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2011 Deutsche Bands

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Schulze, Klaus
Schulze, Klaus, Celle

Biografie

 

Die KLAUS SCHULZE Story

Der Herr der Klangwelten

Irgendwo im norddeutschen Flachland, weitab von der nächsten dörflichen Ansiedlung, lebt seit vielen Jahren einer der einflussreichsten deutschen Musiker der Gegenwart: Klaus Schulze. Trotz der beschaulichen Gegend, in der Klaus zufrieden im eigenen Studio seinen Klangschöpfungen nachgehen kann, ist er auch heute noch voll im täglichen Musikgeschehen involviert, wahrscheinlich sogar mehr als noch vor 10 oder 20 Jahren.

 

Begonnen hat seine Geschichte am 04. August 1947 in Berlin, wo Klaus als Sohn gutsituierter Eltern aufwuchs. Offensichtlich erkannten diese bereits recht früh die musikalischen Begabungen ihres Sohnes, denn bereits im frühen Knabenalter \"durfte\" er zum Gitarrenunterricht, Sparte Klassik, gehen, und eignete sich so, wenn auch teilweise eher gezwungen, fundierte musikalische Grundkenntnisse an. Eine Qualifikation, die auch heute noch nur die wenigsten Rock- und Popmusiker nachweisen können. Etliche Jahre dauerte seine handwerkliche Ausbildung, bevor er sich musikalisch auf die eigenen Beine stellte. Als technisch versierter Gitarrist war er, von seinen klassischen Lehrthemen doch eher gefrustet, vom Ende der fünfziger Jahre aufkommenden Sound von Instrumentalcombos wie dem der Ventures oder der Shadows fasziniert. Einer Musik also, die man in Deutschland größtenteils am liebsten nie gehört hätte. Nichts desto trotz setzte Klaus sich durch und spielte seine sechs Saiten in etlichen lokalen Bands, zu seiner und auch der Zufriedenheit der anderen Musiker.

 

Schon früh entwickelte Klaus die Begabung, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, nach Inspirationen und weiteren Betätigungsfeldern zu suchen. Als Gitarrist fühlte er sich im Lauf der Zeit nicht völlig ausgefüllt, er wechselte Mitte der 1960er zu den Drumsticks über, eine völlig ungewöhnliche, dennoch aber gelungene Veränderung als Musiker. Schnell erarbeitete er sich eine gute Reputation in der Berliner Szene, die, damals durch ihre politische Insellage begünstigt, eine völlig andere Entwicklung nahm als die im Rest der Republik. Gefördert durch starke intellektuelle Einflüsse aus Studentenkreisen, durch Zuzug alternativer Geister, die so der in Westdeutschland geltenden Wehrpflicht entgingen, entstand in Westberlin etwas absolut Eigenes, Fortschrittliches, was sich im weiteren Verlauf des Aufkommens der Krautrock-Szene erwies: Die Berliner Schule der Elektronik !

 

Doch zurück zu den Anfängen: Die erste Band, mit der Klaus als Drummer mehr als örtliches Aufsehen erregte und die auch heute noch guten Klang für viele Ohren hat, war Psy Free, die genau die Musik machte, die der Name suggeriert: Psychedelische Sounds, stark von den frühen Pink Floyd beeinflusst. Diese musikalische Ausrichtung war auch sonst kein eigentliches Wunder, da Klaus zu der Zeit an der Berliner Technischen Universität Kurse über die Musik von Ligeti, Dahlhaus und Winkel belegt hatte, Komponisten, die als ungewöhnlich und extravagant einen guten Namen haben. Gitarrist seiner Band war übrigens ein alter Bekannter, von dem in den German Rock News schon öfter die Rede war: Alex Conti! Bis zum heutigen Tage hat Klaus noch guten Kontakt zu Alex, und vielleicht kommt dabei ja irgendwann auch mal etwas Musikalisches heraus.

Tangerine Dream                 Fluktuation war personalmäßig mächtig was los in der Berliner Szene um 1970 herum, und so war es auch nur eine Frage der Zeit, bis Klaus seinen Job bei Psy Free quittierte und sich Tangerine Dream um Edgar Froese anschloß, mit denen er 1970 die LP Electronic Meditation einspielte, immer noch als Drummer. Bei Froese lernte er eine Menge Dinge über elektronische Klangerzeugung hinzu und hat, wie auch zu Alex Conti, immer noch gute Verbindungen zu dieser anderen Koryphäe der deutschen Elektronik.

 

Freundschaft hin und her, das musikalische Konzept der damaligen Tangerine Dream war auf Dauer nichts für unseren Klaus, der immer Augen und Ohren offenhielt; da er nun doch schon den Virus der Synthies im Blut hatte, griff er zu, als ihm der Drummerjob bei Ash Ra Tempel angetragen wurde. Bandleader Manuel Göttsching ließ Klaus eigene Ideen einbringen, und so war es kein Wunder, dass er zu den Aufnahmen der gleichnamigen Ash Ra Tempel-LP außer den Drumsticks auch schon erste elektronische Zutaten einbrachte, die der Produktion letztlich ihren ganz eigenen Charakter verliehen. Da die Band mit diesem Album bundesweit beachtliche Aufmerksamkeit erregte, war es kein Wunder, dass etliche Tourneen zur weiteren Promotion dieses Produkts durchgeführt wurden. Dabei stellte sich für Klaus heraus, dass die damals herrschende Chaotik, dazu die technisch schlechten Möglichkeiten, komplizierte Studioaufnahmen auf die Bühne umzusetzen, Grund für die Überlegung waren, doch lieber auf Bandauftritte zu verzichten und sich statt dessen auf die eigene Studioarbeit zu konzentrieren, zumal er dort auch seine eigenen, in Fülle vorhandenen Ideen, wesentlich besser umsetzten konnte. Also: Raus aus dem Tempel, jedoch nicht ohne vorher dem Hohepriester Göttsching ewige Freundschaft zu schwören: Bis heute arbeiten beide immer wieder an musikalischen Projekten zusammen. Bei den Studioaufnahmen zu Ash Ra Tempels zweiter LP, Join Inn, war Klaus wiederum dabei, trat aber mit der Band nicht mehr auf, da er inzwischen mit seinen Soloprojekten gut vorangekommen war. Sein erstes Album, Irrlicht, erschien 1972 und zeigte einen Musiker zwischen zwei Welten, da Klaus einerseits auf die Elektronik setzte, andererseits aber auch herkömmlichen Instrumenten Platz einräumte. So arbeitete er unter anderem mit der Zither(!), Gitarre und Percussion, dazu spielte ein komplettes klassisches Orchester. Eine grandiose Kombination, die wie Donnerhall durch die deutsche Musikszene flutete und manchen in seiner Entwicklung beeinflusste. Diese Kombination wirkte auch auf der folgenden Doppel-LP Cyborg faszinierend und völlig aus dem Rahmen fallend, obwohl Klaus hier fast nur noch \"künstliche\" Tonerzeugung bevorzugte. Zu der Zeit beim berühmt-berüchtigten Ohr-Label unter Vertrag, arbeitete Klaus natürlich auch für die damals zumindest in den Medien vorhandene Künstlerkommune, die unter dem Namen Kosmische Kuriere allerlei wirklich abgefahrene Klänge auf Vinyl presste. Dort traf er wieder auf viele seiner alten Kumpanen, was dazu führte, daß er zu einer kurzen Frankreich-Tour wieder bei Tangerine Dream einstieg. Dazu kamen seine Kollaborationen mit Walter Wegmüller, die musikalisch unter dem Namen Tarot abgelegt wurden und heute höchsten Kultstatus erreicht haben.

Da Klaus immer offene Ohren und eine starke musikalische Phantasie entwickelte, war es klar, dass seine Entwicklung nicht stillstehen würde. Den Beweis lieferte er mit der Produktion Picture Music im Jahr 1973 ab, die er erstmals völlig allein durchzog. Vom Instrumentarium her hört man hier diverse Synthesizer, Keyboards, Drums und Percussionsinstrumente; im Gegensatz zu den früheren Aufnahmen ist dies Album völlig instrumental gehalten, es gibt keine vokalen Einschübe. Zu dieser Zeit entstand die Kunstkopf genannte Aufnahmetechnik, die dem Hörer den vollen Raumklang transparent in die Gehörgänge bringen wollte. Aus mancherlei Gründen war diesem Aufnahmesystem keine große Zukunft beschieden, obwohl sich gerade elektronische Musik für dieses Verfahren empfahl. Jedenfalls nahm Schulze 1974 seine LP Blackdance in dieser Technik auf und verblüffte zudem durch den Rückgriff auf längst vergangene Zeiten: Auf einer 12saitigen Gitarre fügte er klassische Elemente zu seinen Arrangements hinzu, die bei der stets wachsenden Fangemeinde für absolutes Aufhorchen sorgten. Dazu fügte er natürlich reichlich Elektronik, aber auch ethnische Percussionselemente, die der gesamten Produktion einen leicht exotischen Touch verliehen.

 

Da Klaus seine Produktionen durch recht häufige Liveauftritte bekannt machte und sich auf diese Weise natürlich auch spieltechnisch veränderte, war die LP Timewind aus dem Jahr 1975 ein Reflektor der auf den Bühnen gemachten Erfahrungen: Schulze spielte sehr lange Improvisationen ein, die zwei jeweils nahezu halbstündige Titel erbrachten. Instrumentiert mit Synthesizern, Keys und Piano und dem Hinzufügen eines Streicherensembles entstand wieder eine völlig neue Schulze-Welt, die inzwischen auch von der internationalen Musikerszene begeistert zur Kenntnis genommen wurde. Alle Welt wollte mit Schulze arbeiten, und Klaus kooperierte prächtig mit der Far East Family Band aus Japan, die er bei etlichen Studiotakes unterstützte. Dazu spielte er etliche Konzerte mit dem Gitarrenpionier und - Experimentierer Günter Schickert, bevor er Teil des legendären Go-Projektes von Stomu Yamash\'ta wurde, der zuvor mit den Resten der GB-Rocker Free ein erfolgreiches Europadebut gefeiert hatte. Dort fand er viele interessante Musiker, die zum Teil wegweisend für spätere Projekte wurde. Ein ganz enger Freund wurde für ihn der ehemalige Santana-Drummer Mike Shrieve, mit dem er später für einige LP-Produktionen eng zusammenarbeitete.

Die Zeit schritt voran, und es wurde 1976 und somit Zeit für ein neues Schulze-Album. Das starke Teil hieß Moondawn und Klaus schon wieder auf einem anderen Weg. Zu seiner Unterstützung hatte er nämlich den ehemaligen Wallenstein-Drummer Harald Großkopf ins Studio gebeten, den er noch aus seinen früheren Tätigkeiten für die Kosmischen Kuriere einerseits und dessen Zugehörigkeit zur Berliner Elektro-Szene andererseits kannte und schätzte. Durch diese Zusammenarbeit erhielt Moondawn, bei allen technischen Soundideen, dem erneuten Einsatz einer ganz frischen Synthesizergeneration, einen beachtlichen Rocktouch. Die Produktion ist sehr rhythmisch ausgelegt, Klaus profitierte von dieser Zusammenarbeit hörbar, wirkte frisch und kraftvoll.

 

Eine weitere Folge diese Aufnahmen waren die Solo-LP von Harald Großkopf, die er wenig später für Sky Records einspielte und die den Trommler auch als engagierten Elektroniker auswies. Doch dazu sicherlich in späteren Storys mehr. Befeuert durch allgemeine Anerkennung, waren die Jahre ab 1976 die wohl aktivsten des Musikers Schulze, denn zu der Zeit gab er mindestens 60 Konzerte pro Jahr, was bei den damaligen technischen Umständen sicherlich eine aufreibende Menge bedeutete, denn vieles, was heute von einer Vielzahl Roadies erledigt wurde, musste Schulze damals selbst stecken, koppeln und bauen, weil kaum jemand Ahnung von der Präsentation elektronischer Musik hatte. Dazu kam seine exzessive Studiotätigkeit, die 1977 zu der Veröffentlichung von immerhin drei Longplayern führte: Body Love 1 und 2, seinerzeit skandalumwitterte Produktionen, weil sie die Soundtracks zu zwei gleichnamigen Softpornos des dänischen Regisseurs Lasse Braun waren. Der interessierte Käufer bekam diese Teile in etlichen Plattenläden nur unter dem Tresen durchgereicht, jawohl! Todsicher haben die Verkäuferinnen keinen einzigen Ton dieser Fusionscheiben gehört, sonst wäre das nicht nötig gewesen, denn Klaus arbeitete hier nur noch mit echten elektronischen Klangerzeugern, ließ sich aber, zur Erzeugung der nötigen Rhythmik , wieder von Trommler Großkopf unterstützen. Das Resultat war letztlich eine harmonische, sehr eingängige und fast schon kommerzielle Musik, die ohne den Ruch des Bösen sicherlich in den Hitparaden ein gutes Bild abgegeben hätte. Die Schulze-Produktion des Jahres 1977 ohne Skandal hieß Mirage, die ähnlich konzipiert war wie Timewind: Schulze solo ohne fremde Hilfe, sich fast verlierend in den ausufernden Zeit Titeln, von denen je einer, völlig ungewöhnlich damals, je eine Plattenseite füllte. Aus heutiger Sicht könnte man zu diesen surrealistischen Klängen schon fast Head Music sagen, obwohl Ganja dabei sicher nicht im Spiel war, denn unter Stoff irgendeiner Art hätte Klaus dieses Jahrespensum sicher nicht bewältigen können.

 

Als Doppelalbum herausgegeben, war X ein weiterer Beleg für die stetige Entwicklung des Meisters der Tasten und Potis. Klaus richtete hier die Produktion sehr stark an klassischen Charakteren aus, schuf eine fast orchestrale, anmutige Atmosphäre, die einen ganz neuen Aspekt durch den Cellisten Wolfgang Tiepold erhielt. Auch auf diesen Aufnahmen sorgte Harald Großkopf für die passenden Rhythmen, die das Projekt, trotz Doppelformat, für größere Käuferschichten interessant machte, so dass umsatzmäßig tatsächlich an den Charts gekratzt wurde. Man beachte, dass die Charts damals die Top 30 waren, nicht wie heute die Top 100 !

 

Um Abstand vom hektischen Getriebe Berlins zu bekommen, war Klaus 1977 in die ruhige Südheide gezogen und lebte fortan im Dörfchen Hambühren bei Celle, was für ihn sicherlich eine Oase der Ruhe war vorerst! Durch seine bis dahin gelaufenen vielfältigen Aktivitäten hatte er natürlich eine Menge wichtige und umtriebige Menschen kennengelernt (und viele andere, weniger wichtige, auch!). Einer, der seine folgenden Jahre maßgeblich beeinflusste, war Michael Hentjes, der heute der Chef des allseits bekannten Edel-Vertriebs ist, erfolgreich und bekannt, besonders auch durch den kürzlich erfolgten Börsengang. Nach etlichen intensiven Gesprächen war Klaus dazu bereit, sein eigenes Schallplattenlabel zu gründen, was er auch tat: IC, Innovative Communication, nannte sich die Firma, die antrat, unbekannten Sounds und Bands die Tür zu größeren Bekanntheitsgraden zu öffnen. Dem gesteckten Ziel entsprachen so auch die ersten unter Vertrag genommenen Interpreten wie Mickie D\'s Unicorn, Baffo Banfi, Francis Monkman oder auch Popol Vuh. Klaus wollte nun natürlich auch das eigene Label mit eigenen Musikproduktionen schmücken, hatte aber ein großes Problem: Durch seine langjährige vertragliche Bindung an Brain/Metronome war es ihm praktisch untersagt, unter eigenem Namen Veröffentlichungen bei anderen Firmen, nicht einmal bei seiner eigenen, zu veröffentlichen. Lösung des Rätsels: Man nehme ein Pseudonym! Klaus wählte, auch wegen seiner bekannten Rückgriffe auf klassische Themen, den Namen Richard Wahnfried, was sicherlich etwas nach Wagner und Bayreuth, also dem heiligen Gral der Klassik klang. Das war bewusst so gefingert, und die vielen Schulze-Fans entdeckten natürlich fix, wer hinter diesem bedeutungsschweren Namen steckte.

 

In der Nähe seines Wohnortes Hambühren bot sich im Luftkurort Winsen die Möglichkeit, größere Räumlichkeiten im Gebäude der Gaststätte Zum Goldenen Löwen anzumieten. Klaus griff zu und etablierte sein Label mitten in diesem beschaulichen Örtchen. Ein komplettes Studio wurde eingerichtet, IC konnte also theoretisch abheben. Leider war das Problem seine damalige Vertriebsfirma, die WEA: Dort belächelte man die IC-Produktionen mehr oder weniger, leistete sich die ersten acht LPs als Exoten und tat nicht sonderlich viel, um die Käufermassen auf die Produkte aufmerksam zu machen. Da nun auch schon zu damaligen Zeiten der Verkauf das A und O für jede Plattenfirma war, gab es bei WEA keine großen Tränen, als IC den Vertriebsvertrag löste und fortan als Distributor die Deutsche Austrophon in Diepholz wählte. Wahrscheinlich waren einige Herren bei WEA sogar glücklich, als dieses eigenartige Musikgewächs aus dem Programm verschwand.

Dieses Glücksgefühl herrschte anschließend sicher noch einige Zeit vor, da die nächsten IC-LPs mit den Interpreten Robert Schröder, Din A Testbild und Lorry wahrlich keine Umsatzrekorde aufstellten, aber der nächste Act hat sicherlich etliche Leute extrem verärgert: Durch die natürlich immer noch vorhandenen Connections nach Berlin war Klaus, auch im Zeichen der Neuen Deutschen Welle, auf ein Quartett gestoßen, das zwar überhaupt nichts mit seinen bisherigen musikalischen Vorlieben überein hatte, dafür einen absolut spröden Charme entwickelte, dem sich keiner auf Dauer entziehen konnte: Ideal! Diesen Namen kennt auch heute noch jeder; die Debut-LP der Band war in kürzester Zeit eingespielt, und dann platzte die Bombe: Die Singleauskopplung Blaue Augen toppte die Charts, das Album sauste ebenfalls auf den Spitzenplatz bei den Longplayern, und die Deutsche Austrophon pfiff kapazitätsmäßig auf dem letzten Loch, vom Erfolg absolut überrollt. In Winsen, über dem Golden Löwen, konnte man das Glück auch nicht fassen, IC expandierte ab sofort in allerlei Richtungen: Beispielsweise wurde, lange vor MTV, eine eigene Abteilung für Videoproduktionen ins Leben gerufen, die unter anderem sämtliche IC-Künstler in Ton und Bild festhielt. Sicherlich waren die technischen Voraussetzungen damals bei weitem nicht so gut wie heutzutage, doch dürften die dort verewigten Schätze für den wahren Sammler von unschätzbarem Wert sein!

Eine alte Bauernweisheit besagt, dass der, der Geld hat, auch jede Menge Freunde besitzt. Dieses uralte Statement traf auch bei IC zu, denn dort rauschten im Zuge der Ideal-Erfolge die Hundertmarkscheine nur noch gebündelt in die Firma hinein und auch gleich wieder heraus, weil die man größtenteils ohne eingängiges Rezept investierte und teilweise von geschäftlichen und musikalischen Scharlatanen ausgenutzt wurde. Dies spielte in der ersten Zeit nach den überraschenden Hits keine große Rolle, denn die gezahlten Tantiemen flossen reichlich. Dann aber trat, Wunder über Wunder, die WEA an IC heran und kaufte Ideal aus dem bestehenden Vertrag heraus. Noch einmal kam ein ordentlicher Batzen Geld auf die Firmenkonten, und man ging an den Versuch heran, etwas ähnlich Erfolgreiches aufzubauen. Trotz vielseitiger Interpretenauswahl, es spielten zum Beispiel Heiderocker wie Lorry, Avantgardisten wie Din A Testbild, Elektroniker wie Robert Schröder, Halbpunker wie Avis Davis oder NDW-Eintagsfliegen wie Deo oder Die Gesunden LP-Produktionen für IC ein, schaffte es keiner dieser Acts auch nur annähernd, den Ideal-Erfolg zu wiederholen. Im Laufe der Zeit merkte man bei IC, dass man mehr Geld ausgab, als auf der anderen Seite wieder hereinkam; so schoss Klaus Schulze im fortgeschrittenen Stadium reichlich Geld aus seinen Einnahmen zu, die er mit seinen Brain/Metronome-Scheiben eingespielt hatte. Trotz dieser Subventionen kam IC nicht aus den roten Zahlen heraus, so dass die Firma 1983 sämtlichen Kredit verspielt hatte und zwangsweise verkauft werden mussdte. Käufer des Labels war damals Mark Sakautzky, Australier, der vorher schon bei IC als Geschäftsführer gearbeitet hatte und der IC in späteren Jahren größtenteils auf New Age-Kurs trimmte. Doch das ist für diese Story uninteressant.

 

Schulze hatte sich nun also mit etlichen Schrammen und einigen blauen Augen aus diesem Abenteuer befreit, wollte von der ganzen Geschichte nichts mehr hören und nur noch Musik machen, doch eines will ich hier doch noch erwähnen: Die ersten LPs auf IC/Austrophon erschienen mit der völlig ungewöhnlichen Drehzahl von 45u/min, als dem Single-Drehmoment. Durch das schnellere Abspielen sollte eine bessere Klangwiedergabe erreicht werden. Ich behaupte mal, dass das nur im Labor technisch bewiesen werden kann. Auf jeden Fall gab es da viele überraschende Momente, wenn man vergaß, die geforderte Drehzahl am Plattenspieler einzustellen. Bemerkenswert auch: Trotz hoher Rotation dieser Scheiben passten locker auf jede Seite 20 Minuten Musik!

 

Bevor ich wieder auf den unterbrochenen musikalischen Werdegang Schulzes zurückkomme, muss die Seite Geschäftsmann noch weiter behandelt werden, denn so ganz wollte Klaus das Scheitern einer seiner Lieblingsideen denn doch nicht hinnehmen. Ob er die richtigen Berater hatte, wage ich nicht zu sagen, wahr ist aber, dass er erneut als Labelgründer und Eigner tätig wurde. In Scheuen, auch bei Celle, übernahm er ein etwas anrüchiges Etablissement und gründete dort sein InTeam-Label, das allerdings nie den Stellenwert erreichte, den für ihn IC gehabt hat. InTeam veröffentlichte von 1983 bis 1987 insgesamt acht LP-Produktionen, die aber allesamt Insidertips blieben. Interpreten wie Manuel Göttsching oder Jyl konnten ganz einfach das Publikum nicht fesseln, obwohl die Musik zum großen Teil auch heute noch absolut hörenswert ist. Selbst Klaus Schulzes Angst, unter eigenem Namen veröffentlicht, blieb der große Erfolg versagt.

 

Wie bereits erwähnt, arbeitete Schulze musikalisch unter dem Pseudonym Richard Wahnfried für sein IC-Label. Abweichend von seiner bislang üblichen Praxis, bei Bedarf mit bereits etablierten Musikern aus seinem Bekanntenkreis zu arbeiten, nahm er seine Richard-Scheiben unter Mithilfe von Personal der IC-Bands auf. So kam ein zusätzlicher, neuer Aspekt in diese Produktionen, die natürlich immer noch stark nach dem bekannten Klaus klangen, schon wegen des opulenten Gebrauchs der elektronischen Klangerzeuger. Zu seinen Pseudonym-LPs kamen staunenswerter Weise drei Produktion unter seinem eigenen Namen heraus, und die erste hat es sammlungstechnisch in sich: Trancefer! Auch auf dieser Aufnahme spielt neben Klaus, der wiederum die stark klassizistische Note pflegt, der Cellist Wolfgang Tiepold und, als Resultat der Yamashta-Phase, der Santana-Drummer Mike Shrieve. Dieser Mann sorgt mit seinen variablen Percussionspassagen für ausgesprochen erdnahes Feeling, was ja bei Schulze nicht so gewöhnlich war. Der besondere Reiz dieser Edition besteht natürlich einmal in der Musik, andererseits aber auch in der Tatsache, dass Trancefer, übrigens 1981 veröffentlicht, zusätzlich zur üblichen Handelsausgabe, zum einen in limitierter 300er-Auflage als Normal Cut-Version und zum anderen in ebenfalls limitierter 500er-Auflage als Halfspeed-Version erschien. Beide Zusatzausgaben sind nie offiziell in den Handel gekommen und erzielen heutzutage in Sammlerkreisen absolute Spitzenwerte !

 

Nach diesem kleinen Ausflug in eine teils chaotische, teils aufregende, aber doch immer interessante Seitenlinie der Schulze-Geschichte will ich nun aber wieder zurückbeamen in das Jahr 1979, in dem nun nach dem Doppler X auf der Vertragsfirma Brain die Produktion Dune herauskam. Die X-Produktion war ja schon ziemlich in Richtung Klassik abgerichtet, und dieser Trend wurde auf der A-Seite von Dune strikt fortgesetzt. Wiederum mit Wolfgang Tiepold an seinem typischen Instrument, arbeitete sich Schulze durch seine voluminösen Kompositionen und Klangkaskaden. Der Knaller ist hier auf jeden Fall die zweite Seite, taucht doch plötzlich der seinerzeitige Schockrocker Arthur Brown als Vokalist in Klausens Toncollagen auf! Lange nicht jeder konnte sich seinerzeit mit diesem Synthi-Rap anfreunden, in jedem Fall sprach aber die Musikwelt von diesem einmaligen Projekt. Genau betrachtet war es allerdings das Resultat der IC-Label-Existenz, dass dieses Zusammenarbeit entstand, da die fünfte dortige Produktion eine LP von Vincent Crane und eben Arthur Brown war (dazu weiteres in der Diskographie).

 

Im Jahre 1980 gab Klaus zuerst einmal ein Doppelalbum namens Live heraus, das mit Aufnahmen aus 1976 und 1979 die Entwicklung des Künstlers auf der Bühne deutlich machte. Der hohe technische Standard der Performance war schon beeindruckend, dermaßen phantasievoll und konzentriert hatte man Klaus on Stage sicherlich nicht erwartet. Als musikalische Helfer traten auch hierbei wieder Trommler Harald Großkopf sowie, bei den Aufnahmen von 1979, Arthur Brown als Sänger ins Rampenlicht. Besonders die Gigs mit Brown müssen wahre Höhepunkte gewesen sein, denn der Bursche war ja eigentlich dauernd abgedreht. Sicherlich auch für Klaus nicht ganz einfach, da den Überblick zu behalten, doch es ist, zumindest hier, geglückt.

 

1980 feierte Klaus eine weitere Premiere: Sein Album Dig It war das erste, das er vollkommen digital eingespielt hatte. Musikalisch war diese Produktion nicht unbedingt ein Schritt auf dem Weg zu neuen Welten, auch wenn er hier mit Fred Severloh als Drummer ein Mitglied seiner IC-Crew einsetzte. Bemerkenswert war sicherlich die gesteigerte Wiedergabequalität dieses Tonträgers, denn die Technik unterstützte die sphärischen Klänge des Meisters tatsächlich optimal. Unter dem Namen Elektronik Impressionen wurde diese Scheibe erwähnenswerterweise auf dem seinerzeitigen DDR-Label Amiga veröffentlicht. Für Sammler insofern interessant, als dass das Cover im Unterschied zu der kapitalistischen Ausgabe ein völlig anderes Motiv zeigte. Mit den Umsatzzahlen, die dieser Longplayer hinter dem Zaun erzielte, wäre Klaus hoch in die westdeutschen Charts aufgestiegen, doch trotz zigtausend verkaufter Exemplare bekam er nur minimale Lizenzen, wie damals so üblich bei Lizenzveröffentlichungen im Ostblock. Andererseits wurde seine Musik dadurch aber auch ein echtes Thema bei Leuten, die vorher noch nie etwas von Schulze gehört hatten.

 

Durch seine vielschichtigen Belastungen durch das IC-Label gab es in der Folge eine längere Veröffentlichungspause, die jedoch nichts über Klaus\' musikalische Entwicklung aussagte. Durch IC bekam er Kontakt zu Rainer Bloss, der ebenfalls über reichhaltige Erfahrungen als Musiker mit elektronischen Gerätschaften verfügte. Diese Bekanntschaft führte in den folgenden Jahren zu enger musikalischer Zusammenarbeit, sowohl im Studio wie auf der Bühne. Dazu spielte Klaus hin und wieder Gigs mit seinem alten Freund Manuel Göttsching. Nach dem bereits erwähnten Longplayer Trancefer war studiotechnisch erst einmal Ruhe angesagt. Auf den Bühnen der unterschiedlichsten Länder war Schulze dafür umso aktiver, wie die nächsten Veröffentlichungen zeigten: 1983 erschien die Doppel-LP Audentity, die Klaus in den Jahren 1982 und 1983 bei gelungenen, stimmigen Konzerten mitgeschnitten hatte. Darauf waren als \"Band\" Rainer Bloss (Elektronik), Wolfgang Tiepold (Cello) und auch Mike Shrieve (Drums) zu hören, die den damaligen Stand des Meisters bestens unterstützten und die weitschweifigen Improvisationen doch gut am Boden hielten. Eine weitere Doppel-LP erschien im gleichen Jahr mit Dziekuje Poland, logisch, in Polen aufgenommen. Diese Produktion fiel um etliches sphärischer aus, da Klaus hier nur mit Rainer Bloss, ohne rhythmisches Fundament, arbeitete. Daher hatte diese Ausgabe natürlich einen ganz anderen Charakter als Audentity und ermöglichte interessante Vergleiche zu den Arbeitsweisen des Musikers, zumal diese polnischen Aufnahmen aus der gleichen Schaffensperioden stammten wie die des Audentity-Albums. Mit diesem Livecut aus dem Ostblock stieß Klaus eine weitere, bislang verschlossene Tür auf, denn wann hatte es vorher schon mal Liveaufnahmen von Westkünstlern im Osten gegeben? Eine Lawine hatte er damit zwar nicht losgetreten, doch das eine oder andere Dokument in späteren Jahren war sicherlich ein Verdienst des Vorreiters. Sicherlich war es auch für viele im Westen interessant zu erfahren, dass ihr Tastengott auch hinter dem Eisernen Vorhang bekannt und beliebt war.

Es war natürlich klar, dass die Fans auch mal wieder eine Studioproduktion ihres Helden in Händen halten wollten. So kam es dann Ende 1983 zu einer ganz obskuren Konstellation: Klaus Schulze und Rainer Bloss spielten das Epos Aphrica ein, ein Album mit einer eigenartigen Balance zwischen Irrwitz und Genie; getoppt wurde das Werk durch die völlig ungewöhnliche Mitarbeit des Wiener Malers und Aktionskünstlers Ernst Fuchs, der total abgehobene Texte zu den Melodiebögen der Instrumentalisten rezitierte. Selbst mit einigem Abstand ist für mich diese Kombination auch jetzt noch völlig unverständlich, ich habe nie kapiert, welcher Sinn dahinter stecken sollte. So ging es vermutlich auch den meisten anderen Schulze-Interessenten, denn obwohl dies die erste Edition des neuen InTeam-Labels war, stand sie in den Läden wie Blei. Heute allerdings wird für das Original-Vinyl viel Geld verlangt und auch bezahlt. Wenn man das geahnt hätte!

 

Die zweite LP auf InTeam war ein Duett von Schulze und Bloss unter dem Titel Drive Inn, auf dem sich die beiden vom Lorry-Sänger Michael Garvens unterstützen ließen. Musikalisch nicht sonderlich originell, verlieh Garvens der Scheibe ein durchaus eigenes Profil, da er mit seinen Vocals, obschon wesentlich dezenter als Arthur Brown, gewichtige Eckpunkte setzte. Rein künstlerisch jedenfalls war diese Produktion nicht auffällig, genauso wie die im gleichen Monat des gleichen Jahres erschienene LP Angst, Soundtrack zum gleichnamigen Film. Diese Platte spielte Klaus ohne fremde Mithilfe ein, insofern ist sie schon erwähnenswert.

 

Nach diesen Veröffentlichungen fiel Klaus dann doch in ein großes kreatives Loch, aus dem er sich erst 1985 wieder befreien konnte. Erstmals seit 1980 wurde er wieder auf dem Brain-Label tätig, zuerst mit einer kleinen Sensation: Er veröffentlichte die erste 12\"-Maxi seiner Laufbahn mit dem Titel Macksy. Diese Edition zielte auf Einsatz in progressiven Discotheken, brachte jedoch dazu zu wenig trendy Sounds. Schulze trat auf der Stelle, das war unüberhörbar, obwohl gerade dieser Teil der kommerziellste seiner bisherigen Karriere war. Auch absatzmäßig zeigte sich, dass die Hörer diesem Konzept nicht folgen wollten, so dass auch seine im Herbst folgende LP Interface sich nicht sonderlich gut verkaufte, obwohl Klaus hier mit Ulli Schober als Begleiter doch wieder etwas frischer wirkte. Schober, auch alter Bekannter aus IC-Tagen, arbeitete hier mit allerlei rhythmischen Geräten wie zum Beispiel diversen Gongs und Congas, die sich harmonisch in das geschaffene Klangbild einfügten, doch war nicht zu übersehen, dass die Massen sich mittlerweile mehr mit dem Bauch, will sagen allerlei andersartigen, kraftvolleren Musikstilen, beschäftigten als mit dem Kopf, für den die Schulzesche Musik immer noch gedacht war. Klaus war also immer noch nicht aus dem Tal der Tränen heraus. Nach immerhin fast 20 Jahren im aufreibenden Musikgeschäft hätte mancher wohl die Flinte ins Korn geworfen und sich einen anderen Job gesucht, doch es spricht für Klaus\' Beharrlichkeit und Überzeugung, daß er diese Gedanken wohl auch erwogen, aber nie in die Tat umgesetzt hat. Vielmehr brach er mit sämtlichen bekannten Traditionen und spielte sein Album Dreams 1986 mit einer kompletten Band ein: Andreas Grosser am Piano, Ulli Schober als Perkussionist, Nunu Isa an der Gitarre, Basser Harald Asmussen und Sänger Ian Wilkinson sorgten für fast irdische Musik mit festen Strukturen, über denen Schulzes Sounds leichtes Spiel hatten. Besonders Wilkinson erwies sich von der Stimme her als fähigster Begleiter Schulzes in den letzten Jahren. Nichtsdestotrotz folgten auch hier die Käufer nicht dem neuerlichen Stilwechsel, die Produktion verkaufte sich nur mittelprächtig.

 

Trotz oder wegen dieses relativen Misserfolgs experimentierte Klaus weiter und so entstand 1987 die LP Babel, die er zusammen mit dem Pianisten Andreas Grosser als Duo aufnahm. Die Musik dieser Platte war sehr entspannt, fast Easy Listening, und schon wieder etwas völlig anderes als die Produktionen vorher. Überraschend war die glaubhaft Konsequenz, mit der Klaus auch dieses Projekt durchführte, denn zu keiner Zeit erschien das Gebotene als Geldbeschaffungsmaschine, sondern als Tätigkeit aus Spaß an der Freude. Dennoch war auch nach diesem Projekt festzustellen, dass Klaus immer noch keine musikalische Strategie entwickelt hatte, wo sein künstlerischer Zug nun hinfahren sollte, denn zu unterschiedlich waren die Projekte der letzten Zeit gewesen.

 

Mit dem Doppelalbum EnTrance von 1988 ging Klaus nun wieder einige Schritte zurück und spielte die gesamte Musik, insgesamt vier Titel, völlig allein ein. So kommt hier wieder das getragene, spielerische Ausbauen von Ideen gut zum Ausdruck. Wenn auch hier die bahnbrechenden neuen Ideen und Einflüsse fehlen, so ist doch festzustellen, dass Klaus sich bei diesen Aufnahmen sehr wohl gefühlt haben muss: Rein und klar erscheint das Geschaffene.

 

Klaus war klar, dass die Modetrends mit seiner Musik absolut nicht konform liefen, durch die Etablierung von MTV lief die Jugend absolut auf den Hitparadenkurs ab, die alten Fans waren teilweise auch weggebrochen. So ließ er sich bis 1990 Zeit, mit einer neuen Produktion auf dem Markt zu erscheinen. Das Resultat der relativen Ruhephase konnte sich sehen lassen, Miditerranean Pads setzte die relaxte Atmosphäre des Vorgängeralbums fort, nur dass diesmal , wie der Titel schon vermuten lässt, eine lockere, weiche Atmosphäre auf den Tracks vorherrscht. Zu diesem erfreulichen Klangbild trug auch der Einsatz von Georg Stettners Keyboards bei, genau wie auch Elfi Schulzes Stimme. Schulze fast in Ferienstimmung, so etwas hatte man bis dahin auch noch nicht erlebt! Trotzdem: Die drei enthaltenen Titel dieser Scheibe waren immer noch Schulze. In diesem Jahr war nun die Zeit gekommen, ein weiteres Monument des Instrumentalisten Schulze auf den Markt zu werfen: Die Doppel-LP The Dresden Performance, die Klaus im August 1989, man beachte das Datum und erinnere sich, eben in derselben sächsischen Metropole aufgenommen hatte. Live in der DDR spielte Klaus damals seine Impressionen der Zustände ein, bezog sich erstmals nicht auf bereits bekanntes Material und schuf somit ein teilweise wirklich bedrückendes Gesamtwerk. Geringere Teile des Albums wurden zwar 1990 im Studio eingespielt, doch ist die Scheibe in sich schlüssig, die Fortsetzung der Dresdner Stimmung hat Klaus in Eigenarbeit bestens bewältigt. Dies war, nach langjähriger Zusammenarbeit mit Metronome Records, die erste Produktion für das Virgin-Label, eine Zusammenarbeit, die man mit großem Enthusiasmus angegangen war, weil sich die Firma einerseits immer noch als Plattform für das Außergewöhnliche sah und andererseits Schulze sich einen mächtigen Schub in Sachen Absatz versprach, da die Firma, anders als Metronome, gute internationale Chancen bot.

 

So folgte dann 1991 die Produktion Beyond Recall, auf der Klaus erstmals die Sampling-Technik anwendete, das heißt er spielte Klänge und Geräusche, irgendwo auf der Welt mitgeschnitten, in seine Musik ein. Wieder ein neues, interessantes Element, das neue Türen öffnete, leider aber nicht im geschäftlichen Sinn. Trotz absoluter Mainstreamtendenz mieden die Käufer diese Produktion aus nicht ersichtlichen Gründen. Nebenbei bemerkt, war dies die letzte Schulze-Produktion, die sowohl auf Vinyl wie als CD erschien.

Nach wie vor war Klaus auch live unterwegs, wenn auch wesentlich weniger häufig als noch in den 1980er Jahren, was auch mit der mangelnden Akzeptanz durch das Publikum begründet war. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung waren die mittlerweile recht hohen Kosten, die seine hochtechnisierten Gigs nun einmal verursachten. Die wenigen Auftritte, die er machte, waren dafür aber echte Höhepunkte. Eine dieser gelungenen Aufführungen dokumentierte die Edition seines Konzertes in London, Royal Festival Hall, die in zwei getrennten Teilen gleichzeitig herausgegeben wurde. Über 135 Minuten ergeht sich der Künstler hier in seinen Impressionen und arbeitet auch auf der Bühne mit diversen Samples, die die Farbe seiner Collagen kräftigt und spannende Momente erzeugt. Dieses Konzert wurde im September 1991 mitgeschnitten. Bereits im Mai 1991 hatte Klaus ein weiteres Livekonzert im Kölner Dom gegeben, das auch aufgenommen wurde. Da sich das Londoner Spektakel zumindest in England relativ gut verkaufte, gab Virgin den Kölner Mitschnitt im März 1993 in die Läden, diesmal aber als einfache Ausgabe. Dies Dokument zeigt Klaus auf dem Höhepunkt seiner Sample-Technik, in nur zwei Stücken, dafür aber 74 Minuten Musik baut er wunderbare Klänge und Impressionen zu einer wahren Klangkathedrale zusammen. Was Wunder auch in einem Dom! Trotz aller Euphorie erfüllte sich auch mit diesem Opus die erwartete Umsatzsteigerung nicht. Die Folge war, dass 1994 die CD Moulin De Daudet, ein Album mit erstaunlich kurzen, eingängigen Titeln, nur in Frankreich veröffentlicht wurde. Der Film, zu dem dieser Soundtrack komponiert wurde, floppte hier wie da. Wäre es anders gekommen, hätte Klaus sein Engagement bei Virgin sicherlich fortsetzen können, doch so endete die Zusammenarbeit nach diesem weiteren Fehlschlag.

 

Zum Glück für Klaus stand schon ein neuer Vertriebspartner bereit: Das Zyx-Label, eher bekannt für hämmernde Discosounds, kam nun zum Zuge. Das Problem, das während der vier CDs dauernden Zusammenarbeit immer deutlicher zu Tage trat, war die Tatsache, dass Zyx nur in Deutschland arbeitete, der internationale Vertrieb nicht gesichert war. Zudem war vom Marketing her auch nicht alles so, wie man es sich gewünscht hätte. Kein Wunder bei der eigentlichen Ausrichtung des Labels. Aber fangen wir vorn an: Premiere auf Zyx war Goes Classic, das, zwischen 1991 und 1993 bereits eingespielt, erst 1994 veröffentlicht wurde. Hier interpretierte Klaus mit einer Ausnahme echte klassische Vorlagen, so zum Beispiel Smetanas Moldau und Rosamunde von Franz Schubert, dazu Stücke von Weber, Brahms, Grieg und Beethoven. Die Ausnahme bildet die Schulze-Komposition Quintet for Lute, die im Reigen der anderen Stücke allerdings kaum auffällt. So drückte sich also auch hier aus, was schon zu anderen Gelegenheiten augenfällig war: Klaus\' Wurzeln sind durchaus in der Klassik verhaftet, was an und für sich in der populären Musikszene recht selten vorkommt. Wie auch immer: Neue Hörer gab es hiermit für Klaus kaum zu gewinnen, auch wenn er hierbei Unterstützung durch Werner Eggert erhielt, der allerlei computertechnische Beifügungen einbrachte.

 

Das zweite Zyx-Album war von einer völlig anderen Thematik, es nannte sich Totentag und wurde auch 1994 veröffentlicht. Wiederum handelte es sich um Aufnahmen aus den Jahren 1992 und 1993, die sich diesmal allerdings nicht unbedingt im klassischen Bereich bewegten. Zu seltsamen Titeln wie Apotheke Zum Weißen Engel, Im Bordell oder Der Freitod arbeitete Schulze recht düstere Klangbilder heraus. Die Thematik konkretisierten dazu fünf Sänger, besonders zu erwähnen der Librettist Werner Schneider. Dazu gab es Wortrezitationen, die sich immer um das mortale Leitwort des Albums herum bewegten. Alles in allem eine krause Angelegenheit, die sich wohl zu Recht nicht durchsetzte.

 

Wesentlich angenehmer war da das Wagner Desaster Live, auch von 1994, das bei zwei Konzerten in Paris und Rom mitgeschnitten worden war. Das Thema war natürlich klar, bombastische Klänge Ehrensache, wie es sich eben für Wagner gehört. Engagiert wie schon lange nicht mehr, zauberte Klaus mächtige Klangbilder, die hinterher im Studio abgeschliffen wurden: CD 1 der Doppeledition bekam den Wild Mix verpasst, CD 2 den Soft Mix. Das Resultat war, trotz dieser nachträglichen Einflussnahme, beachtlich und bewies eindeutig, dass Klaus noch immer dazu in der Lage war, beachtliche Musik auf die Bühnen dieser Welt zu bringen. Das zeigte sich auch im folgenden Studioalbum In Blue, das im heimischen Studio Ende 1994 eingespielt worden war und 1995 veröffentlicht wurde. Mal wieder kam als gern gehörter Gast Manuel Göttsching hinzu, der durch seine Gitarrenkünste maßgeblich zur lockeren, entspannten Atmosphäre der Produktion beitrug. Wiederum arbeitete Klaus in weiten Improvisationskreisen um gesetzte Themen herum. So kam es, dass diese Doppel CD lediglich drei Titel beinhaltete: CD 1 über 78 Minuten den Track Into The Blue, CD 2 über 44 Minuten Return Of The Tempel (Ash Ra??) und, als kürzesten Track Serenade in Blue, \"nur\" 34 Minuten lang. Dermaßen ausführlich hatte Klaus auf Tonträgern bis dahin noch nie gearbeitet, und durch Göttschings Mitwirkung verliert die komplette Produktion zu keinem Moment die nötige Spannung. Klaus war ganz offensichtlich wieder zurück in seiner besten Welt und zu Großtaten bereit. Leider wollten auch hier nicht allzu viele Kenntnis nehmen, so dass das Zyx-Kapitel mit dieser wunderbaren Edition geschlossen wurde.

 

Nach einigem hin und her in Sachen Plattenfirma kam Schulze dann bei der WEA unter, an sich ein wesentlich besseres Fundament für den Aus- und Neuaufbau der Karriere. Dafür hatte Klaus sich nach seiner Meinung erfolgversprechende Konzepte zurechtgelegt. So enthielt seine erste, dort 1996 veröffentlichte CD, mit 11 Titeln sehr viel unterschiedliche Charakteristik, es wurden auch Themen aus der Vergangenheit zitiert. Alles in allem ein nicht ausgegorener Versuch , den Kurs in neue Winde zu legen. Möglicherweise fehlte bei dieser Produktion die Einflussdnahme des einen oder anderen Gastmusikers, da Klaus das Werk völlig allein einspielte. Bei der Erstausgabe dieser CD handelte es sich zudem um ein Doppelalbum, auf dessen zweiter Platte dasselbe Repertoire wie auf CD 1 zu hören war, allerdings in remixter Form, auf die Klaus keinen Einfluss hatte. Trotz einiger wirklich reizvoller Ideen kann das Projekt als nicht geglückt angesehen werden. Das hat dann wohl auch die WEA eingesehen, die das Produkt seit April 1997 nur noch als einfache CD im Katalog führt.

 

Ganz offensichtlich hatte dieses seine Auswirkungen: Für Dosburg Online, 1997 aufgenommen und veröffentlicht, holte Klaus wiederum mit Jörg Schaaf als Keyboarder und Roelof Oostwoud als Sänger zwei Helfer ins Studio, die seine Klangschleifen mit ganz frischem Leben erfüllten. Auch diese CD enthält immerhin neun Songs, die aber durch die Mitarbeit der genannten Herren durchaus eine einheitliche Themenbehandlung erfahren. Das gesamte Projekt hat eine muntere, lebendige Atmosphäre, es strahlt Zuversicht und Glaube an den Fortschritt aus. Für viele war dies das beste Album, das Schulze in den letzten Jahren gemacht hatte, denn trotz der natürlich vorhandenen bekannten Wurzeln war ein Aufbruchsgeist zu verspüren, der so eigentlich nur bei den allerersten Werken zu hören gewesen war.

 

Doch leider: Im verschärften Wettbewerb reichte WEA die künstlerische Neuöffnung nicht, weil der Umsatz nicht stimmte: Schluss mit lustig, Klaus stand 1998 ohne Vertriebsfirma da! Bis heute, zum Jahreswechsel 1998/99, hat sich die Situation noch nicht geändert, doch Hoffnung ist in Sicht: Anfang Dezember des Jahres war Klaus in London, um mit den Machern des neuen V2-Labels (Richard Branson) Vertragsverhandlungen zu führen. Gut möglich, dass dort 1999 die neuen Schulze-Produktionen erscheinen, aber auch gut möglich, dass es eine andere Firma wird, denn zwischenzeitlich wollen noch ganz andere Leute den Klaus einkaufen. Zu seinem guten Ruf, der eben unzerstörbar ist, trug auch ein dreieinhalbstündiges Radiokonzert bei, das er kürzlich nächtens gegeben hat. Leider war davon pressemäßig nichts zu erfahren, doch Klaus war mit diesem Event sehr zufrieden. Freuen wir uns also auf die Zukunft!

 

Soviel bis hier zum Interpreten Schulze. Nicht vergessen sollte man die produktionstechnische Seite dieses Menschen, denn auch auf diesem Gebiet hat sich Klaus seit langen Jahren, teilweise auch recht erfolgreich, betätigt. So arbeitete er beispielsweise als Produzent für Alphaville aus Berlin, desgleichen für Sänger Marian Gold\'s Soloprojekte, denen man die erfahrene Hand des Meisters durchaus anmerkt. Zudem bekommt er laufend Aufträge zum Remixen der verschiedensten Songs und Interpreten, teilweise aus der extravaganten Ecke. Einige der Künstler, für die er tätig wurde: Gudrun Gut, Blixa Bargeld, die Armaggedon Dildos und das Solar Moon System. Seine Kontakte reichen sogar bis in die angesagte Drums\'n\'Bass-Szene, so daß man mit Fug und Recht behaupten kann: Klaus hat auch heute noch seine Finger am Puls der Zeit!

 

Bevor nun die Discographie folgt, muß unbedingt noch der Name Klaus Dieter Müller erwähnt werden. Dieser Mann, als Musikverleger Inhaber des POEM Musikverlags, hat die ganzen Jahre der Schulzeschen Karriere als guter Freund, Manager, Verleger und Helfer in vielen Notlagen dafür gesorgt, dass Klaus immer wieder mit neuen Ideen angreifen konnte. Obwohl stets im Hintergrund, wäre Klaus ohne ihn sicher nicht dort, wo er heute ist: Auf den relativ angenehmen Seiten des Lebens. Außerdem stammen viele Fotos aus diesem Artikel aus seinem Archiv. Wer mehr sehen will, der sollte unbedingt auf die Schulze Homepage schauen:

Http://www.Klaus-Schulze.com

Es lohnt sich!

Wolfgang Pokall

 

 

Bilder

Pressefoto.
Sammlung Wolfgang Pokall.

Autogrammkarte

1970

1972

1975 Mike Shrieve, Stomu Yamashita, Klaus Schulze, Stevie Winwood

1977

1978

1979

1979

1979

1979

Studio

Studio

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
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Foto: Kurt Mitzkatis

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9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

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Foto: Kurt Mitzkatis

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9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

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9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

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9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

KlangArt Osnabrück
9.6.2001
Foto: Kurt Mitzkatis

Konzertbericht

Berichte

KLAUS SCHULZE

Hamburg, Fabrik, 23.4.1999


Ich habe mich mal aufgemacht und mir den Auftritt von Klaus Schulze angeschaut.
Das Konzert in der Fabrik in Hamburg war im Rahmen eines Jazz-Festivals! Dies irritierte zunächst, doch als Klaus Schulze zusammen mit Pete Namlock nach dem Gig von Alt- Velvet Undergrounder John Cale die Bühne betrat, wurde er erstmal von seinen eingefleischten Elektronik-Fans tobend begrüßt. Immerhin war er in Hamburg seit 1984 nicht mehr auf der Bühne gewesen. Den freundlichen Empfang dankte er dann auch mit eine persönlichen Ansprache, in der er eine kurze Einführung über sein aktuelles Projekt The Dark Side Of The Moog gab.

Was er dann zusammen mit Namlock über modernste Keyboard- und Syntheziser-Technik auf den Tasten produzierte, ließ die Leute in einen fast meditativen Genuss verfallen. Dieser tranceähnliche Zustand wurde mit genialstem Moog-Syntheziser-Sound a\' la Schulze und einer hervorragenden Lightshow noch verstärkt. Dies führte zu einem gut eineinhalbstündigen Auftritt, der nur unter der Tatsache, daß es sich um ein Festival handelt, von Schulze nicht mit weiteren Zugaben verlängert werden durfte, wofür er sich dann auch persönlich entschuldigte.

Was mich am meisten freute und gleichzeitig überraschte, daß der Sound der frühen Tangerine Dream oder der Soloprojekte, wie etwa der Blackdance von 1974, entsprach. Für mich war das Konzert wie eine Zeitreise in die 70er zurück - einfach genial! So hat man für 40,- DM Eintritt den Altmeister des Moog in vollen Zügen genießen dürfen.


Alexander Zuk


KLAUS SCHULZE

9.6.2001, Stadthalle Osnabrück


Als der Höhepunkt des diesjährigen Klangartfestivals gilt unbestritten der Auftritt von Klaus Schulze. Es sollte der einzige in Deutschland 2001 sein.


Natürlich war ich sehr gespannt. Die letzten Alben von Klaus haben mir allesamt gut gefallen - egal ob allein oder mit Manuel Göttsching. Das letzte Mal, dass ich ihn live erlebte war im Jahr 1978 hier in Osnabrück in der Halle Gartlage. Ein in weiß gekleideter junger Mann mit wallendem langen Haar schritt durch die Zuschauer in sein Rondell bestehend aus diversen Klangtürmen. Er setzte sich und ward nicht mehr von unserem Platz zu sehen. Auch die anderen Zuschauer sahen ihn nur von hinten. Er sagte nichts, spielte (schon damals göttlich), stand auf verbeugte sich und ging.... Aus, das wars...


Ganz ganz anders im Jahr 2001. Ein in einem weißen Sweatschirt gekleideter etwas älterer Mann mit Kürzesthaarfisur und Brille (ganz entfernt an den Dalai Lama erinnernd) betritt die Bühne, genießt den Beifall, macht einen kurzen netten Smalltalk mit dem Publikum und setzt sich vor die Klangturmfront in eine Art Quadrat. Aber er ist gut zu sehen und von unserer Position aus gut zu hören, was wohl nicht überall in der Stadthalle der Fall war.


Dann begann er mit dem Thema, mit dem er auch in London zusammen mit Manuel Göttsching anfing. Hier war es allerdings kürzer als in London. Dort war es wegen eines Ausfalls anderer Komponenten einige Minuten lang. Hier aber klappte es hervorragend. Rainer Rutka und auch Stephan Schelle, die ebenfalls mit mir anwesend waren, sind sich mit mir einig, dass Klaus keine bekannten Stücke spielte, sondern aus Zitaten neue Werke erschuf. Vieles glaubte man zu kennen, wurde aber immer wieder verändert und variiert. Der erste etwa 30 Minuten dauernde Teil war von sanfter leiser Art, der nur am Schluss durch einen für meinen Geschmack etwas zu theatralischen voluminösen Einsatz bombastischer Kirchenorgelsequenzen beendet wurde. Trotzdem begleitete ihn tosender Beifall in die Pause.


Zu Beginn des zweiten Teils versprach er etwas mehr Sequenzerpower, und die gab es dann auch reichlich. Gregorianische Gesänge und - oder Frauenchöre in sakraler Stimmung wogten immer wieder durch straff gespannte Soundwände.
Dann kam Wolfgang Tiepold mit seinem Cello mit ins Spiel. Fast unbemerkt schlich er sich auf die Bühne und wartete auf seinen Einsatz.


Klaus antwortete dem Bogenstrich des Cellos mit einer kurzen aber extrem verlangsamten Sangesfrequenz einer männlichen Stimme. Und siehe da, es klingt sehr ähnlich. Auch der zweite Teil dauerte etwa 30 Minuten, bot aber deutlich mehr an Vielfalt als der erste.


Tosender Applaus entließ die beiden um sie zur Zugabe wieder auf die Bühne zu fordern. Klaus Schulze fragte ob Wolfgang Tiepold wieder mitspielen sollte - er musste.So kam das Publikum zu einem wundervollen Genuss, weil Klaus, wie er selbst sagte nur das Cello etwas begleitete. Tolles leises sanftes Stück.


Das Licht ging an und Klaus verabschiedete sich. Er dankte dem Publikum ausdrücklich für die Disziplin und Ruhe während des Konzertes. Die Zuschauer erzwangen eine weitere definitiv nicht vorgesehene Zugabe. Der sichtlich gut gelaunte und erfreute Klaus spielte eine Art Medley, indem er immer wieder Themen seiner Alben anklingen ließ.


Dann war wirklich Schluss. Ein Konzert der Extraklasse, darin waren sich alle einig.


Mit dem Fotografieren gab es in etwas milderer Form wieder die üblichen fünf Minuten Spielchen, die aber nicht mehr so sonderlich von den Fotografen ernst genommen wurden.

Aber Osnabrück ist ja auch nicht London. Jedenfalls hat diese Klangart bis jetzt Spaß gemacht.


Kurt Mitzkatis

 

 

Diskografie

Jahr vonJahr bisBezeichnungArtCover
2010 2010 La Vie Electronique 9 CD
2011 2011 Big In Japan CD/DVD

Rezensionen

KLAUS SCHULZE

Big In Japan – Live In Tokyo 2010

La Vie Electronique 9 

2010, MIG 00410 2CDs + DVD / 2011, MIG 00182 3CDs

Nach verschiedenen Krisen – gesundheitlicher, nicht musikalischer Natur – zeigt sich Klaus Schulze in den vergangenen Jahren wieder aktiv und tritt vor allem wieder live auf. Sporadisch zwar, dafür aber in aller Regel auch tonträgertechnisch wohl dokumentiert. Die Wiederveröffentlichungsreihe La Vie Electronique (LVE) ist hingegen ins Stottern geraten, scheint jetzt aber wieder glatt zu laufen. Von den zunächst angekündigten zehn Teilen liegen mittlerweile neun vor, der letzte noch ausstehende soll im Juni folgen und auch eine Fortsetzung scheint wahrscheinlich. Das wäre auch sinnvoll. Das Projekt arbeitet die Aufnahmen der legendären und vergriffenen 50-CD-Box The Ultimate Edition chronologisch auf und macht sie in 3er-CD-Boxen preisgünstig verfügbar. Nach 30 CDs läge also erst 60 Prozent des Materials vor, man bliebe Mitte der 80er Jahre stehen. Ins Schlingern geraten ist die Serie durch die Pleite von SPV. Die bereits fertig vorproduzierten Boxen lagen in der Konkursmasse, ehe das Nachfolgelabel MIG (Music In Germany) sie in unregelmäßigen Zeitabständen doch noch herausbrachte. Angekommen ist man mit LVE9 in den Jahren 1982 bis 85. Die komplette erste CD füllt ein Konzert aus Budapest vom Oktober ’82, das Schulze gemeinsam mit seinem damaligen Label-Partner Rainer Bloss – ebenfalls an diversen Keyboards – spielte. Während KS als Geschäftsmann gehörig baden ging – obwohl sein Label IC damals die erste Ideal-LP veröffentlichte – und die Zusammenarbeit mit Bloss wohl äußerst chaotisch verlief, musikalisch waren beide in blendender Verfassung. Während Ludwig Revisited auf das legendäre X-Album Bezug nimmt, ist Peg Leg Dance so etwas wie eine Blaupause für spätere Technotracks, für Schulzes Verhältnisse ein sehr getriebener Titel. Die beiden weiteren CDs vereinen Solo-Studioaufnahmen der folgenden Jahre und zwei Interviews von 1984.

2010 debütierte der Elektronik-Großmeister schließlich auf Japans Bühnen. Nach den Kooperationen mit  Dead Can Dance-Sängerin Lisa Gerrard war Schulze wieder so zu erleben, wie ihn die Fans am meisten lieben: solo mit seinen Synthesizern. Und mit einer Gitarre, die allerdings akustisch nicht als solche zu identifizieren ist. Dazu braucht man schon die DVD, die neben den zwei CDs die Konzerte in Tokio auf Big In Japan dokumentiert und somit KS-Album Nummer 101 perfekt macht. (Kein Schreibfehler: Einhunderteins Alben als Klaus Schulze, weitere Veröffentlichungen nicht mitgezählt!) Neben einer streng limitierten japanischen Erstauflage gibt es sowohl eine europäische, wie eine amerikanische Edition des Dreierpacks. Sie unterschieden sich geringfügig in der jeweiligen Tracklist, wobei man bei der US-Fassung auf das wunderbare A Crystal Poem verzichten muss. Wie auch The Crystal Returns wird hier Crystal Lake vom 1977er Album Mirage – eines der beliebtesten Klaus Schulze-Alben überhaupt - neu interpretiert. So explizit hat der Synthesizer-Spezialist noch nie eine zuvor veröffentlichte Komposition live wieder aufgegriffen. Der schönste Moment bleibt allerdings der DVD vorbehalten: In „La Joyeuse Apocalypse“ verlässt Klaus Schulze mitten im Stück mit den Worten „This is electronic music!“ die Bühne und lässt seine Instrumente alleine weiter spielen! Auch sonst ist es für beinharte Fans sicher spannend zu sehen, welcher Sound aus welchem Synthie kommt, und dank herausragender Lightshow bleibt es einige Zeit optisch reizvoll. Irgendwann aber kennt man sämtliche Einstellungen und es wird ein wenig eintönig. Genau mit diesem Argument lehnte Schulze lange Zeit DVDs seiner Konzerte komplett ab, jetzt sind gleich drei in vier Jahren (Rheingold 2008, Dziekuje Bardzo 2010, Big In Japan 2011) erschienen. Damit scheint dieses Format für ihn ausgeschöpft zu sein, aber das hat man ja auch von LPs oder CDs vermutet, um dann wieder von einer neuen Veröffentlichung vollends begeistert zu sein. Insofern reiht sich Big In Japan – dessen Titel ein netter Verweis auf den von Klaus Schulze produzierten Alphaville-Song ist – ein in ein unvergleichliches Werk.

Lars Fischer

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KLAUS SCHULZE

Are You Sequenced? 

Cyborg 

Inter*Face 

Dosburg Online

Ballett 1

2006, Revisited Records / InSideOut / SPV 304982 DCD, SPV 305252 DCD, ?, SPV 304202 CD, SPV 305272 CD, ?

 

 

Über die Klaus Schulze-Rerelease Serie an dieser Stelle noch Worte zu verlieren könnte man sich eigentlich sparen. Zu häufig schon wurde im German Rock betont, dass diese Edition das Nonplusultra ist. Aber halt: „zu oft“? Angesichts der vielen lieblosen Neuauflagen mit klanglichen Zumutungen und editorischen Idiotien, mit denen sich Musikfans dann rumschlagen müssen, kann man ein solch vorbildliches Aufarbeiten eines der eindrucksvollsten Gesamtwerke der deutschen Musikgeschichte – und ich meine hier nicht nur seit 1960 oder so... – gar nicht häufig genug loben. (Und angesichts solcher Sätze die Geduld der Lesenden auch nicht...). Auch für die nunmehr sechste Staffel – und dem Nachzügler aus der fünften – gilt: Klangliche Brillanz, hochwertige Digipaks und Booklets mit vielen Bildern und speziellen Linernotes von KS zu jedem Album sind garantiert.

 

Aus der letzten Staffel stammt noch Are You Sequenced? von 1996. Mitte der 90er war Techno Massenphänomen geworden und neben den unzähligen, unerträglichen Ibiza-Idioten-Disco-Songs kamen interessante neue Bands heraus, die wiederum auf den Synthie-Pionier Schulze Einfluss hatten, wie stellenweise zu hören ist. Nach gültiger Zählung, die die CD-Boxen berücksichtigt, ist Are You Sequenced?  das 52. Schulze Album, das schon im Original als Doppel-CD erschien. Allerdings wurden auf der zweiten Scheibe sämtliche Titel der ersten von anderen Künstlern remixed, es war also kein „richtiges“ KS-Album mehr. Dennoch sollte diese in Anlehnung an Hendrix benannte Scheibe weiterhin eine doppelte bleiben und so wurde das phänomenale, 77-minütige Track Vat  Was Dat? für die zweite CD aus den anscheinend endlosen Archiven geholt.

 

Wo diese Musik ihre Ursprünge hat zeigt dagegen Cyborg. Schulzes zweite Solo-Veröffentlichung von 1973 ist ebenso wie ihr Vorgänger Irrlicht ein Meilenstein in der elektronischen Musik. Vor allem deswegen, weil die technischen Möglichkeiten aus heutiger Sicht abenteuerlich waren. Außer einem Tonbandgerät und einer Orgel besaß der Musiker zu diesem Zeitpunkt einen einzigen Synthesizer. Viele der Sounds auf der Platte stammen von einem Orchester, das Bänder ihrer Proben zur Verfügung gestellt hat, die KS dann in seine Musik einbaute – heute würde man sagen „sampelte“. Auch bei dieser Doppel-LP wurde die Form beibehalten und ein gut 50 Minuten langes Stück vom Konzert in Brüssel 1977 hinzugefügt.

 

Das Konzept dieser Serie, in jeder Staffel Alben aus unterschiedlichsten Schaffensperioden, zusammen aufzulegen, führt uns in die Mitte der 80er. Inter*Face erschien 1985, also bereits zu Zeiten von digitalen Synths, ist aber eines der wenigen Schulze Alben, mit denen ich wenig anfangen kann. Rund ein Jahrzehnt später war der Meister allerdings in einer sehr produktivsten Phasen überhaupt. Mitte der 90er entstanden reihenweise tolle Aufnahmen, so auch Dosburg Online 1997, das zum größten Teil aus zwei Konzerten zusammengestellt ist. Außer KS hat Jörg Schaaf die Sequencer bedient mit Roelof Oostwoud wurde bei zwei Stücken auf das sehr seltene Experiment eingegangen, Schulze Musik mit Gesang zu verbinden. Was bei Tangerine Dream oft eher in die Hose ging, gelingt hier vor allem aufgrund das unerwartet hohen Einfühlungsvermögen das klassischen Opernsängers.

 

Auch Ballett 1 enthält mit Agony ein Stück, das in Kooperation mit einem klassisch ausgebildeten Musiker entstanden ist: Der Cellist Wolfgang Tiepold, schon seit X immer mal wieder zu Gast im schulze’schen Klangkosmos, setzt hier erstaunliche Akzente. Was das ganze mit Ballett zu tun hat, bleibt rätselhaft, aber dieses Album ( Nummer  86) war Teil der leider nicht mehr erhältlichen ersten Contemporary Works-Box, die 2000 erschein. Hier gab es noch drei weitere CDs mit so genannter Ballettmusik, die ebenfalls zur Wiederveröffenlichung anstehen, aber wie immer sind die Namen der Stücke bei Schulze Schall und Rauch, wie er selber sagt.

 

Lars Fischer

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Various Artists

A Tribute To Klaus Schulze

1999,     Manikin Rec.

Kein Musiker hat sich in der Entwicklung der elektronischen Musik einen solchen Namen gemacht, wie Klaus Schulze. War er in den frühen 70ern Schlagzeuger bei Tangerine Dream und Ash Ra Tempel, so widmete er sich später der Entwicklung kosmischer Klänge, die seinen Status in eben dieser Musik begründen sollte.

Jetzt erscheint die wohl längst fällige Tribute-Platte, auf der Acts, die von Klaus Schulze in ihrer musikalischen Entwicklung geprägt wurden, ihrem Meister zu Ehren aufspielen. Wohingegen auf gängigen Tribute-Samplern die Jünger ihren Gurus mittels Coverversionen huldigen, spielen die hier enthaltenen Künstler und Projekte nahezu vollständig ihr eigenes komponiertes Material und beweisen umso deutlicher, wo ihre Wurzeln liegen; in der Periode des 70er Jahre Elektroniksounds von Klaus Schulze. Das Resultat fiel dennoch überraschend bunt aus, von Elektronikpop à la Buggles (Amp mit Sunrays), The Nice beeinflussten Klassik-Sound (Kazz, Frank\'s Tango), Ashra angesphärten Gitarrenklänge (Kenton Flies), ethno-ritualistische Scapes von Sanjiva bis hin zu Elektronik der alten Klaus Schulze/ Richard Wahnfried Schule. Paradebeispiele wären hier die Klangmalereien des Schulzendorfer Groove Orchestras, dem Bondee System oder Second Culture. Für den Klaus Schulze Fan ist dieses Teil auf jeden Fall ein nicht zu missendes Produkt, zeigt es doch in beeindruckender Weise die Auswirkungen seiner musikalischen Phantasien auf die Entwicklung der gesamten neuzeitlichen Elektronik.

Carsten Agthe

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KLAUS SCHULZE

Contemporary Works 1

 

(10-CD-Box, Rainhorse/Manikin-Release)

Hilfe, ich werde noch einmal arm! So -oder so ähnlich muss es dem Klaus Schulze Fan gehen, gibt es jetzt doch neben anderen Veröffentlichungen mit Ash Ra Tempel nun auch noch diese 10 -CD-Box!!

 

Zum Rezensieren liegt mir der hier abgebildete Promo-Sampler vor. Und der hat es in sich!

Selten habe ich Klaus Schulze so abwechslungsreich und innovativ gehört. Der Knabe wird mit zunehmendem Alter immer besser. Gesangspassagen fügen sich genauso in die Musik ein, wie Soundcollagen. Wenn nicht Klaus Schulze draufstehen würde könnte man glauben viele Bands spielten auf dieser CD. Sehr stark!

Kurt Mitzkatis


KLAUS SCHULZE

Live @ Klangart

(2001, Rainorse, RHMR 200012/13)

Der Altmeister der Elektronik auf der Osnabrücker Klangart. Hat es im Vorfeld noch so einiges an Unmut gegeben, so war der Herr nach dem Konzert doch sehr angetan von der Atmosphäre und dem aufmerksamen Publikum.

Über das Konzert ist ja schon in Heft 15 genug geschrieben worden, also wenden wir uns dem konservierten Ergebnis zu.
Klaus hat keine Doppel-CD herausgebracht, sondern er serviert uns zwei separate Silberlinge. Das geht meiner Meinung nach völlig in Ordnung, da das Konzert durch eine Pause in zwei Teile getrennt wurde, die sich durch Hinzukommen des Cellisten Wolfgang Tiepold im letzten Teil auch musikalisch völlig unterscheiden. Das Konzert klingt exakt so, wie ich es an meinem Platz hören konnte.

Trotzdem muss ich eines bemängeln. Das Publikum ist hier absolut nicht zu hören. Keine Ansage, kein Beifall, keine Atmosphäre - nichts. Dabei waren seine Ansagen und sein Charme gerade hier sehr positiv und das hat ihm viel Sympathien eingebracht.


Kontakt: www.manikin.de

Kurt Mitzkatis

Interviews

Es gibt noch zwei Audio-Interviews hier im Lexikon unter der Sparte Interview.

Das Interview

 

KLAUS SCHULZE

Per Telefon 26.05.2005

 

GR: =  Kurt Mitzkatis für die GERMAN ROCK NEWS

 

KS: =  Klaus Schulze

 

GR: Wir haben heute Donnerstag, den 26. Mai 2005 und am Telefon begrüße ich Klaus Schulze.

 

KS: Hallöchen.

 

GR: Klaus wir haben einen speziellen Anlass weshalb wir miteinander sprechen. Firma Inside Out hat in der Revisited Reihe deine Werke schon zu einem Großteil veröffentlicht und wird auch noch veröffentlichen. Wie ist es dazu gekommen und was kann man da noch so erwarten?

 

KS: Ja das kam einfach durch den Manfred Schütz von SPV, weil Inside Out ist ja irgendwo verbunden mit SPV und wir waren eigentlich in Diskussion über meine neuen Alben, und dann kam aber irgendwie so durch Zufall die Frage auf den Tisch: “Wie sieht\'s denn mit deinem Backkatalog aus?“ Ja sagte ich der ist mehr oder weniger frei oder ist auch zu bekommen. Und dann fragten die mich ob ich Lust zu hätte. Da hab ich gesagt: \"Na gut dann lass uns da doch mal drüber nachdenken.\" Dann kam eben halt der Kollege Schmitz von Inside Out, der sagte die wären sehr interessiert und würden das gerne machen. Und die sind ja auch sehr spezialisiert für Re-Releases ne, Inside Out so wie bei Amon Düül und so auch. Ja und dann hat sich das halt ergeben. Obwohl die Vertragsverhandlungen ja fast anderthalb Jahre gedauert haben, aber Gut Ding braucht halt Weile. Ja dann haben wir uns zusammengesetzt und die Grafik überlegt, was wir original belassen wollen, was wir bisschen besser machen wollen und so weiter.

 

GR: Acht Alben sind zum derzeitigen Stand schon draußen, gab es da spezielle Gründe warum nun gerade diese genommen worden sind?

 

KS: Ja, wir versuchen bei jedem Viererpaket, wenn’s denn gerade so passt eins aus den 70iger, eins aus den 80iger,eins aus dem 90iger und eins aus 2000 zu nehmen. Das hat auch meistens so hingehauen, manchmal auch nicht, aber wir wollten das nun nicht unbedingt chronologisch machen, aber die sind durchnummeriert und wenn die Edition durch ist, dann hat man sie auch chronologisch. Wir wollten jetzt nicht nur vier aus den 70igern und so nehmen, weil da hat sich ja auch jede Dekade was geändert und damit man das eben auch im Überblick mal sieht weiß du. Sind halt auf die Dekaden verteilt und das sind nun mal vier.

 

GR: Das würde bedeuten, zum Beispiel bei dem Album In Blue, ist ja die Nummer 41, das wären mehr als vierzig Alben?

 

KS: Es kommen mehr als 50!

 

GR: Tja, ich meine gut, das ist man von dir ja gewohnt dass es immer Umfangreiches gibt. Dann muss ich jetzt sowieso mal fragen, also wer dich mag, die müssen ja richtig Geld haben, weil du ja wirklich einen großen Output hast. Ich habe jetzt gesehen bei den Alben sind ja sehr viele Spezialitäten dabei. Also bei In Blue eine Zweifach-CD, dann hast du …

 

KS: …ne DVD, Bonus-DVD!

 

GR: Ja genau. Wie ist das abgelaufen? Hattest du Vorschläge was du zu jeder Scheibe dabei packen wolltest oder wie stellen wir uns das vor?

 

KS: Ja, mein Verleger, der Klaus-Dieter Müller und ich, wir suchen so gemeinsam aus, so Stücke aus der Zeit, die also auch dazupassen. Außer bei zwei Sachen, das war Andromeda und Ion, das waren zwei kurze Stücke, die ich alleine für die Messe gemacht habe und die wurden dann aber für so um die 500 Euro in E-Bay versteigert. Also bring ich die erst mal raus, damit diese Spekuliererei da mal aufhört, denn das find ich echt unverschämt. Man versteht das irgendwie nicht. Bringt das auf der Messe an Leute, macht ein Autogramm drauf und die benutzen dass um davon in Urlaub oder so zu fahren. Das fand ich also nicht so toll. Also die sind dann so zwischendurch mit drin. Ansonsten eben aus der Zeit und sonst ist es eben so dass zum Beispiel bei Mirage, die sind ja damals auf Vinyl erschienen und da sind dann teilweise nur 48 Minuten Musik drauf, da hab ich gesagt, dass find ich ja nun bisschen sparsam, wo doch eine CD 80 (Minuten) hat und lass uns doch da mal paar Bonustracks raussuchen damit da auf  Mitte 70iger Minuten kommen, weil sonst find ich dass nämlich bisschen \"spar\" die ganze Nummer. Und dann hab ich mich mit dem Michael Schmitz, das ist von Inside Out der Chef und auch mit dem Grafiker dem Thomas zusammengesetzt. Der hat tolle Vorschläge macht zu den Digipaks, wie er das machen will, teilweise mit Glanz, dann wieder matt und dann da die Bilder und die Linernotes, die ich dann mit dem Albrecht Zils machen, das da immer etwas Humorvolles oder eine Geschichte mit rein kommt. Denn so eine bloße Bio brauch ich ja nicht zu machen, die kann man ja auf meiner Web-Page einfach nachsehen, außerdem wäre der Platz dann auch zu klein. Und so hat sich das ganze Gesamtkonzept ergeben und bisher muss ich sagen, haben wir nur Beifall von allen Seiten bekommen.

 

GR: Von unserer auch! Also, ich kann nur sagen es ist sehr edel aufgemacht, man hat das Gefühl endlich ein Kunstwerk zu besitzen, etwas was das Ohr und das Auge erfreut.

 

KS: Zumal ja damals die Metronome oder auch Polygram sie sehr leblos raus gebracht haben. Mit eben so einem Titelblatt und hinten einem Blatt in der Mitte so´n Ding und raus damit als CD. Und die haben sich auch nicht richtig drum gekümmert wie viel Musik da drauf ist und ob das alles richtig ist und so was. Und haben das einfach nur so raus gebracht, weil sie gedacht haben: \"Na ja das können wir alles normal verkaufen\", das war von denen ohne Liebe. Und hier mit Inside Out das macht richtig Spaß. Du musst dir vorstellen, das ist ja auch mein Lebenswerk und wenn das so richtig toll präsentiert wird, dann ist man da auch schon richtig glücklich damit. Also, ehrlich gesagt, da hätte ich nicht mit gerechnet das sich heutzutage eine Plattenfirma soviel Mühe gibt um einen Back-Katalog raus zu bringen, also das ist für mich ein kleines Novum.

 

GR: Dazu muss ich natürlich den Elektroniker noch was fragen ganz klar, wenn du jetzt diese ganzen Sachen wieder raus bringst, inwiefern wird oder wurde da Hand angelegt in Sachen Klangaufbereitung oder hast du alles so gelassen?

 

KS: Ich hab alles so gelassen, sogar mit den Fehlern, da hörst du hier und da mal ein Knacker, weil das ja von den alten Analoggeräten ist, das sind ja nun mal alte Geräte und dann haben die halt geknackt. Das sind eben nicht so digitale Sample-Player wie heute und da war halt noch Schwermechanik dran. Und wenn da mal ein Knopf ein paar Tage nicht bewegt wurde machte der eben mal so Knack oder Knick oder so. Wir haben am Anfang da lange drüber diskutiert, ich wollte auf jeden Fall dass wir dann wieder von den Original- Vinyl-Mastern ausgehen, weil die hatten wir noch, die hat der Herr Müller noch im Archiv und hat gesagt, lass uns von den Vinyl-Mastern ausgehen und nichts dran ändern, wir wissen nämlich nicht was die Polygram da manchmal drin gemacht hat. Ich weiß, dass bei manchen Sachen die Höhen angehoben worden und das ist eben halt dieser warme Analogsound der ist eben etwas dumpf- muffelig und damals klang das eben so. Diese übertriebenen brillanten Höhen, die kamen ja erst in Mitte der Achtziger, jetzt in den Neunzigern sind sie sehr angesagt und auch die …. und so. Ich hab aber gesagt das sind Zeitdokumente und die möchten auch bitte in der Zeit so sein auch, wenn ich bei den Bonustracks, das sind ja auch Liveauftritte, wenn ich mich da und dort mal verspielt habe, hab ich gesagt: \"Komm lass das drin, das wird nicht raus geschnitten, das wird nicht korrigiert, so wie es ist wird es genommen.\" Das einzige was wir manchmal machen mussten, war eben etwas früher einblenden oder später ausblenden weil eben halt nicht mehr so viel Zeit auf der CD war.

 

GR: Ok, man kann also sagen, der Fan bekommt den echten wirklichen Schulze ohne Zusatzglanz…

 

KS: …ohne Ergänzer ohne Stereoverbreiter oder was diese ganzen Mastering-tools heute so alles können.

 

GR: Also, da findest du auch in mir einen Freund dieser Sachen, ich bin da auch ein Livepurist und denke,  wenn sich da einer in zwei Stunden ein paar mal verspielt das ist mir alle mal lieber als  ein Studiosound, weil auf 28 Spuren nachgemixt wurde. Das ist ganz klar.

 

KS: Ja oder geschnitten wurde und dann springt das Ding irgendwohin. Und außerdem, ich weiß das auch so von meinen Fans, die haben damals mal die Vinyls gehabt und die wollen das auch wieder so hören. Die wollen keinen neuen hoch polierten  Glanzsound, als ob das aus dem Jahr 2000 kommt. Natürlich kannst das besser reinknallen und das alles machen, du kannst viel machen aber auf der anderen Seite, dann kann ich auch ´ne neue Platte machen.

 

GR: Außerdem können die Leute, weil sie älter geworden sind, ihre Höhen ja am  Equlizer  anheben.

 

KS: Erstens das oder zweitens, heute haben so viele einen PC da können sie das auch in ihren PC tun und dann mit ihrem Graphic–IQ oder irgend einem kleinen Master-Programm, da gibt’s ja schon viele, können sie sich also selber ihren Sound bauen und wieder zurück auf ne CD brennen ne?!

 

GR: Das wäre gerade noch ein Ding was mir dazu einfällt. Wie siehst du das, ich meine du warst damals einer der Pioniere gewesen, und heute ist es so dass das was Klaus Schulze damals mit teurem Geld bei sich hatte, hat heute praktisch schon jeder auf seinem Schreibtisch. Findest du  das gut, dass man diese Möglichkeiten heute hat oder sagst du irgendwo nimmt es den Glanz und den Aufwand von früher?

 

KS: Nein ich finde, solange man gute Sachen mit den Sachen macht ist das sehr in Ordnung. Man muss sich kein … für 50000 Mark kaufen um zu sagen, jetzt kann ich auch so gute Frequenzen wie Schulze machen. Du kannst dir heute den Virtual Bug kaufen von Arturia für 390 Euro und könntest letztendlich das gleiche machen, ich find es eigentlich gut, wenn die Produktionsmittel so billig wie möglich zugänglich sind. Weil letztendlich was gut und was schlecht ist, das entscheidet ja doch der Kopf des Musiker und nicht das Geräte.

 

GR: Gott sei Dank!

 

KS: Ja wollt ich gerade sagen, so weit sind wir zum Glück noch nicht außerdem Band in the Box macht ja auch schon die Hälfte. Aber das ist ja nicht das was man meint.

 

GR: Dir gehen bislang die Ideen noch nicht aus, was uns ja auch freut. Ich hab ganz früher mal in den 70igern mal mit dir gesprochen und da hast du gesagt, du legst nachts wenn du schlafen gehst ein Block und ein Stift neben dich, damit wenn du Ideen hast, du die gleich aufschreiben kannst.

 

KS: Ja das hab ich früher gemacht aber das mach ich schon lange nicht mehr.

 

GR: Ja das war einfach…

 

KS: … die 70iger ja ja, da hab ich immer gedacht man versäumt was im Schlaf. Aber heutzutage sieht das so aus, wenn du geschlafen hast und du aufwachst, dich dann ne Zeitlang damit beschäftigst dann kommt das schon wieder oder es kommt halt nicht wieder, dann war es aber auch nicht gut, sag ich immer.

 

GR: Also, du hast noch keine Probleme neue Ideen einzubringen?

 

KS: Nee jetzt bei meiner neuen Platte, die ich gerade fertig gemacht habe, war das auch wieder. Es gibt ja auch immer noch wieder Sachen, die man noch nicht gemacht hat. Gott sei Dank. Und vor allen Dingen, das ist das Wichtige dabei, ich arbeite nach meinem eigenen Prinzip, das heißt es muss Spaß machen. Ich spiele einfach Spuren auf den Rechner, heute machen wir das nicht mehr mit ´nem Bandgerät, an sich ist für mich der Rechner wie ein Bandgerät…

 

GR: …nur eben einfacher.

 

KS: … ja da kommt so Spur für Spur rein und wenn da mal so angenommen 20 Fehler sind, dann fang ich nicht an die Spuren zu editieren sonder lösch die und spiel die einfach neu. Und ich bin nicht so der Rechenschieberexperte, der Rechner ist für mich eine komplexe Bandmaschine, der natürlich schon ein bisschen mehr kann, loopen, man muss nicht alles so oft spielen. Aber ansonsten ist es halt wie eine große Bandmaschine. Das macht eben Spaß Spuren raufzuspielen und dann beim Mischen gewisse Spuren wieder rauszuschmeißen, weil man sagt so das reicht auch mit drei Spuren oder mit acht Spuren, man muss da nicht überall 20 Spuren haben. Und dann macht das eben Spaß und dann gibt’s auch halt wirklich viele neue Instrumente, die einem auch Möglichkeiten geben, wie gesagt das Sampling ist wirklich angenehmer geworden und viel unaufwendiger und schöner und Facettenreicher als es früher war. Ich hab ja mal so einen Samplerwahn Ende der 80iger gehabt, Anfang der 90iger aber war das halt so, es hat Spaß gemacht aber da waren halt die Samples nicht so toll. Und heute tauchen die so subtil auf, dass man das eigentlich kaum noch merkt dass das Samples sind und das ist eigentlich mehr eine fließendere Musik als es früher war. Und mir macht es eben auch Spaß und so lange es mir noch Spaß macht wird es auch irgendwo neue interessante Musik geben. Wenn ich mich langweile, das merkt ihr glaub ich sehr schnell.

 

GR: Das ist ein schöner Übergang. Kommen wir mal zu den Liveauftritten. Also, ich habe dich das letzte Mal bei der Klangart in Osnabrück gesehen. 78 und heute das waren schon Unterschiede. Wie ist das für dich das was du heute machst Live wiederzugeben und wie siehst du die Unterschiede zu den ganz früheren Geschichten?

 

KS: Na ja das ist einfach heute. Ok, ich hab damals gewissen Sachen eingespielt zum Beispiel Schlagzeug oder gewisse Sounds, das mach ich heute nach wie vor noch, weil ich ja nur allein auf der Bühne bin. Ich bin heute Mitglied der ganzen Arie, bin aber auch flexibler und deswegen macht das heute eigentlich mehr Spaß. Weil da sonst so ein steriles Band lief, musste ich schon mehr oder weniger an den ganzen Ablauf des Konzertes halten. Na ok, wenn ich dachte, jetzt hab ich keine Lust mehr, hab ich eben die ganze Musik im Hintergrund ausgeblendet und hab einfach frei gespielt mit Sequenzer, da waren keine Drums dabei, weil wir keine Drummmaschine damals hatten. Aber heute ist das so, du kannst einfach einen Block skippen und springst einfach wo anders hin, wenn zu Beispiel, du fängst ruhig an und merkst die Leute möchten schon eher groovig was haben, das merkt man ja auf der Bühne auch an der Reflektion, ja dann stellst du es eben einfach um. Auf Sound The Bridge und haust den Rhythmus rein mit Sequenz und dann fängst du an. Damit kannst du dich viel mehr auf die Leute einstellen. Ich bin der Meinung, wenn ich ein Live-Konzert gebe, das gebe ich dann für die Leute und nicht für mich.

 

GR: Also ist jedes Konzert einzigartig?

 

KS: Ja eigentlich schon. Ja man sieht natürlich das gewisse Blöcke wieder auftauchen aber jeder Abend ist anders, auch für mich und das macht mir natürlich auch mehr Spaß und dann hat man auch viel mehr Freude dran zu spielen weißt du. Als wenn du jetzt stur routiniert jeweils ein Ding nach dem anderen hinterher spielst.

 

GR: Den Eindruck hatte ich übrigens auch bei der Klangart, das du im Gegensatz zu früheren Jahren, völlig gelöst und locker da hinkommst und dich auch freust und sich das Publikum auch freut.

 

KS: Ja das war ein schönes Konzert, hat auch Spaß gemacht. Ihr wart ja auch so was von ruhig, ich konnte ja auch so leise Sachen machen und das war fantastisch. Das war so richtig mal wieder eins der Highlights wo ich mal dachte dass das Publikum, der Musiker und Musik wieder eins sind. Hat also richtig gut harmoniert.

 

GR: Also, dir ist das schon wichtig, dass das so ist. Also, nicht das sich da drüber unterhalten wird und hinten am Tresen wird gelacht.

 

KS: Ja nee, da werd ich verrückt, da komme ich total durcheinander. Also, damit kann man ein Konzert von mir richtig boykkotieren, da werd ich ganz fahrig da oben auf der Bühne.

 

GR: Du hattest in Osnabrück ja auch Mitspieler dabei, also auch mit Cello und so weiter, ist das noch weiterhin Bestandteil oder wie…

 

KS:… das kommt immer so von Fall zu Fall. Also, wenn ich zu Hause eine Konzeption für ein Stück mache und dann denke Ach hier könnte man und da und das Cello habe ich dann zu Hause auf einem Band und hör mir das an und sage dann oh ja das ist schön. Manchmal frage ich dann den ..pold ob der Lust hat, weil ich weiß dass meine Fans das Cello auch sehr gerne mögen und ruf den dann an. Frag ihn wie es aussieht, ob er Zeit hat, wie viel Geld er haben will, das gehört ja auch alles dazu. Und wenn wir dann übereinkommen sagen wir dann ok an dem Tag spielst mit, erst mal nur im zweiten Stück und dann mal gucken wie wir weiter machen. Das war bei der Zugabe, also bei der zweiten da waren ihm dann die Fingerchen schon etwas klamm. Aber da sind ja meine Elektronikkollegen hier unersättlich.  

 

GR: Wie ist das so, hast du noch den kompletten Überblick über alles was du so gespielt hast? Weil das ist ja ein Irrsinns- Output, das ist ja unglaublich was da schon gepresst und gemacht worden ist, ist dir das alles so hundertprozentig vergegenwärtig?

 

KS: Nee überhaupt nicht. Also, dafür habe ich den Klaus Dieter Müller, der also mein Archiv hat und der auch bei meine Bio wie bei Mozart  so ein Köchel-Verzeichnis anlegt, da ist alles. Und wenn ich dann mal Fragen hab, jetzt bei dem ganzen Interview-Fragen mit Zeitangaben zu den Platten, wann ist die und die raus gekommen, was ist da los, dann sag ich immer guck doch bitte mal zur Überprüfung auf der Web-Page unter KS-Schulze nach, da steht dann alles ganz genau, weil so im Kopf hab ich das nicht, kann ich ja auch gar nicht mehr so im Kopf haben. Zumal ich ja auch, wenn eine Platte fertig ist und die ist draußen und ist zwei drei Jahre alt, dann hab ich die total vergessen, weil da bin ich schon wieder bei der neuen Platte. Und dann ist das für mich wichtig und da konzentriere ich mich dann drauf, weil was hinter mir ist, ist dann halt Vergangenheit und das ist zwar schöne Vergangenheit, aber es ist nicht so dass ich mich da permanent dran orientiere, oder die dann auch noch andauernd höre oder so. Meistens höre ich die dann ewig nicht mehr. Das ist ja jetzt auch ein bisschen komisch wo ich die alten Masters bzw. Bonustracks da durchhöre, das ist ja auch eine eigenartige Begegnung mit seiner Vergangenheit.

 

GR: Das wollte ich gerade fragen, wie war das denn für dich so komprimiert. Also, erst mal aussuchen, was soll jetzt bleiben von mir und dann die eigene Entwicklung so durchs Mithören mit zu bekommen, wie ist das so für dich?

 

KS: Ja es war sehr eigenwürdig muss ich dazu sagen, denn teilweise, wenn ich dann so Irrlicht höre oder so, da hätte heute gar nicht mehr den Mut die Platte raus zubringen ja. Da, sag ich mir, da warst aber frech, einfach nur ne Platte mit Orgel und ein bisschen Orchester durchgefiltert, durch einen mehr oder weniger kaputten Verstärker gefiltert, dass das sich etwas anders anhört oder so. Aber damals waren die Mittel eben so bescheiden. Heute sagt man das müsste ja so sein und so sein da müsste da ja dann was anderes kommen. Aber da gibt’s auch wieder so Sachen, wo ich dann bei Bodylove, der kommt ja jetzt als nächstes, da war ein Stück Lasse Braun einfach nur. Von dem Film. Und da hab ich gesagt Lasse Braun da hab ich den Bonustrack gehört und da ist so ne ganz ruhige Frequenz drauf, da hab ich gedacht: \"Man den würdest du heute gar nicht mehr hinbekommen.\" Da hätte ich heute schon gar nicht mehr die Geduld zu, da müsste heute schon wieder was passieren. Und da spul ich das Ding so ganz langsam ab, ich wollte da nur mal so 10 Minuten reinhören und hab dann einfach das ganze Stück 22 Minuten lang durchgehört und hab dann gesagt: \"Mensch das ist aber ein schönes Stück.\" Hab schon überlegt ob man das nicht noch mal als Backingtape nimmt.

 

GR: Aber kann es denn was Schöneres geben, als wenn man sich dann als Künstler selbst noch hören mag? Denn es gibt ja auch viele die sagen, ach die alten Kamellen das war mal, ich bin heute ganz anders. Das ist doch schön, wenn man sich selber noch faszinieren kann oder?

 

KS: Ja und ich meine es macht ja auch Spaß und ich freu mich ja auch drüber. Denn irgendwo bin ich ja wie gesagt, wie Müller immer sagt, ich bin der größte Fan meiner Musik und ich höre das ja auch gerne. Wenn ich das jetzt so sehe bei Bodylove mein Gott das Ding ist 27 oder 28 Jahre alt, und da entdeckt man Sachen drin wo man denkt: \"Mensch siehste oder hörste. Und da wäre ich nie hingekommen, wenn jetzt nicht durch Zufall diese ReRelease-Sachen kämen.\" Ich hör ja alles noch mal durch und bin mal gespannt was ich noch alles zu hören bekomme. Es ist schon ein tolles Gefühl wenn man so Sachen hört und dann denkt: \"Mein Gott da hast aber die Ruhe weg gehabt, das ist richtig schon ästhetisch aufgebaut.\" Das find ich schon schön wobei es dann aber auch wiederum manche Sachen gibt, wo ich dann denke na ja da hast aber bisschen übertrieben, hätte man ja auch etwas ruhiger gestalten können. Aber mehr sag ich dann da auch nicht weiter zu, weil ich es in der Zeit eben optimal fand und darüber zu diskutieren, da kannst du deine ganze Vergangenheit ewig diskutieren, da kommst du zu nix anderem mehr.

 

GR: Nee das wollen wir auch nicht. Ich kann auch nur sagen, ich bin sehr gespannt was da noch alles auf uns zu kommt wenn das mindestens 40 Alben werden, dann wird das ja wohl noch über einen gewissen Zeitraum so weitergehen.

 

KS: Ja das wird noch so sein. Und vor allem zum Thema: \"Ihr braucht da ne Menge Geld\", die Platten gibt es ja längere Zeit über, ihr müsst ja nun nicht immer alle gleich kaufen. Da kann man mal da eine kaufen, dann kann man sich mal eine schenken lassen. Man kann sich ja damit auch Zeit lassen.

 

GR: Ja, aber ist es nicht auch schön das man heutzutage auch als Musiker davon leben kann?

 

KS: Ja also da bin ich meinen Fans sowieso sehr dankbar, das ich seit ungefähr 76 davon leben kann. Da bin ich denen auch sehr dankbar dafür und es gibt ja auch nicht unbedingt so viele Musiker, die seit 30, 40 Jahren immer wieder was machen und die dann immer noch die Fans haben weißt du.

 

GR: Und vor allen Dingen weltweit, wie du.

 

KS: Ja gut aber das hat den Vorteil, bei Instrumentalmusik ist das ja dann auch noch ein bisschen leichter. Während andere Leute die mit Vocals und wahrscheinlich noch mit deutschen Vocals arbeiten, die haben natürlich schlechte Karten dann. Aber die ganze Fangemeinschaft wurde ja auch langjährig aufgebaut und die Leute haben dann auch gesagt, ach na ja die und die Platte fand ich ja nicht so toll und die nächste fanden sie dann wieder schön und so.

 

GR: Und dann gehört es dazu, wie bei mir auch, man hat ja Sammlungen und da müssen alle Scheiben da rein.

 

KS: Ja das ist auch wahr.

 

GR: Aber ich denke du wirst schon gemerkt haben, das bei verschiedenen Scheiben, die Verkaufszahlen unterschiedlich waren, aber hat dich das jemals beeinflusst?

 

KS: Nein das kann es ja auch nicht, denn ich bekomme ja auch Fanpost und E-Mails und so was, da haben 10 Fans dann fünf verschiedene Meinungen. Wenn du dann wirklich Rücksicht drauf nehmen wollen würdest, was die haben wollen, geht das sowieso nicht. Zweitens bin ich der Meinung, das ist meine Musik, die mache ich in erster Linie erst mal für mich und die Fans können sie ja dann kaufen oder auch nicht kaufen.

 

GR: Hier sollten sie jeden Falls kaufen!

 

KS: Ja wäre angenehmer, da freuen sich alle drüber. Vor allem weil das wirklich stilvoll ist, und das war so ein Vorschlag von mir, das die Platten sich auch wie Vinyl anfühlen, weißt du. Und so kleine Schmankerl, da haben die gesagt, ja müssen wir mal probieren, haben wir noch nie gemacht, müssen wir mal gucken, tja und bei der ersten Auflage war sie glatt, da haben sie dann gesagt, da müssen wir noch mal was dran ändern, ab der zweiten Auflagen ging es dann aber wirklich hervorragend. Und sie haben halt auch rumprobiert, was ich schön finde ist aber, dass sie sich dann auch die Mühe geben. Sie sagen dann nicht, ach das geht nicht anders, sonder die fragen dann den Grafiker oder irgendeinen im Presswerk, wie bekommt man denn hier so ein bissel Dreidimensionalität auf die Rückseite der CD und dann bekommen die das raus, schicken mir das zu, ich sag wahnsinnig toll, machen wir die ganze Auflage so.

 

GR: Ja Klaus, dann freu ich mich auf die weiteren folgenden Teile von Inside Out und hoffe das da noch einige Schmankerl kommen, aber da hab ich keine Sorge und danke dir recht herzlich fürs Gespräch.

 

KS: Ich dank dir auch und wünsch euch viel Spaß und nochmals vielen Dank für das Interesse, das freut einen immer wieder, vor allem jüngere, dafür interessieren.

 

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Die Interviews

 

Telefon 2008

 

KLAUS SCHULZE und LISA GERRARD zum gemeinsamen Album Farscape 

 

GR: =  Lars Fischer für die GERMAN ROCK NEWS

 

KS: =  Klaus Schulze

 

LG: =   Lisa Gerrard von Dead Can Dance

 

In der Kunst kann man nicht lügen

 

Elektronische Musik und Gesang, das geht selten gut. Klaus Schulze, einer der nach wie vor unangefochtenen Koryphäen am Synthesizer, weiß das nur zu gut. Für die Kollaboration an seinem neuen Album Farscape hat er allerdings mit Lisa Gerrard eine Ausnahme-Vokalistin gewinnen können. Sowohl für die Sängerin, die mit der Formation Dead Can Dance erfolgreich die Grenzen zwischen Neoklassik, Weltmusik und Rock einriss, als auch für den Keyboarder erschließen sich mit dieser zweieinhalbstündigen Doppel-CD neue Klangwelten.

 

In separaten Telfoninterviews – Schulze aus seinem heimischen Studio bei Celle, Gerrard von ihrer Farm in der Nähe Melbournes – erzählen beide von der Zusammenarbeit und, besonders im Falle der Australierin, ihrer Sicht auf die Welt:

 

KLAUS SCHULZE

 

GR: Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit Lisa Gerrard gekommen?

 

KS: Ich kannte sie natürlich von den ganzen Dead Can Dance-Scheiben und fand es immer wahnsinnig toll, wie sie in ihrer ganz eigenen Sprache singt. Man weiß gar nicht, ist das jetzt orientalisch, bulgarisch, russisch, türkisch oder was auch immer? Als ich dann noch Gladiator mit ihrer Filmmusik gesehen habe, da habe ich meinen Manager einfach mal darauf angesetzt. Der hat sie dann über mehrere Ecken ausfindig gemacht und wir haben zusammen telefoniert. Sie kannte auch meine Musik und wir haben uns sofort gut verstanden. Als sie im vergangenen November in Europa auf Tour war, ist sie nach ihrem letzten Konzert von Moskau direkt hier nach Hambühren gekommen. Wir hatten sofort einen guten Draht zu einander. Das hatte ich nach den ersten Telefonaten auch schon so eingeschätzt, aber wirklich wissen kann man nie, ob das dann tatsächlich so klappt. Es war fantastisch: Wir waren nach zwei Tagen mit den Aufnahmen fertig und dann habe ich mich erstmal zurückgezogen und alles abgemischt und arrangiert. Wir hatten vier bis fünf Stunden Material, da hätte ich es nie geschafft, das auf eine CD zusammen zu stutzen. Wir haben uns dann für eine Doppel-CD entschieden, aber im Grunde hat Lisa mir da völlig freie Hand gelassen und ich konnte alles so editieren, wie ich wollte. Sie hat dann nur die fertigen Mixe noch abgenickt.

 

GR: Aber deine Musik war schon vor diesen zwei Tagen entstanden?

 

KS: Ja natürlich, das war insofern vorbereitet, als dass alle Spuren aufgenommen waren. Aber die liefen eben alle ab dem ersten Takt gleich laut durch. Ich habe dann mit ihr angesprochen, was sie am lautesten auf ihren Kopfhörern haben möchte – das waren eigentlich nur die Harmonien und etwas Schlagzeug. Sie hat direkt, ohne sich die Stücke vorher anzuhören, dazu gesungen, das war ihr ganz wichtig. Ich habe dann nur noch Tom Dans dazu geholt, denn der hat einfach mehr Erfahrungen mit Gesangsaufnahmen als ich. Sie hat sich da hingestellt und gesungen – und alles stimmte sofort. Wir haben nichts ein zweites Mal aufgenommen, weil sie so sauber und intonationssicher singt. Danach habe ich dann allerdings noch mal zirka zwei Wochen gebraucht, um das alles zu arrangieren.

 

GR: Es sind kaum Solostimmen von deinen Synthesizern zu hören. Hast du dich absichtlich weit zurückgenommen?

 

KS: Es gibt ein paar Soli, aber die sind sehr leise und gehen in der Harmonie-Struktur fast unter.  Das sind eher so Leitmotive, ähnlich wie bei Wagner. Richtige Soli wären ein Bruch gewesen. Ich wollte nur die Umgebung schaffen und die Stimme als Zentrum lassen. Ich hätte auch hier und da noch ein Moog-Solo dazu einspielen können, aber ich habe mich dann während der Produktion dazu entschlossen, dass es eben eine wirkliche Kooperation und nicht eine Klaus Schulze-Platte mit Gastgesang werden sollte. Dafür ist der Gesang einfach auch viel zu gewichtig. Also haben wir das als gemeinsames Projekt angesehen. Die Zusammenarbeit hat uns auch so viel Spaß gemacht, dass wir das sicher noch mal wiederholen werden. Das wurde alles so intensiv, dass ich einfach meine geplante Solo-CD verschoben habe. So kam dann auch das Angebot von Lisa, dass sie gerne bei dem Konzert auf der Loreley dabei wäre.

 

GR: Aufnahmen mit Gesang werden in der Elektronik-Szene meist sehr argwöhnisch gesehen. Was hat dich dazu bewogen, wieder mit einer Sängerin zu arbeiten?

 

KS: Nicht mit „einer“, sondern nur mit dieser! Ich habe ja auch noch eine fertige Oper in der Schublade liegen, aber darauf hatte ich keine Lust. Mich hat diese Stimme ohne Text fasziniert. Texte nageln einen immer auf ein Thema fest. Mir ist es lieber, wenn ich mit der Emotion und mit der ganzen Fantasie spielen kann. Ich wollte nur Stimme als Klangfarbe, als Solo-Instrument, wenn man so will. Aber konventionellen Gesang mit Text mag ich auf meinen Solo-Platten nicht hören.

 

Wenn ich mit jemandem zusammenarbeite, dann muss der sich völlig selbständig in die Musik einfügen. Ich sage demjenigen nicht, was er machen soll. Wenn es passt, dann wird eine Platte daraus und sonst eben nicht. Da trennt sich sehr schnell die Spreu vom Weizen, denn da muss jeder sein Ego einbringen. Das geht nur mit Künstlern, die unkonventionell sind. Mir fällt außer Lisa Gerrard eigentlich keine andere Sängerin ein, die so perfekt in meine Musik hinein passt.  Sie singt einfach aus einem Gefühl heraus und das ist nicht aufgesetzt.

 

Das Ganze ist natürlich schon sehr schwere Kost, aber wir haben einfach das gemacht, was wir wollten und was gut zusammen passt. So weit ich weiß, hat sie nie Kompromisse gemacht und ich auch nicht. Aber ich glaube, die Fans sind auch darauf vorbereitet, dass das nicht unbedingt eine „Tanz in den Mai-Nummer“ wird! Aber ich bin schon auf die Reaktionen gespannt. Eigentlich mögen meine Fans Gesang überhaupt nicht, aber bei einer solchen Gelegenheit kann ich da keine Rücksicht drauf nehmen.

 

GR: Vor rund 30 Jahren hast du mit Arthur Brown gearbeitet – gibt es da Parallelen?

KS: Der ist auch absolut unkonventionell mit seinen sehr verdrehten und verrückten Phrasierungen oder seinen improvisierten Texten. Das hat auch viel Spaß gemacht. Die Arbeit mit Arthur war durchaus ein bisschen so wie mit Lisa. Aber er hat öfter abgesetzt und sich überlegt, was er wo macht. Es war nicht so in einem Guss. Und es waren eben auch Texte, aber gerade bei Shadow Of Ignorance ist der Inhalt auch sehr abgedreht. Den habe ich übrigens geschrieben. Live war es jedes Mal anders, weil er auch improvisiert hat. Wir hatten auch nie vorher geübt oder so. Das Eigenartige war, er hatte dabei eine ganz andere Stimme gehabt als sonst! Am Anfang klingt sein Gesang ja fast ein bisschen opernhaft und sehr dramatisch. Wir haben live immer nur eine Konzerthälfte zusammen gespielt, nicht den ganzen Abend. So werde ich das mit Lisa jetzt auch machen. Da nehme ich doch Rücksicht auf das Publikum, das mich eben auch immer gerne allein hören möchte.

 

GR: Kannst du benennen, welche Erlebnisse Einfluss auf deine Musik haben?

 

KS: Das kann alles mögliche sein, dass sich unbewusst einschleicht, aber eine direkte Umsetzung gibt es bis heute nicht in meiner Musik. Das geht mir genauso mit einem Film, der mich beeindruckt. Natürlich hat das Einfluss auf mich, aber nicht so offensichtlich. Es gab auch nie Musiker oder Komponisten, die mich so direkt beeinflusst haben. Subtil kommt aber natürlich alles irgendwo auch wieder raus. Irgendwo wird sich alles sicher mal äußern, aber nicht eins zu eins...

 

GR: Nach der langen Rerelease-Reihe deiner Solo-Alben sollen jetzt peu a peu auch die Aufnahmen der 50-CDs umfassenden Ultimate Edition wieder erscheinen. Wie viel Interesse hast du selber noch an diesem Material?

 

KS: Das hat ja mein Verleger und Freund Klaus D. Müller alles ausgewählt, da weiß er besser Bescheid als ich. Das sind Sachen, die hat man mal gemacht. Dann hat das eine Entwicklung genommen und die sind irgendwann einfach auch erledigt für mich. Wenn ich etwas wissen will aus der Zeit, dann gucke ich auch immer in The Works nach. Was sich Müller da an Arbeit gemacht hat ist ungeheuerlich. Ich weiß das meiste davon gar nicht mehr... Die Platten kriege ich grob auf die Reihe, meistens vertue ich mich nur um ein Jahr oder so.

 

LISA GERRARD

 

GR: Wie war für dich die Zusammenarbeit mit Klaus Schulze?

 

LG: Ich kannte seine Musik schon bevor die Anfrage vom Management kam. Ich habe ein paar CDs von ihm und ich liebe es, sie zu hören, weil es so erholsam ist. Als wir das erste Mal zusammen am Telfon sprachen war fast automatisch eine tiefere Verbindung zwischen uns da. Ich mochte ihn und hatte ein gutes Gefühl, außerdem fand ich es sehr interessant mit ihm zu arbeiten. Als wir uns dann in seinem Studio trafen hatte er um die sieben Stunden Musik vorbereitet – unglaublich! Wir haben am ersten Tag zwei und zweiten drei Stunden lang meinen Gesang aufgenommen und es war ganz anders als alles, was ich bisher gemacht habe. Sehr improvisiert, aber eine wundervolle Erfahrung. Normalerweise arbeite ich ganz anders, die Musik ist beinahe architektonisch aufgebaut. Aber ich habe diese hypnotischen, fast transzendentalen Klänge sehr genossen.

 

GR: Elektronische Klänge waren immer ein Teil Deiner Musik, aber sie war nie darauf so reduziert wie bei Farscape. War das auch eine Herausforderung?

 

LG: Nein, die Musik war so stromlinienförmig, ich konnte mich da sofort hineinbegeben. Es ist sehr lebendig und ich habe sofort ein Gefühl dafür entwickeln können. Ich muss mich selber in der Musik verlieren können, um dazu zu singen und das ist mir hier extrem leicht gefallen. Dann entsteht sehr schnell ein Dialog.

 

GR: Elektronische Musik wird ja oft als kalt und gefühllos beschrieben – aber hier ist es anscheinend genau anders?

 

LG: Ja, das ist doch alles sehr homogen und fließend. Klaus hat mir fast nebenbei an seinen Synthesizer gezeigt, wie er diese organischen Sounds hinbekommt. Er ist da so versiert und erfahren und ich habe in diesen kurzen Momenten sehr viel gelernt. Außerdem schafft er es, dass alles sehr sanft klingt. Irgendwie spiegelt sich so viel von seiner Person in dieser Musik wider.

 

Als wir am ersten Abend fertig waren habe ich darüber nachgedacht, wie man es hinbekommt, den Kern dieser Zusammenarbeit deutlicher herauszustellen. Wir haben das ganze dann noch minimalistischer versucht und das war ein sehr interessanter Ansatz. Man kann in der Musik hören, was in den Menschen, die sie machen, vorgeht. Als ich mich von Klaus verabschiedet habe, da saß er schon wieder im Studio und war dabei alles abzumischen. Er verschwendet keine Zeit, sondern er geht einfach sofort wieder an die Arbeit. Wenn man mit ihm arbeitet, dann lädt er einen in eine wunderbare Welt ein.

 

GR: Wenn du im Studio und stehst und singst, wo sind dann deine Gedanken?

 

LG: Ich gehe auf Reisen. Die Musik macht mit mir dasselbe wie mit den Hörern später, manchmal fallen mir Dinge wieder ein, die lange zurück liegen. Was ich wirklich erreichen möchte mit meiner Stimme, ist die Essenz der Liebe herauszufiltern. Als ich zu Klaus kam öffnete sich da für mich einfach ein Tor mit guten Gefühlen dahinter und das versuche ich auszudrücken. Manchmal visualisiere ich einfach Dinge wie in einer Collage, aber ich kann es nicht wirklich erklären… Es ist einfach eine fast unsteuerbare Reaktion, die in Gang kommt, sobald mein Herz berührt ist. Die Töne kommen von innen, manchmal denke ich an eine Person dabei oder an einen Wald oder einen Ozean. Manchmal sitze ich alleine auf einem Felsen inmitten des Meeres und empfange oder verschicke Botschaften an unsichtbare Dinge.

 

GR: Im Grunde ist es aber nicht erklärbar, woher die Inspiration kommt.

 

LG: Ich denke es ist etwas davon in jedem von uns, man muss nur eine Verbindung dazu herstellen können. Es ist wie mit einer realen Person. Plötzlich spürst du eine Anziehung, obwohl du kaum mit demjenigen gesprochen hast. Das ist sehr abstrakt und man weiß gar nicht, warum, aber die Energie ist einfach da. Genauso geht es mir mit Musik. Ich muss mich ihr nahe fühlen und sie intuitiv mir öffnen können. Manchmal macht mir das ein wenig Angst, es ist fast wie eine elektrische Strömung, die auf mich einfließt. Deshalb muss ich auch sehr schnell arbeiten, denn wenn ich nicht diese erste Welle sofort ausnutze, dann habe ich das Gefühl, ich erschaffe nur etwas Durchschnittliches. Es ist besser für mich, wenn ich die Musik nicht vorher kenne, deswegen ist es auch sehr schwierig zu Musik zu singen, die ich selbst komponiert habe. Die muss ich solange liegen lassen, bis ich sie völlig vergessen habe und dann erst kann ich dazu singen. Manchmal verwirre ich mich selber absichtlich, in dem ich Tempo oder Tonart verändere, damit ich wieder neu an das Stück herangehen kann. Wenn es nicht instinktiv geschieht würde es sich für mich nicht wahr anfühlen.

 

Manchmal möchte man ja einfach nur durch den Wald gehen und in sich aufnehmen, was da ist. Und du kommst da wieder heraus und fühlst dich seltsam. Es ist so als ob ich mit ganz organischen Energien in Verbindung gekommen wäre. Ich muss auch immer ein Studio quasi in Bereitschaft haben, damit ich jederzeit die Möglichkeit habe dann aufzunehmen, wenn es sich für mich richtig anfühlt – das ist für Leute, die mit mir arbeiten, nicht immer ganz einfach.

 

GR: Schreibst du Ideen auf oder wird alles sofort aufgenommen.

 

LG: Nein, ich schreibe schon Songs, aber ich warte auf die Texte, die inmitten der Musik wachsen. Oft sind die dann in einer nicht-intelligenten Sprache, die aber alle verstehen können. Viele Menschen mögen meine Arbeit deswegen wohl auch nicht, die meinen, das sei Müll. Aber das ist ok, wir lieben ja auch nicht alle dieselbe Person. Liebe ist etwas wunderbar Starkes, manchmal schmerzhaft und sehr dunkel. Das Gefühl ist so vielschichtig und das kann Musik ausdrücken. Im Englischen gibt es nur ein Wort dafür. Ich wünschte wir hätten verschiedene Ausdrücke für alle möglichen Lieben, wie im Persischen. Wir können nur unterscheiden zwischen „Mögen“ und „Lieben“, aber man liebt seinen Partner anders als seine Kinder, weil die Liebe zu ihnen bedingungslos ist. Und du liebst deine Pferde wieder anders. Ich liebe meinen Techniker, aber doch nicht so wie meinen Ehemann!

 

GR: Wie ist Dein Bezug zur Sprache?

 

LG: Meine liebste Sprache ist Isländisch, weil es so komplex ist. Durch diese präzisen Bezeichnungen wird viel Konfusion vermieden, glaube ich. Ich weiß allerdings nicht mehr, warum ich das genaue Gegenteil mache. Ich war sechs oder sieben Jahre alt als ich anfing in nicht-intelligenter Sprache zu singen. Ich kann mich nicht erinnern, was in meinem Kopf damals vorging, aber ich weiß noch genau, wie es sich in meinem Herzen anfühlte. Ich machte einfach Klänge und ich konnte keine Verbindung zu konkreten Begriffen herstellen. Es ergab keinen Sinn, für mich waren die Resonanzen entscheidend und das Gefühl, es einfach so machen zu müssen. Ich hatte keine Kontrolle darüber. Ich glaube so geht es vielen Tänzern auch: Sie können nichts daran ändern, sie müssen sich einfach bewegen, selbst ohne Musik. Ich glaube das ist eine Form der Kommunikation und des menschlichen Verhaltens, die uns immer ein wenig in Verlegenheit bringt. Wir wollen damit nicht in Kontakt treten, weil es uns verwundbar macht. Das macht es in der Tat, ich habe für meine Arbeit so viel Kritik einstecken müssen. Manche hochintelligente Menschen mochten meine Musik, aber sie wurden wütend und verletzend, weil ich sie ihnen nicht auf intellektueller Ebene erklären konnte. Aber davon habe ich mich nie beeinflussen lassen, ich kommuniziere als Künstlerin in Dialogen, die für mich wertvoll sind. Ich kümmere nicht darum. Ich liebe, was ich tue und wenn das so ist, dann werden andere es auch lieben. In der Kunst kann man nicht lügen. Ich weiß eben nur mit meiner Seele zu singen.

 

Wir sind alle mit anderen Lieben und unterschiedlichen Inspirationsquellen gesegnet. Durch die Kunst sind wir in der Lage auf vielen unterschiedlichen Levels miteinander zu kommunizieren. Alle diese schönen Gefühle wie Leidenschaft, Vertrauen, Gnade oder Ruhm zerstören wir. Wir öffnen uns überhaupt nicht den Möglichkeiten eines freiheitlichen, spirituellen Lebens. Ich glaube, wir sind ganz einfach bloß Wesen, die verzweifelt versuchen in einer materialistischen Welt zu überleben. Gott sei Dank gibt es Musik oder Tanz, wo wir ganz unschuldig den Intellekt hinter uns lassen können. Darum ist die Liebe zu meiner Musik genauso bedingungslos wie zu meinen Kindern. Es ist wie ein Geschenk und ich kann manchmal gar nicht glauben, dass ich noch immer damit weiter machen kann.

 

GR: Ich bin 2005 rund 1000 Kilometer gefahren, um dich in  Den Haag mit Dead Can Dance zu sehen.

 

LG: Das ist genau, was ich meine. Ich würde dasselbe tun, wenn mir etwas wichtig ist, egal wie weit ich dafür reisen muss. Wenn man einen Freund besucht ist es ebenso. Du hast mich unterstützt, indem du dahin gekommen bist, und ich habe dich dadurch unterstützt,  dass ich dort war.

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