. Karoli: "Wenn der Motor angeworfen war und gut lief, war er unaufhaltbar. Es hat ja Konzerte gegeben, bei denen der Saalbesitzer auf die Bühne kam und versuchte, uns zu stoppen, aber es war nicht möglich. Er hat den Stecker rausgezogen, aber wir hörten einfach nicht auf, weil wir nicht wollten". Monster Movie mit einem fast magisch-monotonen, drohnenhaften Rhythmus gespielt findet ihren Höhepunkt auf der zweiten Seite der LP im Stück Yoo Doo Right, wo über einem maschinenhaften Rhythmus, der sich aber in sich selbst häufig ändert, die unglaublichsten Dinge geschehen. Das ganze Album wurde auf einer 2-Spur Bandmaschine aufgenommen und anschließend von Holger Czukay für eine in damaligen Zeiten unglaubliche Schneidetechnik der Bänder mit "Loop-Elementen" versehen. Irmin Schmidt sagte in einem Interview jedoch hierzu: "…am Ende hatten wir unendlich viel Band, doch es war sehr schnell klar, wie man das abschneidet. Das Stück hat in sich kaum Schnitte. Es gab diese 20 Minuten die einfach stimmten, die schnitten wir raus und sagten, den Anfang der nächsten Aufnahme nehmen wir als Schluss und basta. Ende, Schluss, aus".

Monster Movie hatte noch einiges "Krautrockiges" an sich. Aber hier sind die "Clan-charakteristischen" Ansätze schon zu finden, vor allem Michael Karolis messerscharfe, alles durchschneidende Gitarre und die alles antreibende Rhythmussektion. Bei Mooneys Gesang, eine Art intuitive Vokalimprovisation wird weniger ein Text dargeboten, als das sich der Gesang eher wie ein weiteres rhythmisches Instrument in die Musik einfügt.

Holger Czukay: "Yoo Doo Right ist aus einer zwölfstündigen Improvisation heraus entstanden. Wir haben zwölf Stunden rumgesessen und immer denselben Groove gespielt. Übrig blieben drei Fassungen, die dann in eine gültige Fassung umgeschnitten wurden. Das Ende war dann der Anfang einer neuen Version".

Schon seit ihrer ersten Proben in Nörvenich hatte die Band alle ihre Sessions auf Bandmaschine mitgeschnitten. Heute würde man hierzu wohl den Begriff "Direct To Disc" gebrauchen. Dadurch, das die Tonmaschine ständig lief, verfügten die Musiker über unendlich viel Material, wovon vieles erst später veröffentlicht wurde. Viele Bänder wurden auch zerschnitten, kopiert und als "Loop" wieder zusammengesetzt. Aber auf jeden Fall waren alle Aufnahmen ein Unikat. "Ein kollektives Improvisieren" nannte die Band die Vorgehensweise.

Holger Czukay zum Thema Monster Movie: "Das löste unseren zweiten LP-Anlauf aus, es nochmals mit neuen Stücken zu versuchen. Es gab ein paar Aufnahmen, die wir schon vorher gemacht hatten, wie Father Cannot Yell, das unsere erste offizielle Schallplatten-Aufnahme überhaupt war. Ich glaube, den Father haben wir drei oder viermal eingespielt und waren stolz darauf, dass wir das überhaupt geschafft hatten. Jedenfalls erging es mir so. Zum Beispiel, dass ich die sieben Minuten, die das Stück dauert, überhaupt Bass spielen konnte. Danach habe ich dreitausend Kreuze geschlagen, diese Hürde genommen zu haben. Auch dieses Album ist sehr unkonventionell aufgenommen worden. Ebenfalls nur fünf Mikrophone ohne Mischpult. Gemischt wurde über die Vorverstärker unserer Abhöre".

Auf jeden Fall waren Can Meister der Improvisation. Sie spielten mit einer solchen Sicherheit ihre Musik, als ob sie sie schon im Voraus durchschauen könnten, obwohl sie sie noch nie gehört hatten. So findet man in Cans Musik auch nur wenige Solo-Einlagen, da die Musiker daran interessiert waren, die Band als "Ganzes" zu sehen. "Im wesentlichen hingen die spontanen Improvisationen" (Jaki Liebezeit) vom Gelingen der Beziehung zwischen den improvisierenden Musikern ab, einem Zusammenschluss innerhalb der Band, die von Fans und Gruppe desgleichen teilweise als telepathisch bezeichnet worden ist, und wodurch es der Band immer wieder gelang, eine magisch-mystische Atmosphäre zu erzeugen. Michael Karoli: "Die magische Seite von Can? Es hat alles mit unserem Improvisationskonzept zu tun. Es ist die Art und Weise, wie das Gehirn funktioniert. Magie entsteht, wenn man diese Funktionsweise entdeckt. Das Gehirn stellt von ganz allein Verbindungen her - das ist Magie. Magie ist aber auch eine Technik. Man muss offen sein in dem Sinne, dass man zulässt, dass die anderen auf einem spielen. Dabei besteht die Gefahr, dass man verletzt wird. Aber wenn man über Magie redet, verliert man sie. Ich wollte auch nie je ein Solo spielen. Und Mother Sky war das einzige Can-Stück, in dem ich wirklich solistisch tätig war, aber das war funktionell und bestellt".

Holger Czukay über die Anfangstage von Can: "Wir haben oft mit dem Rücken zur Wand spielen müssen, wenn mal wieder nichts auf der Bühne funktionierte. Jede drittklassige Rockband war uns in konventioneller Hinsicht haushoch überlegen. Es war nicht so, dass uns alles nur zugeflogen kam. Das wurde hart erkämpft. Wenn du ein richtig erfahrener Fähigmann bist, gehst du ganz anders mit der Musik um, als wenn du musikalisch nur so um dich schlägst, und wir haben zunächst letzteres getan".

Live war Can dann plötzlich eine ganz andere Band als die Fans sie von den Platten her kannten. Für die Live-Musik von Can wäre der Begriff "Improvisation" wohl nicht ganz Genüge getan. Für die Band bedeutete Improvisation auch immer vorankommen und Grenzen zu erkunden. In Konzerten erzielte die Band ihre persönliche Stimmung dadurch, dass sie die Themen ihrer "Songs" nur als Orientierung für ihre Improvisationen benutzte. Karoli: "Ich habe noch nie in meinem Leben ein Solo eingeübt, und ich weiß auch nie, was ich spielen werde, bis ich es spiele". So kam Can nicht selten bei ihren ausschweifenden Improvisationen auf eine Konzertdauer von drei bis vier Stunden.

Holger Czukay hierzu: "Niemand war besessen von solistischen Alleingängen bei uns. Jaki wollte nie ein Solo spielen, noch nicht einmal für Geld. Und mit Michael war es das gleiche. Wie gesagt, wir verstanden uns als Kammerorchester, in dem jeder seine eigene Stimme hatte. Die Gitarristen, die immer zeigen müssen, was sie können, tun sich letzten Endes keinen Gefallen, obwohl es da auch wieder Ausnahmen gibt".

Der Klang der Platten ließ bis 1974 etwas zu wünschen übrig, doch wenn man bedenkt das alles nur auf einer 2 Spur Revox-Tonbandmaschine live aufgenommen worden ist, muss man die Qualität doch schon wieder bewundern. Für die gesamte Aufnahmetechnik und fürs Schneiden der Bänder war Holger Czukay verantwortlich. Er war quasi einer der ersten Musiker der sich durch die Schneidetechnik das "Looping" oder auch "Sampling" von Sounds zu Eigen machte. Seit 1976 besaß die Band dann eine 16 Spur Aufnahmemaschine. Allerdings trug eben diese dann aber dazu bei, das die sich als bisher hervorragend erwiesene Aufnahmetechnik nicht mehr zum Tragen kam. Der absolute, groovige, live eingespielte Session-Sound ging teilweise verloren. Stattdessen wurde an vielen Einzelheiten separat im Studio gebastelt, so dass einige Stücke fast nichts mehr von ihrem Grundfeeling behielten. Jaki Liebezeit: "Mit der 16-Spur-Maschine ist das dann alles so ein bisschen zerbröselt, und jeder hat nur noch für sich gearbeitet. Er schickte die anderen nach Hause und sagte, ich spiele jetzt mal meine Spur ein. Es wurde nicht mehr im Team gearbeitet, und damit war eigentlich alles gelaufen. Meiner Meinung nach sind die ersten Platten viel besser als die späteren … Unser System, Musik zu machen, wurde durch die Vielspurtechnik zerstört … Das wurde von den einzelnen zerpflückt, entglitt der Kontrolle der Gemeinschaft, und die Stücke wurden meist schlechter, als sie ursprünglich mal waren."

Live spielte Can 1969 drei Monate lang im Stadttheater Zürich bei Max-Peter Ammans Aufführung des Prometheus. Im Dezember 1969 trennte sich die Gruppe von dem psychischen kranken Malcolm Mooney, der heute in Harlem als Kunsterzieher arbeitet. Es war ein schwerer Ausfall für die Band, die von Dezember 1969 bis Mitte 1970 dann auch nur einen neuen Song aufnahm.

Nachdem man über ein Dutzend Sänger ausprobiert hatte ("Ihr Fehler war, dass sie richtig singen konnten" - Schmidt), engagierte man im Mai 1970 den jungen japanischen Sänger Kenji "Damo" Suzuki. Dieser ehemalige Straßensänger zeichnete sich dann auch dadurch aus, dass er "weniger singt als Worte ins Mikrophon atmet" (Melody Maker).

Wie erfolgreich sich Can inzwischen auch auf Filmmusiken spezialisiert hatte, zeigte sich im Herbst 1970, als ihre Plattenfirma ein Soundtrack-Album veröffentlichte, das Melodien aus den Filmen Deadlock (Roland Klick), Cream (Leonidas Capitanos), Mädchen Mit Gewalt (Roger Fritz), Deep End (Jercy Skolimovsky) und Bottom (Thomas Schamoni) enthielt. Hierauf ist auch der erste Song mit Damo Suzuki zu finden: Don´t Turn The Lights On, Leave Me Alone. Das Stück aber, weswegen diese Produktion eine der besten ist: Mother Sky! Hier gibt es den individuellsten Can-Stil in Vollendung: ohne Kompromisse, fanatisch, schroff, abwechslungsreich, erregend. Dazu Karolis schrille Gitarre, ein druckvoller Bass, metronomartiges Schlagzeug und groteske Vokals. Aber das Besondere an diesem Album ist, das auch Damos Vorgänger hier noch als Stimmkünstler zu hören ist, und man somit beide vergleichen kann. Mit ihrem neuen Sänger setzte dann bei Can dann auch wieder ein immenses Ideenreichtum ein. Michael Karoli zum Thema Filmmusik: "Die Filmmusik war sehr wichtig für Can, weil sie uns immer wieder geholfen hat, musikalische Tabus zu brechen".

Czukay: "Das sollte eigentlich gar kein Album werden. Weil wir mit Schallplatten noch kein großes Geld verdienen konnten, hatte uns Irmin glücklicherweise ein paar Filmmusiken einfahren können. Die waren zum Beispiel von der Produktion her viel aufwendiger als Monster Movie. Auch wurde viel mehr geschnitten. Es sind im wesentlichen mehr Lieder - bis vielleicht auf Mother Sky. Das waren doch auch sicher Aufnahmen, die in völlig unterschiedlichen Situationen entstanden sind. Soul Desert zum Beispiel sind wir ganz normal als Schallplattenaufnahme angegangen und haben es als Titelstück für den Film Mädchen Mit Gewalt abgegeben bzw. verkauft. Ich weiß noch, wie Irmin immer warnte, Vorsicht walten zu lassen, damit die Musik nicht den Film erschlägt. "Erschlag ihn, erschlag ihn" war mein Ratschlag, und richtig, die Musik war das einzige, was den Film überhaupt rettete. Der Regisseur hatte das Stück nicht gemocht; bis er mal kapiert hatte, was er bekam, gingen fast dreißig Jahre ins Land, vielleicht waren es auch sechsundzwanzig. Es war zugleich auch das letzte Stück, das wir mit Malcolm Mooney aufnahmen, nachdem er psychisch krank geworden war. Man muss sagen, dass er damit auch eine seiner ergreifendsten Aufnahmen abgeliefert hatte. Von seiner Seite aus war das Stück unglaublich gut, ach, was heißt schon von seiner Seite, das Stück ist ein Hammer für meine Begriffe und ist ab sofort in den Czukay-Top-Ten zu finden, wobei ich es mit den Zahlen nie so genau nehme. Aber Malcolm musste auch vierundzwanzig Stunden am Tag bewacht werden, ansonsten wäre er aus dem Fenster des zwölften Stockes gesprungen. Das wollten wir nicht riskieren. Also mussten wir ihn schweren Herzens wieder nach Amerika schicken. Wahrscheinlich vertrug er Haschisch mit Alkohol nicht".

Der Musik Express führte Can im 70er Pop-Poll unter den beliebtesten Underground- (Platz 4) und Blues-Gruppen (Platz 3) auf. Zudem gehörte Monster Movie zu den sechs begehrtesten Platten des Jahres. Während des Winters arbeiteten Can am Zweitwerk Tago Mago (betitelt nach einem Berg auf Ibiza), das auf zwei Seiten "eine gewisse Vorstellung dessen gibt, was wir spielen wollen" (Schmidt). Während die Seiten drei und vier aus Sessions zu den Aufnahmen der Platte bestand, die von Holger Czukay bearbeitet worden waren und Hildegard Schmidt so beeindruckten, das sie die Band bedrängte die Tracks auch noch zu veröffentlichen. Irmin Schmidts Kommentar zu diesen beiden Seiten: "Die Seiten drei und vier sind aus einer Stimmung heraus entstanden, in der wir die ersten beiden Seiten gemacht haben - etwa die Entstehungsgeschichte der Platte". Diese Musik, "eine eigenwillige Harmonie- und Melodiefolgen und elektronischen Effekten" (Stern) "lässt sich körperlich mitempfinden, animiert zum Tanzen und eignet sich gleichzeitig zum intensiven Anhören in den verschiedensten Bewusstseinslagen" (Sounds). Nach wie vor ist Tago Mago Cans meistverkauftes Album.

Die LP zeigt Can von zwei verschiedenen Seiten. Den beiden Platten des Doppelalbums liegen unterschiedliche Konzeptionen zugrunde. Seite Eins und Zwei lassen sich leicht als Can-Musik identifizieren. Seite drei und vier geben dann einen wesentlich anderen Teil von Cans Musik wieder, als alle bisherigen Einspielungen. Ohne jede Definition, spontan entstandene Klangereignisse werden in- und aneinandergefügt: Musik mit experimentellem Charakter, eine Art Verinnerlichung der bisher von ihnen gewohnten Musik, die nun zum genauen Hinhören herausfordert. Erwähnenswert ist die Verwendung eines elektronischen Schlagzeugs bei Peking O., welches auf Knopfdruck hin von einem Moment zum anderen total veränderte Rhythmen erzeugen kann. Das Stück ist übrigens am ersten Tag entstanden, an dem Can das Gerät besaß. Es gibt also die unvermittelte Reaktion auf ein neues für die Gruppe ungewohntes Instrument wieder. Das Album durchbohrt das herkömmliche Schema des damaligen Rocks und baut ungehemmte Klang-Collagen, deren Extrakt aus frei verknüpften Klangbildern, Echo-Sequenzen und den Geräuschen gewohnter Instrumente modelliert ist. Das Ergebnis dieser experimentellen Schöpfung ist ein imposantes, euphorisches Prachtexemplar, welches den Begriff des Wortes "Krautrock" klanglich wiedergibt. Man findet sich ständig in einer Welt aus ungewöhnlichen Soundcollagen und seltsamen Texten wieder.

Czukays Kommentar zu Tago Mago: "Mit Tago Mago fing eigentlich die zweite Runde fortgeschrittener Sample-Produktion an. Eines der Hauptstücke, Halleluwah, ist regelrecht aus Rhythmus-Samples entstanden. Die haben wir zwar eingespielt, aber letzten Endes haben wir nur noch Teile von Rhythmen montiert und daraus die ganze Gestalt des Stückes geschnitten." Michael Karoli sagte: "…wir hätten einen Fehler begangen und für das Stück nur eine einzige Rhythmus-Stelle verwenden sollen". Ich bin da zwar anderer Meinung, aber man merkt, dass wir bereits vor der ganzen Sampler-Entwicklung schon im Sinne einer noch zu erfindenden Hardware dachten. Der erste Teil von Tago Mago besteht aus normal ein-gespielten Stücken. Der zweite Teil könnte quasi als die Rückseite des Mondes betrachtet werden. In den Umbaupausen, wenn es galt, eine neue Aufnahmesituation zu schaffen, langweilten sich die anderen und fingen an, sich mit Musizieren die Zeit zu vertreiben. Das habe ich gern mitgeschnitten. Und diese Mitschnitte lieferten das Ausgangsmaterial zur Weiterbearbeitung der Seiten drei und vier. Später machten wir aus ähnlichen Situationen Unlimited Edition oder Soup. Das waren Abfall-Produkte, die neben den regulär eingespielten Stücken eben anfielen.

Die Band trat 1971 beim Herzberger Pop-Festival, in der Fernsehsendung Berlin Am Freitagnachmittag und im Beatclub am 07.08.1971 auf. Danach vertauschten sie ihr Nörvenich-Domizil mit einem ehemaligen Kino in Weilerswist in der Nähe von Köln, das sie bis 1978 zum Übungsraum und Studio machten. Alle folgenden Can-Alben mit Ausnahme von Rite Time, das jedoch dort fertig gestellt wurde, wurden dort produziert. Dann übernahm Cans Toningenieur René Tinner zusammen mit Holger die Leitung. Das Studio ist inzwischen sorgfältig abgebaut worden und wird derzeit maßstabgetreu und funktionsfähig als Ausstellungsstück, aber auch als weiterhin funktionierendes Studio, im Deutschen Rock’n’Pop Muse-um Gronau, nahe der holländischen Grenze, rekonstruiert. Holger hat jetzt den Raum mit U-She’s Design zu seinem Privatstudio umgebaut und will es als eine Art Online Produktions- und Sendezentrale zukunftsfähig machen. In der welt-weiten Internet Zusammenarbeit hat er mit Linear City ein erstes Resultat auf den Weg gebracht.

Zudem schrieben Can die Melodien zu den Fernseh-Streifen Das Millionenspiel, Ein Großer Graublauer Vogel, Tote Taube, Alice In Den Städten, und Die Letzten Tage Von Gomorrha. Nach den 1971er Beliebtheitsumfragen erschienen Can beim Musikexpress unter den gefragtesten Pop- und Underground-Gruppen (Platz 5). Sounds führte Can auf Platz 2 der "Gruppen des Jahres", und Tago Mago rangierte auf Platz 2 der Langspielplatten des Jahres. Am 4.2.72 gaben Can vor knapp 10.000 Besuchern das legendäre Can Free Concert in der Kölner Stadthalle. Das mit farbigen Laserstrahlen, Akrobaten und Feuerwerfern bestückte Rock-Spektakel wurde im Auftrage der Gruppe gefilmt. Ein 50-Minuten Streifen lief am 25.9.75 im 3.Programm des WDR. Der Film zeigte Can auch beim Proben und Jammen im eigenen Studio.

Das britische Musikmagazin Melody Maker kommentierte: "CAN ist zweifellos die talentierteste und konsequenteste Experimental-Rockgruppe in Europa, England eingeschlossen." Das französische Magazin "Rock & Folk" beschrieb die CAN-Musik als "eines der beeindruckendsten Musikexperimente, die von zeitgenössischen Bands angeboten werden". Zu finden ist der Film in der leider vergriffenen Can-Box von 1999 als Videotape und digital auf der neu erschienenen Can-DVD.

Als Can zur ersten 20 Gigs umfassenden England Tournee (29.4.-19.5.72) aufbrachen, stellte der Melody Maker eine Band vor, "deren Musik sich genial vom Rock in England und Amerika unterscheidet, die stark instrumentalbetont ist, in Jazz-ähnlicher Free-Form verläuft und mit einem Rhythmus gesegnet ist, den englische und amerikanische "Space-Musik" Gruppen nicht besitzen". Mitte des Jahres wurde die Gruppe vom Saarländischen Rundfunk mit der Goldenen Europa, dem Sonderpreis der Jury in der Sparte Soundtracks ausgezeichnet.

Der "Volltreffer ihres Lebens" (Bravo) gelang ihnen mit der Titelmelodie Spoon zum Durbridge-Krimi Das Messer, der im Dezember 1971 über die Bildschirme flimmerte. Spoon kletterte bis auf Platz 8 der deutschen Hitlisten und wurde in über 300.000 Exemplaren verkauft. Dabei machte die Band bei ihren Aufnahmen noch immer keinerlei Kompromisse, obwohl Irmin zu seinen Bandkollegen schon mal sagte: "Sie würden dies schon für ihre Rente tun". Michael Karoli: "Ich fand, dass wir dafür bei weitem nicht kommerziell genug waren. Das ist ja eine doppelgesichtige Sache". "Nach ihrer Musik eine andere Platte aufzulegen, ist wie eine Rückkehr zur Schule nach einem Ferienaufenthalt auf Wolke 7", urteilte damals der britische Spectator.

Im Herbst 1972 erschien das Album Ege Bamyasi betitelt nach einer Dose mit türkischem Gemüse (Okraschoten aus der Ägäis), dessen Hersteller "Can" heißt "ein ausgesprochen hypnotisches Album" (Disc); "Ihre bislang interessanteste Veröffentlichung, mit der sich die Band weniger schonend und homogener als in der Vergangenheit präsentiert" (New Musical Express). Can bieten uns hier alles andere als konservierten Eintopf. Das Album vibriert, zittert und pulsiert. Holger Czukay hält andauernd seine Basstöne zurück, um sie dann in gleichsam aufgestauten, eng gedrängten Bündeln abzulassen. Ein spannendes Spiel mit den Pausen. Gitarrist Michael Karoli entlockt seinem Instrument lange Rückkopplungsfäden; fast unberührt von dieser holperigen Fahrt. Irmin Schmidt stattet die Songs mit vielfarbigen Klängen vom E-Klavier und der Orgel aus. Mal mit, mal gegen den "Strich". Ege Bamyasi enthielt dann auch das Stück Spoon, die Titelmelodie des Fernseh-Krimis Das Messer, die der Band ihre erste Charts-Notierung in Deutschland bescherte. Ebenfalls auf Ege Bamyasi ist unter dem Titel Vitamin C die Musik einer weiteren TV-Krimi-Serie und dem Hollywood Kriminal Dead Pigeon von Sam Fuller zu hören. Der Erfolg von Spoon ermutigte die Band, von nun an ein größeres Publikum ins Auge zu fassen. Leider musste Michael Karoli nach Fertigstellung dieser Platte bis zum Jahresende 1972 pausieren, da er ernsthaft erkrankt war. Karoli: "Auf uns lastete bei Ege Bamyasi ein furchtbarer Zeitdruck … Am selben Abend, an dem wir den letzten Schnitt für Ege Bamyasi machten, sollte auch das erste Konzert unserer Tournee stattfinden. Da brach ich dann zusammen, so dass die ganze Tournee abgesagt werden musste".

Holger Czukay zum Erfolg zu Ege Bamyasi und Spoon: "Einen Hit in Deutschland, ja. Weil die Nummer sechsmal im Vor- und Abspann von Durbridges Das Messer gelaufen war. Damit hatten wir es auch mal in die Top Ten gebracht. Das gab mit einem mal ein ganz neues Fahrgefühl, z.B. mit neuen Reifen am Auto... Und dann riefen uns die Fernseh-Anstalten an, ob wir nicht in DISCO 72 bei Ilja Richter auftreten könnten. So viel Vertrauen mochten wir nun auch nicht in unsere Reifen stecken und lehnten ab. Heute würde ich ein solches Angebot vielleicht eher annehmen und mir überlegen... hmm, sehr reiflich überlegen, ob sich da was machen ließe... aber damals waren das eben andere Zeiten, und mit vier Leuten fallen solche Überlegungen anders aus. Ich denke, wir hatten ’s richtig gemacht. Damals bekamen wir unsere ersten Neumann-Kondensator-Mikrophone, und plötzlich hatte das Schlagzeug Transparenz und Raum. Insgesamt war diese Platte schon etwas klangkultivierter. Aber wir waren noch im Glück, denn wir hatten immer noch keine Mehrspur-Maschine, sondern ein normales Stereo-Tonbandgerät. Wir waren also noch richtig auf Team-Arbeit angewiesen. Eine weitere Wende wurde dann mit Future Days eingeleitet. Bei dieser Produktion beschwerten sich die anderen Kollegen, dass ich nicht mehr richtig Bass spielen würde, weil ich mit der Technik zu viel am Hut hätte; unsere Roadies sollten meinen Platz an der Technik einnehmen. Ich hatte mich dagegen sehr gewehrt, aber ich wurde abgelöst und füllte nun meinen Platz als Bassist voll aus. Deshalb habe ich auf diesem Album auch mehr loslassen können als sonst üblich. Das hatte jedoch den Nachteil, dass die Aufnahme-Balance gelitten hatte. Im Nachhinein konnten wir das ja nicht mehr groß ändern. Mir war einfach das ganze Schlagzeug zu laut. Später kehrte ich dann wieder ans Mischpult zurück, denn die anderen sahen das ähnlich so".

Zwischenzeitlich produzierten Czukay und Liebezeit das Debüt-Album des Kölner Folk-Sängers und Multi-Instrumentalisten Alex. Der Name Can tauchte zur Jahreswende in allen relevanten Pop-Polls auf: "Beste Pop-Gruppe auf Platten" (Musikexpress), Gruppe des Jahres (Sounds), Beste Pop-Gruppe (Popfoto), Platz 3 Gruppen Inland (Musikmarkt), Platz 4 "beliebteste deutsche Gruppe" (Schallplatte). Ege Bamyasi wurde im Sounds-Poll zu den drei Langspielplatten des Jahres gezählt. Im Frühjahr 1973 ging das Quintett auf eine 60-Tage-Tournee durch England, Frankreich und Deutschland.

Darauf folgten die Aufnahmen zur fünften Langspielplatte Future Days, die - wie für alle anderen Produkte - in eigener Regie und für eigene Rechnung (Inner Space Productions) stattfanden. Es entstand Cans "zugänglichstes Album" (New Musical Express), das "durch ein ausgewogenes Klangbild besticht", "eine phantasievolle Produktion und - daran hat es immer ein wenig gemangelt - durch eine kaum noch zu überbietende perfekte Mischung" (Music Szene). "Allerdings geht alles nach mehrmaligem Hören aufgrund der auffällig dünnen Ideen in ein Ohr hinein und zum anderen wieder heraus" (Disc). Jedoch wegen des größeren Bekanntheitsgrads gelangte diese Platte nicht mehr auf so viele unvorbereitete Ohren. Auch hatten Can auf Future Days den Krautrock schon lange hinter sich gelassen und ihre eigene Richtung eingeschlagen. Die Musik hatte fast schon ein "federndes" Feeling, und wies doch immer noch eine sehr hohe Dichte aus. Michael Karoli: Future Days war für mich die Verwirklichung eines Traumes. Das Stück Future Days war damals für mich der absolute Höhepunkt meines Schaffens. Da passierte alles, was ich mir immer vorgestellt hatte. Für mich war es damals unser Höhepunkt".

Holger Czukay zu Future Days: "Das ist schon ein sehr abgehobenes Scheibchen. Gleich für das erste Stück haben wir in einer gefüllten Badewanne ein paar Unterwasser-Aufnahmen gemacht. Sie ist wohl die symphonischste aller Can-Platten. Wie wir erfuhren, kam sie in Argentinien bald auf Platz eins. Wir hatten ziemlich lange dran gefeilt. Alles musste samplemäßig geschnitten, neu zusammengefügt und behandelt werden. Das kostete Zeit, und das hört man auch. Es ist auch die erste Can-Platte, von der ich das Gefühl habe, sie hat Längen. Wobei die erste Seite ja noch aus relativ übersichtlichen Songs besteht. Auf Bel Air mag das bedingt zutreffen, man kann das auch anders empfinden. Hätte man seinerzeit die richtige Balance gefunden, wäre zumindest ich etwas glücklicher damit gewesen. Den anderen ergeht es da sicher ebenso. Trotzdem hat diese Scheibe weltweit Maßstäbe gesetzt, bis heute und in Zukunft".

Damo Suzuki (inzwischen verheiratet) verließ die Band Anfang 1974, so schnell wie er gekommen war, um Zeuge Jehovas zu werden. Der Verlust des Sängers traf den Rest der Band schwer. Die Gruppe arbeitete in Quartettbesetzung weiter; Schmidt und Karoli teilten sich ab nun den Gesangspart. Einige kurzzeitig engagierte Sänger, unter anderem Tim Hardin übernahmen diesen Part nur kurzzeitig. Aber ein gleichwertiger Ersatz für Damo Suzuki konnte nicht gefunden werden. Michael Karoli: "Da hätte schon jemand wie Captain Beefheart kommen müssen". Trotz der sich abzeichnenden Trennung führte Can ihre Wintertournee durch und traten unter anderem gemeinsam mit Amon Düül II am 7.12.1973 in Düsseldorf in der Phillipshalle beim Deutschrockfestival auf.

Holger Czukay im Interview zu Damo Suzukis Austritt aus der Band: "Der hatte aus Altötting eine Frau kennen gelernt, die sich in den Kopf gesetzt hatte, den berühmtesten Sänger Deutschlands heiraten zu wollen. Das hat sie denn auch getan, und da sie eine Zeugin Jehovas war, musste Damo allen weltlichen Genüssen, einschließlich des Singens entsagen. So hat er einen ganz normalen Beruf ergriffen in einer ganz normalen japanischen Firma. Als die Ehe dann ein paar Jahre später wieder vorbei war, versuchte er gesanglich wieder da anzuknüpfen, wo er bei Can aufgehört hatte, und das führte logischerweise zu ganz anderen Ergebnissen".

Die Personal-Reduzierung führte aber zu einer weiteren Verdichtung von Material und Spielintensität. 1974 etablierte sich Can im Urteil des englischen Rockpublikums und der Fachkritik endgültig als "eine der bedeutendsten europäischen Bands" (Melody Maker). In ihrem Heimatland waren die Musiker immer seltener zu hören. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Oder zumindest wenig. Während man in Deutschland bei der Erwähnung des Namens Can oft Achselzucken erntete, stieß man in Frankreich, England oder den USA auf leuchtende Augen, sobald die Rede auf die innovativste Gruppe der deutschen Rock-Geschichte kam. Aus dem Jahr 1974 stammt auch das längste Konzert der Band. Es fand in Berlin statt und dauerte von 20 Uhr bis 3 Uhr früh. Zu viert gingen Can auf eine Frankreich-Tournee, die ihnen zumeist "triumphale Erfolge" (Pop) bescherte. Als beste Platten-Gruppe und beste Live -Gruppe wurden Can im Pop-Poll von Popfoto gelistet, dazu unter den beliebtesten Gruppen (Platz 4) von Schallplatte und (4.Platz) im Musikmarkt aufgeführt. Der dritte England Besuch im Januar/Februar 1974 entpuppte sich als "höchst erfolgreiche Tournee" (Melody Maker); ihr Konzert im Londoner Lyceum wurde von der BBC aufgezeichnet und in der "In Concert" - Sendung wieder aus-gestrahlt. Außerdem waren sie Gäste im Old Grey Whistle Test.

Dann schickte die Gruppe das Neuprodukt Soon Over Babaluma in die Läden, mit dem sich "die Band etwas mehr von dem massiven elektronischen Roboter-Sound entfernt" (Pop) und stattdessen "Spielwitz, Ironie, Komik und Selbstparodie" (Sounds) zuwandte. "Und war" laut (New Musical Express) "mehr als 40 Jahre ihrer Zeit voraus". "Ein großartiges Album der bedeutendsten europäischen Band" (Melody Maker) und als "monoton zum Übelwerden" empfand der Record Mirror. Ingeborg Schober schrieb damals in ihrer Plattenkritik der Sounds "Die Originalität dieser Platte liegt in der Montage, dem Detail, der spinnigen, aber cleveren Verschrobenheit, mit Alltäglichem ganz und gar unorthodox zu verfahren. Also auf nach Babaluma, die Zukunft hat schon begonnen!" Dieses war auch das letzte Album welches Can direkt, ohne Mehrspurtechnik aufnahm. Als richtungweisend auf dieser LP sei das Stück Quantum Physics hingestellt. Es ist eines der ersten Ambient-Titel welcher durch Liebezeits perfektes Schlagzeugspiel und Schmidts Klang-Experimente an einer Art Ur-Synthesizer den besonderen Reiz erhält.

Michael Karoli hatte jetzt den Gesangspart voll übernommen. Inzwischen waren Can längst zu einem wichtigen Tipp der internationalen Szene geworden, weshalb die englische Plattenfirma Virgin Records historische Clan-Songs unter dem Titel Limited Edition (Stückzahl 15.000) als Promotions-LP veröffentlichte. Limited Edition ist identisch mit der Platte eins der in Deutschland zwei Jahre später erschienenen Doppel-LP Unlimited Edition, die übrigens auf dem Cover interessante Informationen zu Can-Geschichte gibt. Hier tauchen auch einige Beispiele aus Cans E.F.S.-Zyklus auf, von denen es mittlerweile mindestens 59 gab. Die E.F.S. stellen auf humorige Weise verschiedene Musikformen nach Art von Can dar. Zur Verkaufsunterstützung tourten Can wiederum durch England und gaben "ganz brillante Konzerte, bei denen sich alle vier als absolute Meister ihrer Instrumente erwiesen" (New Musical Express). Eins zeigt Unlimited Edition ganz klar: Das Can von Anfang an zur Avantgarde der internationalen Rockmusik zählten, dass sie das einmal gefundene Konzept nie umstießen, sondern konsequent ausbauten und abwandelten. Diese Produktion ist ein wahrer Fundus schräger und schrägster Tonfarben. Eine bewundernswerte Möglichkeit, die kreativste Phase von Can kennen zu lernen. Anschließend stellte sich die viel gelobte Band in Belgien und Frankreich vor. 1975 unternahmen sie ihre fünfte England-Tournee, unmittelbar gefolgt von Konzerten in Frankreich.

Auf diesem, als "keineswegs fehlerlosen" (New Musical Express) und "großartigen" (Melody Maker) rezensierten Werk zeigte sich, warum Can "musikalisch fast unangreifbar geworden waren: "Sei es Stockhausen, Klassik, Jazz oder orientalische Musik - die Gruppe integriert die verrücktesten Einflüsse" (Sounds). Vor Unlimited Edition war jedoch das Album Landed bei einer neuen Plattenfirma erschienen, das zwar super Kritiken erhielt, im Nachhinein aber wie ein Übergang wirkte. Landed war die erste Can LP welche im 16-Kanal Mehrspurverfahren aufgenommen wurde und war insgesamt stark songorientiert. Holger Czukay äußerte sich jedoch kritisch hierzu: "…auf jeden gespielten Fehler wurde jetzt mit dem Finger gezeigt, was zu einer regelrechten Kritiksucht führte. Dann hieß es, jetzt wollen wir mal den oder den ganz alleine hören, was wiederum zur Folge hatte, dass man seine Schulaufgaben lieber allein machen wollte. Ein Lernprozess war also mal wieder in Gang gekommen. Zum ersten Mal wurde zwar mehrspurig aufgenommen, jedoch hatten wir das Masterband bereits als eine Art Datenband begriffen, wodurch Teile der Aufnahmen im Produktionsstadium gar nicht gespielt werden konnten. Erst in der endgültigen Zusammensetzung war das Resultat hörbar".

Bekanntester Song des Albums war Hunters And Collectors, Titelmelodie der TV-Krimiserie Eurogang. Auf diesem Album spielen Can zumeist einen erdvergebundenen Rock und nicht den gewohnten Kölner Space-Sound. Im Stück Red Hot Indians auf der zweiten Seite geht die Band noch einen anderen Weg. Hier ist sogar ein wenig Swing zu vernehmen, nur scheint er in einer schleierigen Hülle umgeben. Hier taucht auch erstmals ein Gastmusiker auf. Olaf Kübler von Amon Düül II spielt in diesem Song Saxofon. Am Schluss des Albums geht es mit dem Titel Unfinished dann in altbewährter Weise doch noch auf einen magischen Trip.

Flow Motion, das viele heute als Höhepunkt des Can-Repertoires ansehen, weil hier die verschiedenen Interessen der einzelnen Musiker, die daraus resultierende Komplexität der Musik und Gesichtspunkte der Kommerzialität eine bravouröse Ehe eingegangen waren. Hier wirkte der Soundmixer Peter Gilmour mit, indem er einige der Lyrics des Albums schrieb. Er war dann auch maßgeblich am Erfolg der LP verantwortlich, denn der Text des auch als Single ausgekoppelten Songs I Want More war von ihm. Dieser Song nahm es mit jeder Art von Funk auf und brachte der Band einen Auftritt in der britischen Primetime-Hit-Show Top Of The Pops. Can go Disco? Es zeigte sich, das Can in der Lage waren, gute tanzbare Musik zu spielen. Der Cascade-Waltz und der Reggae Love Till You Cry, Live Till You Die stellten abendländische und westindische Rhythmik nebeneinander, doch mit dem Titelstück Flow Motion gab es auch ein Anklang an frühere Can-Tage.

1976 lernte Can in London bei einer TV-Show Rosko Gee (Bass) und Reebop Kwaku Baah (Percussion) von der Gruppe Traffic kennen. Die beiden Musiker besuchten Can im Kölner Inner Space Studio und wurden feste Mitglieder. Mit dieser Begegnung vollzog sich jedoch auch eine große Wendung in der Bandgeschichte. Michael Karoli: "…und Rosco spielte auch einen sehr groovenden Bass. Irgendwann kam er dann mit Reebop an, mit dem er vorher bei Traffic gearbeitet hatte. Auch

das war aber nicht geplant. Die sind einfach dazugekommen. Bei Can wurde sehr selten entschieden, ab jetzt machen wir so oder so weiter…". Doch diese im Musikgeschäft erfahrenen Profis ließen sich nicht voll ins Can-Selbstverständnis integrieren. Sie bestanden auf individueller Tantiemen-Regelung, wo Can die kompositorischen Anteile bisher gleichmäßig aufgeteilt hatten. Jedoch wurden die Klangbilder der Band durch diese Musiker noch dichter, und es erfolgte eine starke Intensivierung des Rhythmus und einen leichten Anflug "Ethno Touch". Jaki Liebezeit: "Reebop war einer der Weltmeister auf der Conga. Ein absoluter Supermann. Es machte mir un-heimlichen Spaß, mit ihm zu spielen". Karoli: "Der hat wirklich den Beat seiner Väter da reingebracht".

Mit Saw Delight erschien dann 1977 wieder ein sehr starkes Album. Can wirkt jetzt geradliniger und fügsamer und vor allem vom Sound her ausgereifter als je zuvor. Hier kommt die gute Rhythmusarbeit der beiden neuen Mitglieder erstmals voll zur Geltung. Irgendwie hatte sich jetzt aber doch eine musikalische Wandlung zu mehr Kommerzialität vollzogen. Alles in allem ist Saw Delight nicht mehr so kompromisslos wie frühere Can-Alben. Es ist aber auch so, das dieses Album nicht so unbedingt zum genauen Hinhören zwingt, es ist leichter "konsumierbarer". Aber es beweist wieder einmal die Wandlungsfähigkeit dieser Band. Can On The Top? Auf diesem Album wird Holger Czukay nicht als Musiker, sondern nur als Editor erwähnt, aber Michael Karoli weiß hierzu: "Manchmal steht da auch, dass ich Gitarre spiele, obwohl es Holger war. Und manchmal spielte ich auch den Bass, auch schon in der Frühzeit. Wir spielten einfach nur. Oft war es der pure Zufall, wer gerade welches Instrument spielte…". Holger: "Habe mit dem Diktaphon die Ethno-Zuspielungen gemacht, was z.B. Animal Waves den Character gab, den es hat".

Holger Czukay, der zuletzt nur noch Kurzwellen-Aufnahmen aus dem Radio eingespielt und sich um "Spezial Sounds" gekümmert hatte mit denen er der Band neue Impulse verlieh, verließ 1977 nach der LP Saw Delight die Band. Alle Can-Mitglieder warfen Holger Esoterik und Störung des musikalischen Ablaufs vor, und forderten eine Einschränkung seiner elektro-technischen "Spielereien" welche jedoch jedes Can Konzert zu dieser Zeit zu einer nicht mehr reproduzierbaren Uraufführung werden ließen. Czukay verließ folgerichtig die Band, als Reebop ihm dreimal auf der Bühne den Netzstecker herauszog und er erkennen musste, dass er seine eigenen musikalischen Vorstellungen nicht mehr im Can-Kontext unterbringen konnte.

Unter welchen Umständen Holger Czukay dann die Band verließ oder verlassen musste, ist nicht ganz klar, zumal sich Can in jener Zeit in Schweigen hüllten. Da es sich als unüberwindbare Hürde erwies dem musikalischen Prozess Cans mit Hilfe von rhythmischen Radio-Signalen neuartige Ideen zu geben, machte Holger Czukay seine Idee 1979 schließlich zur Grundlage seines ersten Soloalbums Movies. Holger Czukay hierzu in einem Interview: "Ich hatte mit massiven Schwierigkeiten zu kämpfen, ob die Vision, die ich vom Zauber der Elektronik und der Medien hatte, überhaupt noch in das Can-Gefüge passte. Da gab es offensichtlich unterschiedliche Meinungen, und ich empfand mich allmählich als störend, der gemeinsame Sound war dahin“.

 

Irmin Schmidt: „Wir haben uns immer über irgendwas gezankt. Und damals war es eben das. Die Technik wurde etwas komplexer, wir hatten wesentlich mehr Equipment, und der-jenige, der damit beschäftigt war, hatte damit eben auch we-sentlich mehr zu tun. Und das war Holger. Möglicherweise hat uns das genervt. Vielleicht hatten wir auch Unrecht. Ich muss sagen, dass frühere Sachen von der Balance eher besser ge-klungen haben. Aber gezankt haben wir uns über alles Mög-liche. Wir waren alle nicht einfach. Und weiß Gott, Holger auch nicht … Wir stritten uns übers Bass-Spielen, über Rhythmus, über sonst was. Irgendwann war der Holger das leid, denn er ging ja selber durch eine Hölle, weil er andauernd angemeckert wurde. Manchmal trieben wir unsere Selbstzerfleischung einfach sehr weit. Mit Sicherheit zu weit. Holger gab dann das Bassspiel auf und begann mit dem Morsen und dem Einspielen von Samples. Das waren ja wirklich echte Samples. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte das wahrscheinlich funktioniert. Es war eigentlich eine typische Can-Idee aber es war schon zu vieles auseinandergedriftet.“ Michael Karoli äußerte sich hierzu allerdings nicht so bedenklich: „Bei Saw Delight ist etwas ganz Interessantes passiert. Dadurch, dass Holger freigeworden ist, wirklich auf eine fertige Sache live drauf zu samplen. Da wurde Holger praktisch der Sänger. Er hat den Bass abgegeben und wurde zum Sänger“.

 

Dass aber etwas in der Band nicht mehr stimmen musste, zeigte die Anschluss LP Out Of Reach von 1978. Diese Produktion wurde ohne Czukay aufgenommen. Die Rest-Gruppe war ziemlich orientierungslos und uninspiriert. Out Of Reach war beileibe nicht gut gelungen. Es herrscht ein „Soundgewusel“, das zwar beim ersten Hören noch einige Reize und gute Mo-mente hat, aber das magische Can-Feeling war dahin. Die Platte ist bis heute nicht wieder in den Can Katalog aufgenommen worden, was Can Fans im Internet immer wieder beanstanden, nach deren Meinung auch dieses Album zur Can Geschichte gehöre.

 

Was einmal „eine Art revolutionäre Zelle“ (Can-Chronistin Gabriele Meierding) gewesen war, existierte nicht mehr. Fehlte Holger vielleicht doch? Karoli: „Das war einfach ein schlechtes Album. Das erste Stück ist ganz gut, und es gibt ein paar andere gute Stellen darin. Aber da war der Can-Gedanke in den letzten Zuckungen. Can lag da bereits im Sterben“.

 

Ende Mai 1977 gaben Can in Lissabon dann  vor über 10.000 Fans das letzte Konzert. Die nachfolgende und LP erschien im Dezember 1978 zum zehnten Geburtstag der Band unter dem schlichten Titel Can mit einer Singleauskopplung: einer schlechten Paraphrase über Jacues Offenbachs Can Can. Doch auch diese Platte hatten die Musiker, wie in späteren Interviews zu erfahren war, größtenteils aus ihrem Gedächtnis verloren. Wie schon der Vorgänger Out of Reach zeigte auch dieses Album, dass der Band die Ideen ausgegangen waren. Die Songs waren, gemessen an dem, was andere Bands der Szene in jener Zeit veröffentlicht haben, zwar ganz annehmbar, aber im Can-Vergleich nicht mal Mittelmaß.

 

Nachdem sich die Band 1978 aufgelöst hatte, hörte der Can-Virus noch lange nicht auf, sich auszudehnen. Zu den ersten Infizierten gehörten der von den Kölnern als Sänger ver-schmähte Johnny Lydon und Jah Wobble, deren Band Public Image Ltd. wie eine Fortsetzung von Can mit anderen Mitteln klang. Bill Laswell setzte zur Gründung seiner Band Material eine Anzeige in die Zeitung, die nach Musikern mit einem Faible für Can, Soft Machine und Magma suchte. Brian Eno griff mehr als einmal den Soundaspekt von Can auf. The Fall nahmen sich der Dynamik der Gruppe ebenso an wie später Sonic Youth, deren demokratisches Selbstverständnis darüber hinaus ähnlich angelegt war wie bei Can. Stereolab hatten mit ihrem Album Emperor Tomato Ketchup die geradezu perfekte Übersetzung von Can in die Neunziger geleistet und ganze Rhythmus-Harmonie-Komplexe übernommen. Nicht zu vergessen die gesamte DJ-Generation von Westbam bis DJ Soulslinger, die mit der Montage fertiger Soundblöcke arbeitet und nicht müde wird, den immensen Einfluss von Can zu rüh-men. Nicht umsonst hat der ehemalige Can-Bassist Holger Czukay eines seiner letzten Produktionen mit dem Kölner DJ-Projekt Air Liquide eingespielt.

 

Bassist Holger Czukay, Keyboarder Irmin Schmidt, Gitarrist Michael Karoli und Schlagzeuger Jaki Liebezeit stecken nach so langer Zeit natürlich voller Geschichten. Wissen sie noch ihre aufregendsten und absurdesten Tour-Erlebnisse? Prompt reden alle durcheinander: "Weißt du noch, das Konzert in Arles, wo Nico über das Mikro vom Harmonium singen musste?" "Ja, und das in Brest  wo hinterher erst keiner klatschte und wir dann von zwei Typen mit Messern gezwungen wurden, noch mal auf die Bühne zu gehen?" fällt Irmin ein. "Ja und die wollten dann unbedingt meine Magentabletten, weil sie dachten, es wä-ren Drogen!" lacht Michael.

 

Schöne Erinnerungen. Interessant und spannend. Aber allen echten Fans müsste klar sein: Can ist nicht recyclebar! Es zu versuchen, wäre ein Widerspruch in sich. Die Band glich einer zeitlich begrenzten Interessengemeinschaft von vier starken Persönlichkeiten mit jeweils eigenem künstlerischem An-spruch. Ihre Musik lebte von der Spontanität und dem ex-perimentellen Geist von vier total unterschiedlichen Charak-tären und sehr kreativen wie professionellen Musikern. Karoli: „Wenn zum Beispiel bei Stücken das Telefon klingelte, wie zum Beispiel in One More Night, dann war das einfach ein tolles Ereignis, und automatisch Teil des Stückes. Da wäre man gar nicht auf die Idee gekommen, darüber zu reden, wir machen dieses Stück jetzt wegen des Telefons noch mal“.

 

„Can kann man natürlich nicht noch mal machen. Es kann in der alten Form gar nicht funktionieren. Das spontane Kompo-nieren bedarf zum einen einer gewissen Kontinuität, einer ständigen Zusammenarbeit, in der man eine Art telepathische Fähigkeit entwickelt, auf den anderen einzugehen. Zum anderen benötigt man eine gewisse Unvertrautheit, die etwas Neues hervorbringt. Wir haben nach zehn Jahren aufgehört, weil bei uns nichts mehr passiert ist. Das war Routine gewor-den, die Spannung war erschöpft", erklärt Irmin Schmidt.

 

Irmin Schmidt lieferte fortan vor allem Film- und Fernseh-musik, die auch in LP-Anthologien veröffentlicht wurde. Holger Czukay collagierte kunstvoll Rundfunk Mitschnitte, Geräuschaufnahmen und elektronische Sounds zu erfolg-reichen LPs wie On The Way Peak Of Normal oder Der Osten Ist Rot. Jakie Liebezeit gründete zwischen Rock und Jazz die Phantomband und nahm mit ihr Platten auf. Michael Karoli richtete sich in einer alten Mühle in einer Schlucht nördlich von Nizza das Outer Space Studio ein. Unverändert blieben die Musiker einander verbunden und halfen sich bei Produktionen gegenseitig. Ihre Beziehungsperson war über die Jahre Irmin Schmidts Frau Hildegard, die das Can - „Erbe“ auf dem eigenen Plattenlabel Spoon Records sowie durch Lizenz-Deals international pflegt. Michael Karoli hierzu: „Ohnehin hätten wir ohne das Zutun von Hildegard, die Zeit um 1972 finanziell nie überlebt. Die Verträge waren so, dass wir sowieso kaum was verdient hätten … es kamen fast alle unsere Jobs schon zu der Zeit nur durch Hildegard rein“.

 

Auch die solistischen Werke der vier Musiker werden von ihr betreut. 1989 brachte sie die historischen Meisterwerke aus den Jahren 1969 bis 1978 in CD-Editionen wieder auf den Markt. „Rauschfreie, akustische Weltraumfahrten, die den Konserven-stumpfsinn der achtziger Jahre glatt vergessen lassen“ (Der Spiegel). Eine Reunion-LP mit ihrem ersten Sänger Malcolm Mooney nahmen die vier Sound- Pioniere 1986 in Karolis Studio auf. Das Album erschien 1989 mit dem Titel Rite Time. 1991 fanden sie sich in der gleichen Besetzung mit Ausnahme von Holger Czukay noch einmal im Can Studio zusammen, um für den Wim Wenders Film Until The Last End Of The World den Titel Last Night Sleep aufzunehmen.

Aber das sollte noch nicht das Ende der Can Geschichte sein. 1998 wurde das Can-Management um Hildegard Schmidt wieder aktiv und stellte eine Can-Box mit unveröffentlichten Live - Material aus den Jahren 1971-1977, einem Video-Tape mit dem legendären  Kölner Freekonzert und einem neuen Buch mit tollen Interviews und neuen Fotos zusammen. Im Rahmen der Vorbereitung der Can Box hörte Karoli mehrere Monate lang über 100 Stunden Aufnahmen von CAN-Live-Mitschnitten, um das Material zu ordnen und auszuwählen, das auf der Doppel-CD Live 1971-77 erscheinen sollte.

 

So wie die Band auch früher immer neue Grenzen suchte, wurde im Mai 1997 eine Re-Mixed CD mit dem Namen Sacrilege herausgebracht. Der Prominenz der Techno-, Dance-, und Ambient-Szene wurden die Originalbänder zur Verfügung gestellt, welche dann aus 15 Can-Klassikern ein Remixed Album, quasi als Hommage an die Gruppe mit neuen aktuellen Sounds mischten. Doch nicht jeder Musiker mochte sich an die Werke heranmachen. Zum Beispiel äußerte sich Andrew Weatherall einer der besten DJ´s in Sachen Techno - Electro folgendermaßen: „Ich mag es, Musik anderer Leute zu remixen. Aber CAN? Auf keinen Fall. Man rührt keine Musik an die perfekt ist. Da gibt es nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen“.

 

Tatsächlich haben Can die Entwicklung der Rockmusik tief greifend beeinflusst. Vor allem in England wird ihr Nachlass gut aufgehoben und gepflegt. Bands der Post-Punk-Ära wie Joy Division, Ultravox oder New Order bezogen sich auf Can. Es schien sich mit der Doppel CD Sacrilege ein Kreis zu schließen, welcher sich über drei Jahrzehnte hingezogen hatte: ein neues Can-Album ohne Beteiligung der Musiker. Gruppen, Künstler und Projekte wie Sonic Youth, Brian Eno, Westbam, U.N.K.L.E. oder The Orb gaben Can zurück, was sie von der Band einst erhalten hatten. Can hatten nun eine ganz neue Gleichheit erlangt, sie waren an einem Ziel angekommen.

 

Auch 1999 wurde es nicht still um Can. Wie Holger Czukay in Interviews immer wieder betonte, wurde Can nie wirklich aufgelöst. (Ob es stimmt, oder nur ein Werbegag war, um das 30jährige Bandjubiläum zu featuren mag dahingestellt sein.) Aber die Legende lebt. Unter dem Motto „Can - The Can Projects Tour“ waren Holger Czukay, Irmin Schmidt, Jaki Liebezeit und Michael Karoli nach langer Zeit wieder gemeinsam in Deutschland unterwegs. „Die Reunion gehört zu den Hauptkrankheiten des Rock der neunziger Jahre. Nur höchst selten schaffte es eine Gruppe, den Heldentaten von einst noch etwas Essentielles hinzuzufügen. Viel öfter findet aus überzogenen kommerziellen Erwartungen heraus eine De-montage der eigenen Legende statt. Die Kölner Band Can hat einen Weg gefunden, aufeinander zuzugehen, ohne sich wieder-zuvereinigen“. (Visions 3.99)

 

Irmin Schmidt äußerte sich hierzu folgendermaßen: „Eine Geburtstagsfeier sollte es werden. Eine Nachfeier, denn das 30jährige Jubiläum war schon im Herbst. Eigentlich wollten wir es schon damals machen. Die Anregung kam von der Volksbühne Berlin. Jeder sollte das ganze Haus irgendwie benutzen. Ich selbst hatte eine große Installation vor. Dann stellte sich aber heraus: Die könnten es gar nicht finanzieren. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir zwei oder drei Konzerte dranhängen mussten, um das Projekt überhaupt möglich zu machen. So kam die Tour zustande.“ Aber eines war von Anfang an klar: Can würde nicht gemeinsam auf die Bühne gehen. Wer derartiges erhofft hatte, sollte bitter enttäuscht werden.

 

Holger Czukay hatte schon 1997 angefangen, mit der Sängerin U-She und Groove-Spezialist Doc Walker von Air Liquide zu arbeiten und stellte nun mit Arthur Schmidt (Gvoon) die Medien-Entertainment-Show Magazine auf seiner Homepage vor. Jaki Liebezeit glänzte mit seinem schon 1995 gegründeten Club Off Chaos. Irmin Schmidt war mit Jono Podmore alias DJ Kumo zum ersten Mal live zu sehen und stellte die im November 1998 in Wuppertal uraufgeführte Fantasy-Oper Gormenghast vor. Das Projekt von Michael Karoli hieß Sofortkontakt! Die Musik entstand auch hier jedes Mal neu, im Zusammenspiel zwischen Musikern, Publikum und Raumklang. Auch wenn Holger Czukay, Irmin Schmidt, Michael Karoli und Jaki Liebezeit nicht mehr gleichzeitig improvisierten, durch den Abend floss der gemeinsame Spirit der vier Can-Solisten. Das alles war so spannend und einzigartig, wie früher die legendären Can-Konzerte.

 

Die Tour  begann am 19. März 1999 in der Berliner Columbia-Halle und wurde ein so großer Erfolg, das im September des Jahres noch eine zweite folgte. Allerdings ohne Czukay, welcher verhindert war.

 

Im August 1999 arbeiteten Can, wieder ohne Holger dann ein letztes Mal im Studio von Irmin Schmidt zusammen und nahm gemeinsam mit Jono Podmore eine Cover-Version des Der Dritte Mann-Themas (aus dem gleichnamigen Film) für die Pop 2000-Compilation auf Herbert Grönemeyers Label Grönland auf.

Nach langem Kampf gegen den Krebs starb Michael Karoli am 17.November 2001. Michael in einem Interview mit Wolf Kampmann: „Ich bin stolz auf Can: Ich bin stolz, weil ich es der Musik zusammen mit den anderen ermöglicht habe, zu entstehen. Das ich mich nicht der Musik in den Weg gestellt habe. lch denke trotzdem, dass diese Musik unbedingt von der Kombination dieser vier Menschen abhängig war und anderenfalls nie passiert wäre. Das ist ganz klar. Aber Can war ein lebendes Wesen. Ein Organismus wie ein Ameisenhaufen. Die Seele des ganzen waren nicht unsere vier oder fünf Seelen, sondern ein Wesen namens Can. Das ist ganz wichtig. Und dieses Wesen Can hat die Musik gemacht. Wenn meine Stunde mal gekommen ist weiß ich, dass ich außer meinen Kindern noch ein lebendes Wesen mit geschaffen habe“.

 

Dann, im März 2003 bekam Can für ihr Lebenswerk den Echo, einen der schönsten Preise welche die deutsche Musikindustrie zu bieten hat, zuerkannt. Er wurde auf einer Festveranstaltung in Berlin verliehen. Red Hot Chili Peppers  Gitarrist John Frusciante welcher seine Anerkennung und seinen Respekt für Cans Musik zum Ausdruck brachte, überreichte den Preis. Sogar Brian Eno brachte seine Wertschätzung mit einem kurzen witzigen Film über Can zum Ausdruck.

Doch hier ist die Can Story immer noch nicht am Ende. Die restlichen Can-Mitglieder sind weiterhin an verschiedenen interessanten Projekten und als Solo-Künstler aktiv. Denn so einfach kann der Can - Mythos nicht beendet werden. Can war und ist nicht irgendein „Produkt“, sondern eine Art Lebensform, welche in Gestalt der Musiker weiter pulsiert und um den Erdball herum getragen wird. Darum hier eine kleine Aufführung zum Verbleib der „Can-Members“.

Holger Czukay hat nach seinem ersten Solo-Album Canaxis von 1968 noch 15 weitere folgen lassen. Mit hochkarätigen Musiker und Bands wie: Brian Eno, Jah Wobble, The Edge, den Eurythmics, Conny Plank und Air Liquide arbeitete er in verschiedenen Projekten zusammen. Seine neuste Arbeit ist das Album The New Millennium welches er zusammen mit U-She aufnahm. 2003 / 2004 gab Czukay einige Konzerte in Europa, Russland, Israel, USA und Deutschland. In diesem Jahr erfolgte dann noch die Veröffentlichung einer Doppel DVD Vol. 1, die Videomaterial aus seinem umfangreichen Privatarchiv enthält zusammen mit einer Live DVD auf seinem Label Dignose.com. Die 90 Videos welche bereits auf seiner Website zu sehen sind, gibt es hier endlich in hoher Auflösung und Qualität. Zusammen mit Geschichten des Künstlers, die er als „eine Reise durch Sinn und Unsinn, je nach Standpunkt“ beschreibt, ist sehr amüsant anzusehen.

 

Jaki Liebezeit hatte bis die Band 1978 auseinander ging, auf jedem Album und bei jedem Konzert der Can mitgespielt. Danach arbeitete er als Session-Drummer und wirkte in den 80er und 90er Jahren auf etwa 50 Alben so unterschiedlicher Künstler wie Gianna Nannini, The Eurythmics und Brian Eno mit. Am erfolgreichsten war in dieser Zeit sein Mitwirken auf Michael Rothers Solo Alben Flammende Herzen, Sterntaler und Katzenmusik, wo er der einzige Musiker neben Michael war und mit seinem Schlagzeugstil maßgeblich zum Erfolg  dieser LPs beitrug. Aber auch seine Zusammenarbeit mit den übrigen Can-Mitgliedern führte er bei deren verschiedenen Soloaktivitäten fort. 1980 gründete er die Phantomband, mit der er drei Alben aufnahm. 1982 formierte er seine Schlag-zeuger-Formation Drums Off Chaos, die noch heute zusam-men spielt. Auch er arbeitete ab 1982 häufig mit Jah Wobble zusammen, z,B. Auf Alben wie Invaders of the Heart und dem Solaris Project. Liebezeits ungebrochene Experimentierlust führte dazu, dass er 1996 die Gruppe Club Off Chaos gründete, die sich auf improvisierte elektronische Musik konzentriert. Club Off Chaos veröffentlichte drei Alben und ging auch häufig auf Tournee. Zurzeit tritt Liebezeit regelmäßig mit Burnt Friedman auf, mit dem er im Jahr 2002 auch das Album Secret Rhythms einspielte. Liebezeit und Friedman arbeiten gegenwärtig an einem neuen Album.

 

Irmin Schmidt  holte 1998 dann zu einem ganz großen Wurf aus. Da erlebte seine Fantasy-Oper Gormenghast ihre Pre-miere. Die Oper basiert auf Mervyn Peakes gleichnamiger Trilogie und einem Libretto von Duncan Fallowell. Über die Premiere schrieb der Kritiker Rodney Milnes in der Times: „Hätte Richard Strauss Rockmusik geschrieben, hätte sie so geklungen  glorios und unverschämt opulent.“ Schmidt hat bisher drei Soloalben veröffentlicht: Toy Planet, Musk At Dusk und  Impossible Holidays. Eindrucksvoll sind die fast 100 Auftragsarbeiten für Film und Theater. Auszüge hiervon sind auf der 3er-CD-Box Anthology und den LPs Soundtracks zu hören. Er wird  auch weiterhin regelmäßig Filmmusik schreiben. 2001 erschien sein Werk Masters Of Confusion, das erste Album von Irmin Schmidt & Kumo. Zudem tourte das Duo im selben Jahr auf angesagten Events, wie dem Sonar-Festival und dem Londoner Jazz-Festival und dem Jazz-Festival von Montreux. Im Herbst 2003 gingen sie erneut auf Tournee und werden ein weiteres Album einspielen.

 

Auch zu Michael Karolis Projekten nach Can muss einiges gesagt werden. Seit Michael Karoli 1978 mit dem Aufbau des Outer Space-Studios in der Nähe von Nizza sowie der Entwicklung der Microsonic-Aufnahmetechnik (eingesetzt auf Deluge) begann, hat er an zahlreichen Solo- und Gruppen-projekten mitgewirkt. 1981 war er Produzent der experi-mentellen deutschen Gruppe Bit/s. Zwischen 1981 und '84 komponierte und produzierte er zusammen mit Polly Eltes das Album Deluge. Karoli trat neben Liebezeit und Czukay im Rockpalast auf und gab Konzerte mit Liebezeit, Czukay und Jah Wobble. In den 80er Jahren studierte er afrikanischen Rhythmus und Tanz bei Seni Camara und machte Aufnahmen mit Le General Dady Mimbo. Mit Czukay, Liebezeit und Sheldon Ancel spielte er Holger Czukays Radio Wave Surfer ein. Zusammen mit Czukay produzierte er das Album Charlatan des belgischen Sängers Arno (ex TC-Matic); außerdem spielte er Gitarre auf dem Album Flux & Mutability von David Sylvian und Holger Czukay. Seine Wertstellung  beweist, dass er auf fast allen Soloalben und bei den Aufnahmen der Film- und Theatermusik von Irmin Schmidt sowie bei vier Soloprojekten von Holger Czukay zu hören ist. 1997 trat Karoli in Japan mit Damo Suzuki, Mani Neumeier, Matthias Keul und Mandjao auf. Im Juni 2001 spielte Karoli mit Suicide, James Chance, Hvratsky, Larry 7 und Malcolm Mooney im New Yorker Club The Cooler. Diese Show, in der auch Malcolm Mooney mit She Brings The Rain auftrat, sollte sein letztes Konzert sein. Holger Czukay aber hierzu: „so weit ich weiß war sein letztes Konzert in Dortmund. Habe mit Michael noch ein paar Tage vor seinem Tod telefoniert, wo er mir sagte, dass er noch nie so gut und vollendet live gespielt hätte als auf diesem Konzert“. Am 17. November 2001 erlag Michael Karoli seinem langen Krebsleiden. In einer Lobrede, die in der englischen Presse erschien, schrieb Julian Cope: „Er war ein Zauberer und ein wirklicher Star. Die fünfzehn Minuten von Mother Sky waren ein rasantes, mantrisches, türkisches L.A. Woman, mit so packenden Karoli-Riffs, dass ich daraus noch nach 30 Jahren klaue.“

 

Damo Suzuki und sein zwangloses Musikerkollektiv Damo Suzuki's Network sind seit jeher auf einer „Never Ending Tour“, bei der es das Ziel des Sängers ist, weltweit mit Lieb-habern „freier“ Musik zusammenzukommen und mit Bands vor Ort zu spielen, um spontane Sessions zu in die Wege zu leiten. 2003 ist Damo Suzuki regelmäßig aufgetreten und hat es mit der für ihn kennzeichnenden philosophischen Beherrschung hingenommen, dass ihm die US-Behörden im Juni dieses Jahres die Einreise verweigerten. Anfang 2004 wurde dann sein neues Live-Doppelalbum veröffentlicht, welches in Los Angeles und St. Petersburg aufgenommen wurde.

 

Malcolm Mooney,  Bildhauer und Maler bereitete 2003 eine Ausstellung von Zeichnungen und Gemälden vor, die im Herbst 2003 in der Welancora Gallery, Brooklyn/New York, gezeigt wurden. Mooney beschäftigt sich auch weiterhin mit Musik. Er verhandelt derzeit über einen Plattenvertrag für seine Hysterica Suite (mit der kalifornischen Band Tenth Planet. Im Jahr 2001 spielte Mooney zusammen mit Andy Votel Salted Tangerines  neue Aufnahmen ein. Zurzeit schreibt er an einem Artikel über Can, dessen erster Teil wahrscheinlich Ende 2004 veröffentlicht werden soll.

 

Rosko Gee unternahm in den späten 70er und frühen 80er Jahren ausgedehnte Tourneen mit einer ganzen Reihe von Musikern, unter ihnen die Jazz/Fusion-Instrumentalisten Al DiMeola und Trilok Gurtu. 1981 spielte er auf einer großen USA-Tour mit der neu formierten Gruppe Traffic. Außerdem hat Gee, der seinen Wohnsitz in Köln hat, diverse Alben mit verschiedenen Musikern wie etwa Josef Ferger aufgenommen. Das Duo hat erst vor kurzem die Arbeit an einer neuen, von der Kultur der Druiden inspirierten Doppel-CD mit dem Titel The Hooded Ones abgeschlossen. Seit 1995 spielte Rosko Gee Bass in der Hausband der Harald Schmidt Show, dem deutschen Pendant zur David Letterman Show.

 

Reebop Kwaku Baah, der aus Ghana stammende Perkussionist, Geburtsname: Remi Kabaka  hatte sich, bevor er Mit-glied von Can wurde, bereits als einer der international gefragtesten und innovativsten Session-Perkussionisten aus-gezeichnet. Neben seinem Schaffen bei Traffic wirkte er unter anderem an Aufnahmen von Eric Clapton, den Rolling Stones, den Beatles, Jimi Hendrix, Jim Capaldi und Free mit. Nachdem er 1982 in Schweden unerwartet an einer Gehirnblu-tung verstorben war, willigte seine Frau ein, den Titel Masim-babele aus seinem 1977 erschienenen Soloalbum Trance neu zu veröffentlichen. Das Stück wurde noch im selben Jahr ein Welthit.

 

Und zuletzt, in dieser Story noch gar nicht erwähnt: Uli Gerlach. Sein erster Job für Can bestand darin, im Sommer 1970 mitzuhelfen, 1.500 ausrangierte Armeematratzen, die der Schalldämpfung im Can-Studio in Weilerswist dienen sollten, zu transportieren und zu installieren. Später wurde er Can Tour-Manager und „der Mann für alles“, der sich  vom Reparieren der Instrumente bis zum Beaufsichtigen der Kinder  um alles kümmerte. 1999 gründete er die Can Concert Services, um die Can - Solo Projects Konzerte und die Auftritte von Irmin Schmidt & Kumo zu koordinieren, während er gleichzeitig weiter seiner Arbeit bei einem großen Logistik-Unternehmen nachging.

 

Im Oktober 2004 wurden von Spoon Records in Zusammen-arbeit mit Warner Musik die ersten vier Can Klassiker Alben neu remastert und mit einem exzellenten Klang wieder veröffentlicht. Diese sind im Hybrid-SACD Format für CD-Player und für kompatible DVD-Player. Außerdem sind die Inletts jetzt liebevoll gestaltet, mit neuen Fotos und Sleeve Notes versehen. 2005 bis 2006 werden auch alle anderen Alben neu bearbeitet und veröffentlicht. Die CDs wurden von den ori-ginalen Tonbändern ganz neu gemastert. Beaufsichtigt wurde die Arbeit durch Holger. Irmin und Jono Podmore wurden auch mit einbezogen, so dass die Produktionen schließlich und endlich so auf der CD klingen, wie es damals von der Band schon immer beabsichtigt war. Diese Ausgaben folgen dem großen Erfolg der DVD-Ausgabe Can DVD, die den 35. Jahrestag der Gründung der Gruppe kennzeichnete.

 

Quellenangaben:

Diverse Musikmagazine aus den 70ern der Gruppe Can, Inter-views von Wolf Kampmann aus der Can DVD, Can Box: Book, Can Buch von Bussy/Hall.

 

Can im Netz:

www.spoonrecords.com

www.drums-off-chaos.de

www.czukay.de

www.canlyricsproject.de.vu

www.spacelook.de/can

 

Danken möchte ich hier der Gruppe Can insbesondere Holger Czukay für die Hilfestellung und Korrekturen bei der Er-stellung dieser Story.

 

Bertram Tomek für seine Hilfe bei der Discographie und Coversammlung und Martin Kleemann von CMM für die unkomplizierte und schnelle Zusammenarbeit in Sachen Promotion.

 

Klaus Unland

Diskografie

Jahr vonJahr bisBezeichnungArtCover
2011 2011 Tago Mago 40th Anniversary Edition CD
0000 Singles: Single
0000 Singles: Single
0000 Soundtracks Single
0000 Compilations: Single
1968 Agilok und Blubbo Single
1969 Thief Single
1969 Monster Movie Single
1969 Mädchen mit Gewalt Single
1969 Kamasutra Single
1969 Das Kuckucksei im Gangsternest Single
1969 Thief Single
1969 Prometheus, von Heiner Müller, Uraufführung Zürich (Theater) Single
1970 Millionenspiel Single
1970 Cream: Schwabing Report Single
1970 Deadlock Single
1970 Ein großer graublauer Vogel Single
1970 Soundtracks Single
1970 Deep End Single
1970 Soul Desset / She brings the rain Single
1971 Turtles have short legs / Halleluwah Single
1971 Spoon / Shikako Maru Ten Single
1971 Tago Mago Single
1971 Das Messer (3 Folgen) Single
1972 Ege Bamyasi Single
1972 Dead Pigeon on Beethoven Street Single
1973 Future Days Single
1973 Alice in den Städten Single
1973 Die letzten Tage von Gomorrha Single
1973 Moonshake / Future days Single
1974 Limited Edition Single
1974 Dizzy dizzy / Splash Single
1974 Soon Over Babaluma Single
1975 Landed Single
1975 The Classic German Rock Scene Single
1975 3/5The Peel Sessions Single
1975 Silent night / Cascade waltz Single
1975 Hunters and collectors / Vernal equinox Single
1975 Eurogang Single
1976 I want more / ...and more Single
1976 Unlimited Edition Single
1976 Flow Motion Single
1977 Saw Delight Single
1978 Out of Reach Single
1978 Cannibalism 1 Single
1979 Can Single
1979 Als Diesel geboren Single
1981 Delay 1968 Single
1981 Incandescence Single
1982 Onlyou Single
1984 Prehistoric FutureThe very first Sessions 1968 Single
1989 Rite Time Single
1991 Until the End of the World Single
1992 Cannibalism 2 Single
1994 Anthology Single
1997 Sacrilege Single
1999 Can Box / Music: Live 19711977 Single

Kontakt

Bandkontakt:
Holger Czukayinfo@czukay.de

www.czukay.de
www.spoonrecords.com
www.drums-off-chaos.de
www.canlyricsproject.de.vu
www.spacelook.de/can

Can Management:
Hildegard Schmidt
84220 Roussilion, France
spoon/uk@avignon.pacwan.net

Bilder
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Musiker

Czukay, Holger

Czukay, Holger

Mitglied bei Can.
Auch solo unterwegs
Unterstützte Westernhagen bei dessen LP "Die Sonne so rot" (84) beim Song "Rumpelstilzchen"

Karoli, Michael

Karoli, Michael

Mitglied bei Can.
Gitarrist bei Damo Suzuki
Auch solo unterwegs

Liebezeit, Jaki

Liebezeit, Jaki

Mitglied bei Can.
Auch solo unterwegs mit der Phantomband und Club of Chaos.
1998 Trommler bei Damo Suzuki

Schmidt, Irmin

Schmidt, Irmin

Mitglied bei Can.
Auch solo unterwegs

Interviews

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Konzertbericht

Rezensionen

CAN

Item II: Book (1999)

Ich meine, dass kaum eine andere deutsche Band so deutliche Spuren in der Krautrock-Szene zurückgelassen hat wie die Kölner Formation Can.

Nachdem das Management um Hildegard Schmidt 1997 mit der erfolgreichen Veröffentlichung der CD Sacrilege, auf der sich die Prominenz der Techno,- Dance- und Ambient-Scene erfolgreich bemühte Can Titeln ein neues Leben einzuhauchen, eine Doppel-CD herausbrachte, sind nun wieder neue Aktivitäten festzustellen.

Dieses Jahr soll nun die Can Box erscheinen. Diese wird eine unveröffentlichte Live-DO-CD mit Stücken von 1971 bis 1977, unbekannte Video-Aufnahmen vom Can-Free-Konzert und unveröffentlichte Aufnahmen von 1988-1997 und das Book enthalten.

Dieses Buch war vorab separat erhältlich, und so hatte ich schon die Möglichkeit es zu lesen. Mit fast 500 Seiten fällt das Werk schon durch sein Gewicht auf. Doch leider (?) schrumpft der Umfang des Buches ganz schön zusammen, wenn man bedenkt, dass es dreisprachig ist. Außerdem sind um die 250 Bilder der Band abgedruckt.

Um es vorweg zu sagen, dieses Buch ist keine Band-Biographie im üblichen Sinne, sondern es handelt sich um vier Interviews der einzelnen Band-Mitlieder mit einem unvoreingenommenen Journalisten. So kommen auf wunderbarer Weise umfassende Biographien mit unterschiedlichen Sichtweisen zusammen. Das hat mich doch sehr beeindruckt, und es ist das umfassendste Werk über Can, zumal es auch im Discografie-Abschnitt eine gute Übersicht über alle Werke, Soloprojekte, Filmmusiken und Soundtracks gibt.

Leider hat auch alles einen Schatten. Zum einen ist es der zu hohe Preis von 50 DM, zum anderen der schlechte Einband des Paperbacks. Nach einmaligen Lesen hatten sich schon mehrere Seiten des Buches herausgelöst. Auch von den über 250 zumeist SW-Fotos werden den Can-Fans die meisten schon bekannt sein. Bei der Discografie werden auch leider nur die unter Spoon veröffentlichten CD´s (mit Ausnahme Czukay´s Soloprojekte) mit Titeln vorgestellt. Kein Wort zu den vielen Soloalben bei anderen Labels, Bootlegs, Videos, Fan-Clubs, BBC-Sessions, Homepages usw. Ich glaube hier hat das Buch sehr viele Bonuspunkte verloren, da es meiner Meinung nach einfach nicht komplett ist.

Wer aber bereit ist, 50DM für das Werk auszugeben, erhält die beste Biografie über die Kölner Kult-Band, die mir je untergekommen ist.

 

Klaus Unland

 

 

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CAN
Tago Mago - 40th. Anniversary Edition
2011, Spoon Records / Warner,           40Spoon6/7 5099967912728

Cans dritte LP Tago Mago ist ganz sicher ein Schlüsselwerk - nicht nur in Bezug auf die Band selber, sondern auch für die deutsche Rockmusik insgesamt. Aber ebenfalls in der eigenen Discographie ist sie die vielleicht wichtigste und grandioseste Platte. Nachdem Malcolm Mooney einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, war ein japanischer Straßenmusiker, der sich Damo Suzuki nannte, sein Nachfolger geworden. Der Sänger, der mindestens genauso viel Talent zum Improvisieren wie die Instrumentalisten hatte, ist schon auf einigen Stücken auf dem Vorgängeralbum Soundtracks zu hören. Diese Platte war aber eher eine Kompilation, ein Übergangswerk mit Liedern aus verschiedenen Filmen, die über einen längeren Zeitraum zusammengestellt wurde. Tago Mago war 1971 die erste reguläre LP in der der stärksten Can-Besetzung und enthielt mit Mushroom und Halleluwah zwei ihrer besten Stücke.

Eben jene beiden Meisterwerke finden sich zusammen mit Spoon, dem größten, weil einzigen Hit der Band, der als Titelmusik der Durbridge-Verfilmung Das Messer diente, auch auf der Bonus-CD, dem wahren Juwel dieser Wiederveröffentlichung zum 40. Jubiläum. Diese drei Stücke, irgendwo irgendwann im Jahr 1972 live aufgenommen, können als Kern des Werks gelten und zeigen in den bis zu 30 Minuten langen, bislang unveröffentlichten Versionen, zu welchen Geniestreichen Can auch live fähig waren. Für 2012 sind bereits weitere Veröffentlichungen aus den Archiven angekündigt - mit Sicherheit wird dabei ähnlich hochkarätiges Livematerial zu finden sein. Vergleiche mit den einzigen, bislang offiziell veröffentlichten Konzertmitschnitten aus der Can Box zeigen wie erwartet, dass diese Truppe tatsächlich immer wieder völlig neue Zugänge zu ihrem Material offenlegte.
2004 erschien Tago Mago bereits als SACD neu remastered, die damalige Abmischung ist jetzt wieder verwendet worden, man hat sie  nur zusammen mit der Live-CD in einen Schuber gesteckt, der der englischen Cover-Gestaltung folgt. Die originale, deutsche mit dem Hirn findet sich nun innen und mit ihr teilweise andere und ergänzte Linernotes als vor sieben Jahren, so unter anderem Duncan Fallowells Artikel aus dem Melody Maker von 72. Das alles braucht der Fan und Sammler nicht noch mal - die Live-Scheibe aber dafür umso dringender. Das ist dann wohl geschicktes Marketing.


Lars Fischer

News

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TOURDATEN:
(Kann sein wir haben auch nur vergessen nachzutragen... Wenn Konzerttermine bekannt sind, ist auf   j e d e n   Fall was in der aktuellen Vereinszeitung drin.)

- Wie Holger Czukay noch immer sagt: Can lebt! Unter dem Motto "Can - The Can Projects" werden Holger Czukay, Irmin Schmidt, Jackie Liebezeit und Michael Karoli nach langer Zeit wieder mal gemeinsam in Deutschland unterwegs sein. Jedes Can-Urmitglied wird auf dieser Tournee sein aktuelles Project live circa 45 Minuten lang vorstellen.

19.03. Berlin, Volksbühne
20.03. Berlin, Volksbühne
24.03. Hamburg, Musikhalle
26.03. Köln, Palladium
27.03. Frankfurt, tba
Tickets: 0180/5212512

Berichte

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