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Gila, Stuttgart» ist aufgelöst

Biografie

GILA Bio 

Gila aus dem Raum Stuttgart spielten seit Anfang 1969 Psychedelic und progressiven Rock in großenteils freien Improvisationen.

Ihre erste LP, Gila – Free Electric Sound (BASF 2021109-6) wurde 1971 veröffentlicht. Der Untertitel Free Electric Sound – wenn man ihn überhaupt so nennen darf – stand nur auf der rechten Innenseite des Covers, nirgends sonst. Es wirkten mit: Der Bibliothekar und Chemiestudent Fritz Scheyhing (*2.10.1944 in Schmie bei Maulbronn) am Mellotron und der Orgel, der gelernte Schriftsetzer Walter Wiederkehr aus der Schweiz am Baß, Daniel Alluno aus Bordeaux am Schlagzeug, der erst im November 1970 eingestiegen war, und der Kunststudent Wolf Conrad „Conny“ Veit (*6.5.1949 in Stuttgart) an der Gitarre und als Sänger. Der gab sich wahrheitswidrig als Verwandter des bekannten deutschen Schauspielers Conrad Veidt aus und schrieb sich deshalb auf der Platte „Veidt“. Das Geld für die Aufnahmen im Dierks-Studio in Stommeln, 20000 Mark, hatte ihnen ein Freund geliehen, Diplom-Ingenieur Rustige, der die Gruppe fördern wollte. Mit dem Geld, das sie nachher von BASF für den Bandübernahmevertrag bekamen, zahlten sie die 20000 Mark zurück. Der große Vorteil dabei war, dass sie bei den Aufnahmen volle künstlerische Freiheit genossen und sich von keinem Labelmanager hineinreden lassen mussten. Die LP war edel aufgemacht, im Klappcover und bei einem Teil der Auflage – erkennbar an einem roten Aufkleber rechts unten auf der Vorderseite – mit beiliegendem Poster in der Größe von 60 x 60 cm. Das Bild auf der rechten Innenseite wurde damals von Bernd Neumann geknipst, der mit ihnen befreundet war und Photographie studierte. Es zeigt von links nach rechts Conny Veit, Daniel Alluno, Walter Wiederkehr und Fritz Scheyhing. Da der Chemieriese auch damals schon weltweit gut aufgestellt war, erreichten Gila gleich mit dieser ersten LP eine große Verbreitung. So erschienen noch im selben Jahr 1971 wie die deutsche Ausgabe auch Lizenzausgaben in Brasilien und Frankreich, vier Jahre später in Neuseeland, alle drei im gleichen Klappcover wie die deutsche Pressung, von abweichenden Bestellnummern und Logos mal abgesehen. Auf dem Label der neuseeländischen Ausgabe sieht man gleich zwei derbe Schnitzer: Zum einen wurde der Gruppenname dort Cila statt Gila geschrieben, zum anderen lautet der (Unter-)Titel da „Free electronic sound“ statt richtig Free Electric Sound.

Das BASF-Label wurde nach wenigen Jahren schon 1976 eingestellt, und die Gila-Rechte gingen auf Fonoteam in Hamburg über. Mit deren Erlaubnis gab es mehrere Neuausgaben. Eine davon kam 1983 (Peak/LRS 2021109-6) in Deutschland heraus. Dahinter steckte Peter Garattoni, ehemaliger Schlagzeuger von Nexus und Eulenspygel, mit seinem Spygel-Tonstudio und Gama-Verlag. Für die Klapphülle wurden offenbar dieselben Druckvorlagen benutzt wie für die Erstauflage. Es gibt, abgesehen vom Label, nur drei Unterschiede dazu: Erstens fehlt das Poster, zweitens sind die Innenseiten glanzbeschichtet anstatt matt, und drittens findet sich auf der Rückseite ein kleiner hellblauer Aufkleber mit der Bemerkung „Mit freundlicher Genehmigung von Fonoteam“. Weitere Ausgaben erschienen 1997 (Second Battle SB LP 021) und 2008 (SB LP 071), beide wieder mit Poster. Doch gibt es kleine Unterschiede: Während das Original-Poster von 1971 nur 39 Gramm wog, sind es beim Nachdruck von 2008 genau 61 Gramm. Außerdem ist das ursprüngliche Poster matt, während der Nachdruck in Halbglanz ausgeführt wurde. Gewissenlose Händler nutzten die Ähnlichkeit, um ihren posterlosen Originalpressungen den Nachdruck beizulegen, ohne ihn als solchen zu kennzeichnen, und die Platten damit viel teurer verkaufen zu können. Der Ausgabe von 2008 liegt außerdem ein achtseitiges Booklet mit den Abmessungen 25 x 25 cm bei; darin findet sich eine kleine Gila-Geschichte, geschrieben von Wolf-Reinhart Kotzsch, in deutscher und in englischer Sprache. 1992 erschien eine CD (Second Battle SB 021). Es gab sie anfangs in der üblichen CD-Box (ohne Poster), später im Digipak (mit Poster). Eine weitere war für Anfang 1999 angekündigt (ZYX 70012-2), wurde aber aus rechtlichen Gründen gestoppt. Die Bootleg-CD (Eclipse Records ECL 1006) von 2015 ist sehr billig aufgemacht und stammt offenbar von der wohlbekannten Berliner Plattenmafia. Die Ausgabe von 2017 (Garden of Delights CD 179) enthält einige bis dahin unbekannte Bilder aus Gilas Frühzeit, geknipst von Hans Daniel Sailer. Im Beiheft der vorliegenden LP-Ausgabe findet man noch weitere. Alle diese Nachauflagen, ob als LP oder als CD, haben als Hülle das gleiche geschmackvolle Bild wie die Erstauflage, gestaltet von Fritz Mikesch und Marlies Schaffer. Es ist nicht genau bekannt, wie viele LPs der Erstausgabe damals gefertigt wurden, doch werden es nur wenige tausend Stück gewesen sein. Und die Lizenzpressungen sind noch deutlich seltener.

Zwischenzeitlich hatten Gila auch mal vor, zusammen mit drei anderen Gruppen – Sally Flip, Hotzenplotz und, unter Vorbehalt, Wolfgang Dauner – eine Doppel-LP herauszubringen, im Eigenverlag und Eigenvertrieb. Sie sollte den Endverbraucher nur etwa 15 DM kosten. Doch daraus wurde nichts. Ebenfalls nicht verwirklicht wurde ihr Plan, ein eigenes Tonstudio einzurichten. Wer selbst die Miete für die Wohngemeinschaft nur mit Mühe aufbringen kann und sein Geld lieber für Tabak und dergleichen ausgibt, muss solche teuren Wünsche eben hintanstellen.

Am Samstag, dem 26.2.1972, spielten Gila in einem Saal des Funkhauses in Köln und wurden live in der „Nachtmusik im WDR“ des Westdeutschen Rundfunks gesendet. Da der WDR nur die Senderechte erworben hatte, die Leistungsschutzrechte aber bei den Künstlern liegen, stand einer Veröffentlichung auf Tonträger nichts im Wege. Die den heutigen Ansprüchen nicht ganz genügende Aufnahme wurde mit den neuesten technischen Möglichkeiten aufs sorgfältigste entrauscht und gereinigt, aber nicht verändert. Erfreulicherweise sind alle Stücke bisher auf Platte unbekannt. Sie erinnern in ihrer Art an die erste Gila-LP und stehen ihr in nichts nach. Das letzte Stück, The Needle, wurde, wie in der „Nachtmusik im WDR“ zum Teil üblich, ausgeblendet, als die Sendezeit vorüber war. Einen vollständigen Mitschnitt davon gibt es leider nicht. Nach den ersten Takten dieses Stücks hört der Doors-Kenner übrigens deutliche Anklänge an The End heraus. Diese Anleihen habe er, bewusst oder unbewusst, gelegentlich gemacht, sagt Gitarrist und Doors-Liebhaber Conny Veit. Das Stück handelt übrigens von einem Mädchen aus seinem Bekanntenkreis, das dem Heroin verfallen war. Die besondere Kostbarkeit dieser Bänder liegt darin, dass es neben den LPs offenbar die einzigen erhaltenen Aufnahmen der Gruppe überhaupt sind.

Als erstes erschien 1999 eine CD mit diesen Aufnahmen unter dem Titel Night Works (Garden of Delights CD 035), die nach wie vor lieferbar ist. Das Umschlagbild wurde von Gitarrist Conny Veit selbst gemalt. Inzwischen gibt es die CD auch als täuschend echt nachgemachte russische Fälschung (englisch Counterfeit), die in Osteuropa zu unschlagbar günstigen Preisen angeboten wird, ebenso wie ein paar weitere Fälschungen von Garden-of-Delights-CDs. Wer genau hinsieht, findet ein paar Unterscheidungsmerkmale zur echten Vorlage: Am ehesten fällt das gröbere Papier der Fälschung auf. Während das Booklet des Originals nur 28 Gramm wiegt, sind es bei der Kopie 39 Gramm, bei gleicher Anzahl von 32 Seiten. Deshalb lässt sich dieses Heftchen nur sehr mühsam in die handelsübliche Schachtel (englisch Jewel Case) hineinschieben und wieder herausziehen und wird dabei schnell beschädigt. Die sogenannte Inlaycard – also der hintere Einleger – ist bei der Fälschung auf der Innenseite schwarz statt unbedruckt weiß. Die Photos sowie die Cover- und Labelabbildungen der Diskographie sind gescannt und erscheinen deshalb etwas matschig. Der Silberling selbst ist besonders gut nachgemacht und nur bei ganz genauem Hinschauen zu unterscheiden: Die LC-Nummer (Labelcode-Nummer) 1597 wurde in einer anderen Schriftart neu gesetzt. Die Auflistung der Stücke usw. wurde eingescannt und wirkt daher etwas verwaschen. Selbst die kleine Schrift im Innenring des Silberlings wurde täuschend echt gefälscht und gibt vor, die CD sei im Juli 1999 bei P+O im niedersächsischen Diepholz gefertigt worden. Nur im direkten Vergleich lassen sich ein paar feine Unterschiede der Schrift erkennen. Zehn Jahre nach der ersten CD-Ausgabe, 2009, meldete sich ein Berliner Schallplattenhändler bei Gila-Keyboarder Fritz Scheyhing und fragte ihn nach den Rechten für eine Veröffentlichung als Vinyl-LP. Fritz stimmte zwar grundsätzlich zu, ohne dass die beiden aber schon etwas Festes vereinbart hätten. Doch dann erschien die Platte auch schon als Free Electric Rock Quelle: Garden Of DelightsSession (Second Battle SB LP 072), ohne Vertrag und ohne dass Fritz auch nur die geringste Lizenzzahlung dafür bekommen hätte. Es wurden 1000 Stück gefertigt, und zwar 900 auf schwarzem und 100 auf gelbem Vinyl, aber beide mit der gleichen Bestellnummer und dem gleichen Logo. Es wurde nicht das Umschlagbild der CD übernommen, sondern Bildelemente der ersten Gila-LP abgekupfert und etwas verfremdet neu zusammengefügt. Angeblich wurden die Aufnahmen remastered, doch wurde das Mutterband dafür nicht angefordert. Es wurde also die CD als Vorlage verwendet und nur ein bisschen an den Knöpfen gedreht. Da diese Ausgabe zu gesalzenen Preisen verkauft und künstlich knappgehalten wird, erschien drei Jahre später, 2012, eine illegale Ausgabe auf dem offenbar russischen B13-Label (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen legalen englischen Label), unter dem Titel Live In Koeln, 26 February 1972 (B13 B170), die vergleichsweise billig verhökert wird – was keine Kunst ist, wenn man nichts für die Rechte und nichts an die GEMA bezahlt. Sie wurde auf orangefarbenem Vinyl gepresst – eigentlich heißt es ja Polyvinylchlorid oder kurz PVC, denn Vinyl ist bei Raumtemperatur gasförmig. In der Mitte klebt eine Art von verkleinertem Label, mit nur 4 cm Durchmesser, dunkelblaues Papier, unbedruckt. Die Platte hat kein Cover im eigentlichen Sinne, sondern steckt in einer durchsichtigen Hülle. Dort hineingeschoben ist ein ebenfalls durchsichtiger Einleger im annähernd gleichen quadratischen Format, der einseitig dunkelblau bedruckt ist mit den Angaben, die man so erwartet: Songtitel, Besetzung, Labelname, Bestellnummer, Erscheinungsjahr usw. Auf den ersten Blick wirkt es so, als sei die Platte selbst damit bedruckt, doch die ist rein orangefarben, bis auf das besagte blaue „Label“ um das Mittelloch herum. Ganz unten findet sich die irreführende Angabe: „Licenced by Alfa/RVI. Tokyo“ – doch das sind in Wirklichkeit Fake News, wie Herr Trump sagen würde, lizensiert wurde überhaupt nichts. Und des Weiteren liest man dort: „Ltd. edition 500 copies“. Welchen Wert eine solche Behauptung hat, kann man sich vorstellen: gar keinen. Die beiden russischen Worte in kyrillischer Schrift weisen auf das Presswerk beziehungsweise die Plattenfirma „Mirumir“ hin. Der Labelname B13 ist übrigens so gestaltet, dass es bei flüchtigem Hinsehen aussieht wie BB – und genau diese Angabe findet man dementsprechend auch manchmal, wenn die Platte von schlampig arbeitenden Händlern, die nicht richtig hinschauen, zum Kauf angeboten und gelistet wird. Die besagte Aufmachung mit farbigem Vinyl, durchsichtiger Hülle und bedrucktem durchsichtigem Einleger ist übrigens üblich beim B13-Label, auf dem es inzwischen schon Dutzende von Live-Bootlegs gibt, etwa von Guru Guru (ebenfalls von Garden of Delights geklaut), Amon Düül, Can, Kraftwerk, Cream, Fotheringay, den Doors, den Yardbirds, den Mothers Of Invention, Gentle Giant, Soft Machine, Velvet Underground, Fleetwood Mac, Matching Mole oder Caravan. Wer sie zum Kauf anbietet, macht sich strafbar. Um diesem Missstand abzuhelfen, erschien 2018 eine rechtmäßige LP-Ausgabe von Night Works (Garden of Delights LP 035), mit der gleichen Covergestaltung wie die CD und mit zwölfseitigem Heft im LP-Format, limitiert auf 1000 Stück und einzeln von Hand durchnumeriert.

Ein Rückblick von Fritz Scheyhing, dem letzten Überlebenden von Gila: „Bandgeschichten haben es an sich, dass sie aus der Sicht jedes Bandmitglieds anders klingen. Das ist ein Gesetz – und hier ist meine persönliche Geschichte von Gila. Es war eine faszinierende Zeit – wir waren damals alle auf der Suche, gierig, süchtig nach irgendwas, was wir in nächtelangen Sessions fast zu fassen bekamen, um es dann am nüchternen Morgen wieder verblassen zu sehen. Aber jetzt zur Geschichte:

1965 hieß es, dieses Jahr trifft sich im Sommer alle Welt an der Côte d’Azur – unter der Brücke in Saint-Aygulf bei Fréjus. Also hab ich das Studium geschmissen, ein halbes Jahr in den amerikanischen Barracks gejobbt, um etwas Knete für den Anfang zu haben, und dann zu Hause gesagt: „Ich bin weg.“ Südfrankreich 1965 – kurz nach dem Algerienkrieg – darüber kann man viel erzählen, aber das wäre eine ganz andere Geschichte. Dort habe ich Walter aus der Schweiz kennengelernt, unseren Bassisten. Wir haben Blues und Swing gespielt – in den Cafés von Saint Tropez und Nizza und Cannes, aber auch auf der Jacht von Charles Aznavour. Zurück in Deutschland habe ich dann studiert. Walter hat in der Zeit sein halbes Jahr Militärdienst (größtenteils im Militärknast) abgesessen. Als er nach Deutschland nachkam, hingen wir mit Freunden immer in einer Clique zusammen, lange bevor die Zeit der Kommunen populär wurde. Erst in Stuttgart beim ,Fürst‘ (ein echter Prinz), später dann in der Mühle (gemeint ist die Scheffelmühle in Höfingen/Leonberg) bei meinem Cousin Charlie (Hans Daniel Sailer, heute bekannter Bildhauer). Das ist sozusagen das Geburtshaus von Gila.

Herbst 1968: Die Lage in Deutschland wurde ungemütlich, und der Winter stand vor der Tür, draußen war alles nass und kalt, wenn wir im Tal aus der Mühle, wo wir hausten, ins Freie gingen – also haben wir uns kurz entschlossen auf den Weg nach Marokko gemacht. Marokko: Tausendundeine Nacht, Haschisch, Straßenmusik zusammen mit arabischen Musikern, Marrakesch – amerikanische Beatniks in der Nachfolge von Burroughs, Casablanca – drei Tage Ramadan-Ende (arabischer Karneval), Essaouira – heute Treffpunkt für Hendrix-Fans, und ein Stück weiter im Süden Sidi Kaouki – damals ein Ort der Meditation, heute der Surfer-Treffpunkt. Im Frühjahr gerieten wir in Tanger in eine Art Musik-Bar. Die Luft stand vor Haschisch – keine Notwendigkeit, selbst zu rauchen; in der Mitte des Raums war eine Bühne, darauf ein Dutzend marokkanische Musiker, Sänger und Tänzerinnen. Und dort ging die Post ab – das war unglaublich. Danach stand für uns fest: So eine Art Musik wollen wir machen – freie Musik, Ekstase-Musik, gemeinsam improvisieren, mit den Zuhörern abheben. Zurück in der Mühle. Endlich war auch die Musik da, auf die wir gewartet hatten – Jimi Hendrix mit Are You Experienced, Zappa mit seiner Suzy Creamcheese, Pink Floyd, Steppenwolf, ,In-A-Gadda-Da-Vida‘, MC5. Und mit Guru Guru erlebten wir die erste deutsche Free-Rock-Band in Aktion und hörten zum ersten Mal, wie man mit genügend Power aus den Verstärkern eine Halle zum Beben bringen kann – eine völlig neue Art, Musik zu machen, nicht mehr in gehobener Zimmerlautstärke nett zusammenspielen, sondern einen Saal explodieren lassen. Das passte genau zu unserer Stimmung. Musik, Ekstase, Power und abheben. Um mitzumachen, brauchten wir eine Anlage – also Kredit aufnehmen, Marshall-Anlage kaufen; Walter stieg von Klarinette auf Bass um, ich kehrte von der Gitarre zu den Tasten zurück (Farfisa-Orgel – Hammond mit Leslie war unerschwinglich), Conny stieg als Gitarrist mit ein, Bongo (Rainer Fuss) als Schlagzeuger, Bernd Neumann als Lichtmann mit blubbernden Dia-Projektionen. Unsere ersten „großen“ Auftritte waren zusammen mit den Gurus an den Akademie-Karnevals-Feten. Mein Cousin, Conny, Bongo und Bernd kamen sowieso alle von der Stuttgarter Kunstakademie. Haben wir politische Musik gemacht? Natürlich haben wir politische Musik gemacht. Alles war politisch in der Zeit. Drogen waren politisch – schon allein deshalb, weil ein amerikanischer Politiker über LSD sagt: ,Das ist eine farblose Flüssigkeit, die man nicht kontrollieren kann, deshalb muss sie verboten werden.‘ Wohngemeinschaften waren politisch – schon allein deshalb, weil für die Bild-Zeitung alle Kommunenbewohner revolutionäre Linke waren. Sex war politisch – weil Sex für nicht Volljährige verboten war, weil Sex Auflehnung gegen die herrschende Moral war, weil Sex anarchistisch war. Musik war politisch, weil die Musiker ekstatische, anarchistische, unmoralische, schmutzige Musik machten und alle Musikveranstaltungen nur die Plattform drogenabhängiger, schmutziger, radikaler, linker, anarchistischer Verbrecher waren, die die letzten ordentlichen Jugendlichen noch in ihren Teufelskreis locken wollten, um Armageddon – den Untergang der zivilisierten Welt – zu zelebrieren. Und damit wurden alle, die etwas anderes wollten als das, was die Medien-Mächtigen und Politik-Opas und Oberstufen- oder Uni-Lehrer für richtig befanden – alles enteichelte ehemalige Männer zwischen 50 und scheintot – automatisch politisiert – und früher oder später stolperten dann alle auch über Wilhelm Reich und Marx und Lenin und die Zwanziger-Jahre-Kommunen in Russland. Und Reich hat sexuelle Befreiung, Abrechnung mit dem Faschismus und Selbstbespiegelung wunderbar miteinander verrührt. Wir spielten in Jugendhäusern, Stadthallen und auf Uni-Feten (besonders die dreitägigen Karnevalsfeten in der Kunstakademie waren berüchtigt, mit viel Shit, Nackttanz und drei Tagen durchgehender Musik). Wir hießen uns Gila Fuck, auf unseren Plakaten standen Sprüche wie ,Kinder vögelt eure Eltern‘, wir spielten und schrieen, was aus uns raus konnte und wollte, und Wolfgang vom SDS (Wolfgang Diehl, anfangs noch Gila-Flötist) kreischte dazu auf seiner Blockflöte. Unser Konzept war ,Gemeinsam leben, gemeinsam arbeiten, gemeinsam Spaß haben‘. Wir machten basisdemokratische Musik – festgeschriebene Kompositionen waren für uns nur kapitalistische Zwangsjacken für unfreie Musiksklaven. Geprobt im Sinne von Stücke einstudieren haben wir nie, aber natürlich in stundenlangen Sessions alles ausprobiert, was gerade kam. So entstand im Lauf der Zeit ein gegenseitiges Verständnis, und jeder hat ein Gefühl dafür entwickelt, wo der andere musikalisch hinwollte, und konnte entsprechend reagieren. Das Ganze hat in den besten Momenten zu fantastischen, leider nicht so ohne weiteres wiederholbaren musikalischen Erlebnissen geführt, und manchmal haben wir es geschafft, dass ein ganzer Saal mit uns gemeinsam auf einen musikalischen Trip in andere Sphären ging. Im Lauf der Entwicklung stiegen die musikalischen Ansprüche. Conny orientierte sich in der Zeit Richtung München und hatte da auch Kontakt mit der Münchner Musikszene und Musikverlagen aufgenommen. Das erste Mal im Studio von EMI in München hat dann Bongo das Handtuch geschmissen – er hieß deshalb Bongo, weil er eigentlich Bongo-Spieler und nicht Schlagzeuger war, und so hatte er Probleme mit den Ansprüchen der Studiotechniker (,Spiel mal die Bassdrum, okay, und jetzt die Snare dazu, okay, und jetzt mal 16tel auf dem HiHat dazu, erst offen, dann geschlossen...‘). Und der EMI-Manager, gerade frisch vom Marketing-Seminar in den USA zurück, wollte, dass wir so tolle Musik wie Proud Mary von Creedence Clearwater Revival machen. Das war unser erster Ausflug ins professionelle Musik-Business. Zurück blieb die Kürzung unseres Bandnamens in Gila und die Suche nach einem neuen Schlagzeuger. Nachdem Daniel Alluno als Schlagzeuger für Bongo eingestiegen war, haben wir uns erst mal weiter mit Live-Auftritten über Wasser gehalten. Viel in München (Blow up) und Umgebung, Stuttgart und Umland, Heidelberg, Darmstadt (Underground), Mainz (Open Ohr Festival), in Clubs und auf vielen Festivals, oft zusammen mit Guru Guru oder den Stuttgarter Hotzenplotz (mit Albrecht Metzger, später Rock-Nacht-Moderator). Die Mega-Knete gab es dabei selten, und die Organisation der Festivals war oft mehr als amateurhaft. So wie bei dem in Heidelberg am 29.8.1970, das nie stattgefunden hat. Dann auch auf Burg Herzberg in Hessen beim 1. Deutschen Undergroundfestival – zusammen mit den Petards, Gurus, Amon Düül und so weiter, und in Berlin im Sportpalast – mit Tangerine Dream, Agitation Free, Xhol Caravan, Guru Guru und den damals noch völlig unbekannten Kraftwerk als Vortruppe und den alten Pretty Things als Aufhänger. Später tourten wir dann auch im Kölner Raum und Ruhrpott. In der Zeit haben die meisten von uns (Bernd, Walter, Daniel und ich) in einer Wohngemeinschaft in Stuttgart-Bad Cannstatt gewohnt – wenn wir nicht gerade in München waren. Apropos München: Nach einem Auftritt – ich glaube, es war im Blow up – hat uns Conny in eine befreundete WG mitgenommen, wo wir pennen konnten. Als wir zur Tür rein kamen, war alles in Rotlicht getaucht, und aus den Boxen dröhnte Jingo von Santana. Ich war hin und weg, so was hatte ich vorher noch nie gehört – für mich war das die obergeile Barmusik der 68er. Prompt ist der Jingo-Riff auf dem Keyboard bei unserem nächsten Auftritt wie von selbst aufgetaucht – und irgendein Purist hat mich nach dem Konzert angemacht, wie ich so einen kommerziellen Scheiß spielen kann. Conny und Bernd, die sich auch für das Management zuständig fühlten, fanden endlich einen Mäzen (Vater eines befreundeten Musikers), der uns das Geld für eine unabhängige Plattenproduktion vorgeschossen hat. Nach den Erlebnissen mit EMI wollten wir uns nicht in die Produktion reinreden lassen. Dass wir bei Dieter Dierks in Stommeln bei Köln – seit über 20 Jahren jetzt mein Nachbarort – aufnehmen konnten, war ein echter Glückstreffer. Dieter war damals noch ganz am Anfang mit seinem Studio und völlig offen in seiner Art. Wir haben uns in seinem Studio breitgemacht, angefangen zu jammen, und nach einem Tag war Dieter bereits der fünfte Mann in der Band. Wie ein guter Regisseur hat er motiviert, angeregt, unsere Stärken gefördert, allzu abwegige Ideen gebremst und immer das Maximum aus unserer Musik rausgeholt. Mit ihm zu arbeiten war einfach genial und nie stressig. Die gesamte Struktur der ersten Gila-Platte entstand in gemeinsamen kreativen Sessions während der Aufnahmen im Studio. Themen von der Platte tauchten anschließend auch über lange Zeit in Live-Auftritten auf – wie gesagt hatten wir keine festgelegten Titel, aber wenn einer von uns ein bestimmtes Thema angespielt hat, ist der Rest der Band natürlich darauf eingestiegen. In der Zeit hat Conny auch immer mehr seine Stimme eingesetzt und teilweise entstanden richtige Songs, alles aber weitgehend improvisiert. Im folgenden Frühjahr waren wir alle für längere Zeit in München, da wir für eine Fernseh-Sendung im 3. Programm des Bayerischen Rundfunks Aufnahmen machten – zusammen mit bayerischen Mundartdichtern, Friedrich Gulda und noch weiteren Akteuren. Mitten in den Aufnahmen fuhren wir dann für einen Abend nach Köln, um in der ,Nachtmusik‘ des WDR aufzutreten. Das Konzert wurde später als Night Works von Garden of Delights veröffentlicht. Wir kamen alle völlig ausgepowert in Köln an, haben schnell aufgebaut, gespielt, sofort wieder abgebaut und dann zurück nach München, um am nächsten Morgen wieder bei den Aufnahmen mitzumachen. So sind wir das Konzert auch eher sehr relaxed angegangen, da wir für Power-Rock nicht mehr die Energie hatten.

Weshalb haben wir uns getrennt, obwohl die Vorzeichen für eine erfolgreiche Bandkarriere gut aussahen? Ein Grund dafür lag sicher in der Art, wie Gila Musik gemacht hat – sich ständig neu zu erfinden, bei jedem Konzert frei zu improvisieren funktioniert nur dann, wenn alle sich auf der gleichen Wellenlänge bewegen. Und wir haben angefangen, uns auseinander zu bewegen. Conny wollte mehr in Richtung Songs mit festen Strukturen (was er dann später auf der LP Bury My Heart At Wounded Knee auch verwirklicht hat), Daniel wollte Richtung Rock oder Rock ’n’ Roll, Walter wurde das alles zu bürgerlich und ,unfreakig‘, und ich brauchte eine Auszeit, um mir darüber klar zu werden, wo ich eigentlich hin will. Und dann war Gila einfach ein Kind des Aufbruchs der 68er – der Zeit von ,Mr. Natural‘ und ,Fritz the Cat‘, der Zeit, als Musik ein Glaubensbekenntnis und der Dealer dein Freund war, als nach den Konzerten noch stundenlang geraucht, getrommelt und Flöte gespielt wurde und Alkohol die Droge der ,Schnitzelfresser‘ war. Und diese Zeit ging schon in den frühen Siebzigern zu Ende. Das Leben hat uns dann an ganz unterschiedliche Ufer gespült. Ich bin in der politischen Musikszene in Köln gelandet, hab bei einem Kölner Jazzer die Grundlagen des Bassspielens und der Jazzharmonik gelernt. Als Bassist, Komponist und Arrangeur war ich an verschiedenen Rock-Theater- und Rock-Chor-Projekten und bei der Polit-Rock-Band Malör beteiligt. War viel im Studio und bei vielen Live-Auftritten auf politischen Großveranstaltungen (Ostermarsch, Friedenskundgebungen, Gewerkschaftstage, UZ-Pressefeste, Festival des politischen Liedes in Ostberlin...). Bis ich noch einmal einen Schwenk gemacht habe und fast ein Vierteljahrhundert lang in einem multinationalen Konzern an dem Aufbau der globalen Vernetzung über Internet und Mobilfunk mitgebaut hab. Jetzt habe ich wieder Zeit, mehr Musik zu machen, und hatte mit Daniel vor ein paar Jahren noch überlegt, Gila wiederaufleben zu lassen. Da wir von Connys und Walters Tod wussten, wollte Daniel John (Weinzierl) von Amon Düül II und andere Münchner Musiker einbeziehen. Vor kurzem habe ich dann noch mal mit John telefoniert, und da habe ich leider erfahren, dass von der Gila-Besetzung nur noch ich am Leben bin. Also bastle ich weiter in meinem Heimstudio an der Musik meiner Träume, und wer weiß…“

Die Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks von 1972 übrigens, die Fritz erwähnt, entstand unter Leitung von Karl-Ludwig Reichert und hieß: „Was kostet Pop-Musik?“ Ob sie gespeichert wurde, ist nicht ganz sicher. Eine erste Suche danach im Archiv des Senders blieb jedenfalls erfolglos. Das ist allerdings 22 Jahre her.

Und ein Rückblick von Conny Veit: „Ursprünglich hatten sie sich auf den Namen Gila Fuck geeinigt, jene Leute aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten der schwäbischen Hauptstadt Stuttgart. Alle hatten irgendetwas mit der Kunstakademie oder der Universität zu tun – und war es nur, um sich jeden Tag in der Mensa satt zu  essen... Keine Frage, das auch die ersten Auftritte eben genau da stattfanden. Ich erinnere mich noch sehr genau und gerne an die ‚barocken‘ Akademiefeste zur Karnevals- bzw. Faschingszeit, wie man dazu im Süden dieses unseres Landes sagt. Legendär waren sie vermutlich, weil sie im Mittel drei Tage und drei Nächte dauerten und der Schlafsack zum unverzichtbaren Gepäck der Festbesucher zählte. Legendär bleibt vermutlich aber auch die Tatsache, dass diese ‚Events‘ mit ausdrücklicher Billigung der Verwaltung stattfanden. Dabei kam eine tolle Festivalkultur auf, die ich heute nur mit den außergewöhnlichsten Techno-Parties vergleichen kann. Gewöhnlich versammelten sich zwischen 1500 und 2000 Menschen zu einer Dance & Trance-Party, die von zwei oder mehr Gruppen bespielt wurde. Gila und Guru Guru zählten zu den Geheimtipps, denn sie hatten eine sehr organische Art des Zusammenspiels entwickelt; die Übergänge von einer Gruppe zur anderen verliefen nahezu nahtlos. Hier wollte eine Kunstform entstehen! Wir verzichteten allerdings später auf den Namenszusatz Fuck, war er doch Anlass dafür, dass unsere Auftritte wiederholt von der Stuttgarter Sittenpolizei besucht wurden – wir hatten schon genügend Plätze für die Bullen des Rauschgiftdezernats freizuhalten und wollten es vermeiden, als Veranstalter von Polizei-Festen in die Musikgeschichte der Stadt einzugehen. Außerdem: War der Name anfangs noch eine gelungene Provokation gewesen, so hatte er sich inzwischen abgenutzt und wirkte schließlich nur noch albern. Aus heutiger Sicht waren die Verhältnisse damals vor dreißig Jahren, unter denen wir vier Musiker, unsere Bühnenhelfer sowie das nicht überschaubare Heer der Anhänger und Anhängerinnen einen eigenen Weg zu gehen suchten, schier unglaublich. Fast alles, was man heute selbstverständlich nennt, geriet damals zum Stein des Anstoßes: Freiheit der Rede, des Geschlechtslebens und der Bekleidungsgewohnheiten, Widerspruch, bürgerlicher Ungehorsam, ja, selbst das Leben in einer Wohngemeinschaft wurden seinerzeit als Provokation gewertet. Insofern war Gila auch ein Versuch mit politischem Hintergrund. Der Weg zur Musik führte über die persönliche Verweigerung der herrschenden Gesellschaft gegenüber, über den Willen zur Veränderung und zur alternativen Lebensbewältigung. Wie so viele Gruppen am Ende der sechziger Jahre hatten wir die Absicht, unser Leben anders zu gestalten, als das unsere Eltern taten und als es ganz allgemein von uns Jugendlichen erwartet wurde. Wir waren mehr als nur entschlossen, einen Gegenkurs zu steuern. Allerdings mit gewaltfreien Mitteln. Das grenzte uns ab von anderen Gruppierungen, etwa der Roten Armee Fraktion. Zurückblickend wird mir heute erst deutlich, wie knapp diese Entscheidung eigentlich war – ursprünglich zählten nämlich beide Gruppierungen zeitgleich zur selben Szene im Stuttgarter Raum. Die Vision Gila bedeutete, mit den Mitteln der Kommunikation – im strengen wie im künstlerischen Sinne – uns selbst und die Gesellschaft zu verändern, Schwellen abzubauen, Hemmungen zu überwinden, Vorurteilen zu begegnen und Isolationen zu durchbrechen, um ein ehrliches Miteinander zu begründen, das die gemeinsame Erfahrungswelt der Musik erschließen konnte und sollte. Wir wollten die Subkultur, die künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt. Vor diesem Hintergrund entstand die erste Gila-LP im Jahre 1971. Es versteht sich von selbst, dass wir die Platte in Eigenverantwortung verwirklichten. Zu den beachtlichen Dingen rechne ich heute, dass die Gruppe in verhältnismäßig kurzer Zeit einen fähigen Tourneeapparat auf die Beine stellte, der immerhin tauglich genug war, um Auftritte in ganz Deutschland durchzuführen. Ich glaube, dass künstlerisch Reizvolle unserer Musik seinerzeit bestand in der völligen Aufrichtigkeit und Übereinstimmung in Verknüpfung mit der tatsächlichen Gruppensituation.

Das mag etwas hochgestochen klingen – im Zusammenhang mit Rockmusik trifft es aber den Nagel auf den Kopf. Free Electric Sound – dieser Untertitel zu Gilas erster Platte war gewissermaßen Grundsatz. Ich selbst konnte mich nie mit jener Trennung von Unterhaltungsmusik und klassischer Musik anfreunden, wie das besonders in Deutschland gehandhabt wird. Musik ist künstlerischer Ausdruck, und der lässt sich nicht in Schubladen solcherart unterteilen. Es zählt zu den Verdiensten der Rockmusik, dass diese Unterteilungen womöglich bald der Vergangenheit angehören. Unser Anspruch, freie Musik zu machen, zielte insofern auf alle bekannten Arten der Klangerzeugung, ob Klassik, Rock, New Age oder Weltmusik. Im Verlauf meiner Laufbahn habe ich immer wieder Fühlung aufgenommen mit den verschiedensten Richtungen der Musik, etwa zu Florian Fricke von Popol Vuh oder auch Guru Guru, und bekam Gelegenheit, die freie Spielweise, die wir mit Gila entwickelt hatten, praktisch anzuwenden. Mit erfreulichen Ergebnissen. Wir legten unserer Musik die Grundsätze indischer Ragas zugrunde: Sie besteht eigentlich nur in den Köpfen der Spielenden, es gibt dafür keine Noten oder andere Arten der Niederschrift. Die Abwicklung des Zusammenspiels bleibt auf die Vorgabe eines Leitgedankens beschränkt – alles weitere ist Improvisation. Das ist eine Art des Spielens, wie sie von Musikern auf der ganzen Welt geschätzt und angewandt wird, in Ost wie West, im Süden und im Norden. Bedauerlicherweise haben die Abläufe des Musikgeschäfts dazu geführt, dass sich selbst junge Gruppen heute eher wieder an strenge Vorlagen binden. Auch ich habe mich bei der nachfolgenden Gila-Platte Bury My Heart At Wounded Knee wieder mit den überlieferten Arten des Musikmachens abgefunden – ohne allerdings auf freie Abschnitte gänzlich zu verzichten. Umso wertvoller erscheinen mir deshalb die Aufnahmen auf vorliegender LP, denn sie stellen meines Erachtens einen gelungenen Versuch dar, sich musikalisch frei zu bewegen, Musik als taugliches Mittel der Verständigung anzuwenden, um Gefühlsübereinstimmung zwischen Menschen herzustellen. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Hören eines musikalischen Zeitzeugnisses der siebziger Jahre.“

Zur überzogenen Lautstärke vieler Gruppen bei ihren Auftritten meinte Conny Veit in „Flash“ Nr. 10: „Viele Gruppen rüsten sich mit einer irrsinnigen technischen Gewalt aus. Sie wollen mit ihren Anlagen mächtig Eindruck schinden. Sie glauben, dass ihnen die Anlage Macht gibt. Die Macht, die Leute zum Schweigen zu bringen, sie mit ihrer Lautstärke totzuschlagen. Wenn wir in den großen Hallen spielen, sagt man uns oft, dass wir zu leise sind, weil die Halle nicht dröhnt. Aber wozu soll die Halle auch dröhnen? Bei uns soll man jedes einzelne Instrument hören, mit einer Lautstärke, die unterhalb der Schmerzgrenze liegt. Die Musik soll ja Spaß machen.“

Die erste Gila-Besetzung ging schließlich getrennte Wege, weil sich die einzelnen Mitglieder künstlerisch auseinandergelebt hatten, wie Fritz Scheyhing schon beschrieb. Ärgerlich für ihn war, dass die Raten für die teure Anlage noch nicht abbezahlt waren. Beim Kauf hatte er unterschreiben müssen, weil Conny Veit damals noch minderjährig war und die beiden anderen keine deutschen Staatsbürger waren: Walter Wiederkehr war Schweizer und Daniel Alluno Franzose. Nachher musste Fritz anderthalb Jahre arbeiten, um die Schulden dafür abzubezahlen.

Nach der Auflösung der ersten Gila-Besetzung 1972 ging Daniel Alluno zu Sameti, mit denen er 1974 deren zweite LP Hungry for love (Warner Bros. 56074) veröffentlichte. Conny Veit wechselte zu Popol Vuh, wo er 1972 auf Hosianna Mantra (Pilz 2029143-1) mitwirkte, die 1973 veröffentlicht wurde, sowie auf Aguirre, die 1972 bis 1974 eingespielt und erst 1976 veröffentlicht wurde. Auch auf Seligpreisung (Kosmische Musik KM 58.009) von 1974 war er noch dabei. Im Winter 1973/74 war er mit Amon Düül II auf Frankreich-Tour. Ab Sommer 1974 ging er für ein paar Monate zu Guru Guru, ist aber auf keiner Platte von denen vertreten.

Doch schon vorher hatte er wieder Sehnsucht nach Gila bekommen, und so gründete er die Gruppe 1973 neu. Dafür gewann er Florian Fricke an den Tasten und Daniel Fichelscher am Schlagzeug, beide von Popol Vuh, sowie seine damalige Freundin Sabine Merbach als Sängerin, die bei der Schallplattenfirma WEA (Warner Bros./Elektra/Atlantic) in München arbeitete. Ein glücklicher Zufall, der Türen öffnete. In dieser Besetzung veröffentlichten Gila im Sommer 1973 die wiederum sehr gut gelungene LP Bury My Heart at Wounded Knee (WEA/Warner Bros. WB 46234) mit beiliegendem Textblatt, ebenfalls bei Dieter Dierks in Stommeln aufgenommen. Dieses Konzeptalbum lehnt sich an das gleichnamige Buch von Dee Brown an (deutsche Ausgabe: „Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses“) und befasst sich mit der Vertreibung und Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner. Dabei werden auf der LP auch drei indianische Texte verwendet.

Der US-Konzernchef von Warner Bros. hörte sich bei einem Besuch in München die Platte an und war sehr angetan von ihr. Deshalb wollte er sie auch in den USA veröffentlichen, was sich aber aus unbekannten Gründen zerschlug. Auch aus einer geplanten Gila-Single, die sich mit den Zuständen im Gefängnis befassen sollte, wurde nichts. Nachdem die LP in Deutschland erschienen war, kam es zu einem unschönen Ereignis, das die Gruppe beinahe zerrissen hätte. Im Oktober 1973 schellte im Münchener Büro der WEA das Telefon. Eine männliche Stimme fragte an, ob Herr Veit gerade zu sprechen sei. War er. Der Anrufer stellte sich als Manager einer Düsseldorfer Diskothek vor. Er behauptete, dass er die neue Gila-LP gehört habe und sie ihm sehr gefallen habe. Ob man sich denn nicht mal treffen könne, um über einen Gila-Auftritt in der Düsseldorfer Diskothek zu reden. Conny Veit war einverstanden und schlug einen Termin in den nächsten Tagen vor. Doch der Herr aus Düsseldorf sei gerade in München. Ob er denn nicht mal eben vorbeikommen könne. Conny hatte nichts dagegen. Keine halbe Stunde später standen zwei uniformierte Polizisten und drei Feldjäger in der Tür. Der Einberufungsbefehl von Wehrdienstverweigerer Conny Veit war ein Jahr alt. Sein Rechtsanwalt hatte eine Einspruchsfrist versäumt. Deshalb galt Conny nun nicht mehr als Wehrdienstverweigerer, sondern als Fahnenflüchtiger. Seitdem wurde er gesucht. Da er damals unangemeldet bei seiner Freundin Sabine Merbach lebte, war er nicht so leicht zu finden. Deshalb die üble List der Feldjäger. Conny Veit wurde zur Untersuchungshaft ins Gefängnis von München-Stadelheim eingeliefert und bezog dort eine Einzelzelle. Beim täglichen Hofgang traf er eine Menge Leute, die mit ein paar Gramm Haschisch erwischt worden waren, was damals noch hart geahndet wurde. Nach ein paar Wochen merkten sie bei der Bundeswehr, dass so ein Mitstreiter wohl doch keine Bereicherung für die Truppe gewesen wäre. Conny wurde aus der Haft entlassen und als Wehrdienstverweigerer anerkannt, musste das Verfahren wegen Fahnenflucht nachher aber trotzdem noch über sich ergehen lassen.

1974 wollten Gila wieder live auftreten und suchten dafür einen Bassisten, einen zweiten Schlagzeuger und einen Tastenmann. Conny Veit wollte zusätzlich zu seinen Gitarren auch noch Mellotron spielen. In Anspielung auf die zunehmende Unmenschlichkeit großstädtischen Alltagslebens sollte die nächste LP Wenn Die Städte Sterben heißen. Doch dazu kam es nicht mehr. Stattdessen löste sich die Gruppe 1974 auf. Für Connys Geschmack ging es bei Florian Fricke zu religiös und esoterisch zu, und außerdem stimmten dessen religiöse Grundsätze wohl nicht ganz mit den eigenen Verhaltensweisen überein. 1999 dachte Conny Veit, beflügelt durch die Veröffentlichung von Night Works, ernsthaft an eine Wiederbelebung von Gila mit neuen Leuten und arbeitete dafür auch schon an Bändern. Doch auch daraus wurde letztendlich ebenfalls nichts.

Während die erste Gila-Besetzung übrigens eine echte Live-Gruppe mit unzähligen Auftritten gewesen war (wovon aber außer dem WDR-Auftritt leider nichts auf Band erhalten ist), arbeitete die zweite fast nur im Studio. Lediglich einen Playback-Fernsehauftritt in der ZDF-Sendung „Aspekte – Informationen aus dem Kulturleben“ von 1973 gab es. Außerdem war Conny Veit 1971 an der legendären WDR-Talkshow „Ende offen“ vom 3.12.1971 beteiligt (neben Rolf-Ulrich Kaiser und anderen), in der Nikel Pallat von Ton Steine Scherben den Tisch mit einem Beil bearbeitete.

Im Laufe der Jahre wurden mehrere Konzertplakate von Gila gedruckt. Dasjenige auf dem Deckblatt von vorliegendem Heft kündigt den Auftritt im Hamburger „Grünspan“ am 31.5.1972 an und zeigt das gleiche Motiv wie ihre erste LP

Nach ihren beiden Langspielplatten lösten sich Gila im Sommer 1974 endgültig auf, bevor es zur erwähnten dritten kommen konnte. Später gründete Conny Veit mit Zabba Lindner (Sphinx Tush, Tomorrow’s Gift, Release Music Orchestra, Es), Karl-Heinz Schott (Frumpy, Atlantis), Siddhatta Gautama (Electric Sun, Nine Days’ Wonder) und anderen die Gruppe Coney Island und veröffentlichte mit denen 1985 auf Epic die Single Dream Walker/We Are Closing Soon, die Unsummen für die Produktion verschlang, mit der Musik von Gila aber nichts mehr zu tun hatte. Coney Island traten nur ein einziges Mal auf. Nach einem langjährigen Gefängnisaufenthalt wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wirkte Conny Veit als freischaffender Maler bei Hamburg, wo er auch die Hülle der CD und LP Night Works gestaltete. Er nahm sich am 10.10.2001 in einem Hotel im Hamburger Bahnhofsviertel mit einer gewollten Überdosis das Leben, weil er aus dem Drogensumpf nicht mehr hinausfand und überall nur verbrannte Erde hinterlassen hatte. Sein Abschiedsbrief bricht mitten im Text ab. Kettenraucher Walter Wiederkehr verstarb schon in den Neunzigern im Alter von etwa 40 Jahren an Lungenkrebs. Daniel Alluno lebte als Künstler abwechselnd im Münchener Raum und in Frankreich und setzte seinem Leben um 2015 ein Ende. Fritz Scheyhing ist also der einzige Überlebende der alten Gila-Besetzung, Daniel Fichelscher der einzige der letzten Besetzung.

In Gila-Plattenbesprechungen und in Artikeln zur Bandgeschichte fällt auf, dass Conny Veit oft als Gründer und Kopf der Gruppe hingestellt wird. Das entspricht aber nicht den Tatsachen, jedenfalls nicht, was den Bereich der Musik betrifft. Gründungsmitglied war er ja sowieso nicht, sondern kam erst später dazu. Und auch dann hatte er keine tragendere Rolle als die anderen. Woher dann diese Fehleinschätzungen? Zum einen wohl deshalb, weil er als einziger in beiden Gila-Besetzungen dabei war; aber nur in der zweiten war er tatsächlich treibende Kraft. Zum anderen stellte Conny Veit sich selbst gerne in den Mittelpunkt und machte sich wichtiger, als er in Wirklichkeit war, besonders bei den Medien. So etwa mit seiner irreführenden Behauptung, daß er ein Verwandter des bekannten Schauspielers Conrad Veidt sei. Gutgläubige Schreiber nahmen solche Enten gerne auf. Immerhin muss man ihm aber zu Gute halten, dass er damals sehr rührig war und die meisten Verbindungen zu Zeitschriften und Zeitungen, zur EMI und zu BASF herstellte. Ohne seine angestrengten Bemühungen wären Gila möglicherweise eine der vielen Live-Gruppen geblieben, von denen es nie eine Schallplattenveröffentlichung gab. Man merkte ihm laut Aussage von Fritz Scheyhing jedenfalls deutlich an, dass er vorankommen wollte.

Dazu passt auch, dass man in den Artikeln über Gila hauptsächlich Zitate von Conny Veit lesen kann. Artikel über Gila finden sich in der deutschen, englischen, niederländischen, polnischen, russischen und japanischen Ausgabe der Wikipedia. Florian Fricke von der späteren Gila-Besetzung ist sogar in elf verschiedenen Wikipedia-Ausgaben vertreten, Hans Daniel Sailer nur in der deutschen und der niederländischen.

Auch in deutschen Musikzeitschriften der siebziger Jahre tauchen Gila gelegentlich auf. In „Sounds“ 6/1971 geht es auf den Seiten 16 und 17 um Gila in der Zeit, als ihre erste LP entstand. Der Artikel besteht hauptsächlich aus Zitaten von Conny Veit. In „Flash“ Nr. 10 schreiben Ingrid Blum und Winfried Trenkler über die erste Besetzung von Gila und würzen das Ganze wiederum mit ein paar Zitaten von Conny Veit. In „Die Schallplatte“ 1/1972 finden sich ein kurzer Abriss ihrer Bandgeschichte und eine Besprechung ihrer ersten LP, die dort sechs Sterne bekommt (höchstes Lob). In „Pop“ 1/1974 geht es sehr informativ und ausführlich um die zweite Gila-Besetzung, Conny Veits Verhaftung durch die Feldjäger und Gefängnisaufenthalt. In „Musik unserer Zeit“ ist ein Interview mit Conny abgedruckt. Daneben gab es natürlich auch noch die üblichen Plattenbesprechungen.

Welchen Stellenwert hat die erste Gila-LP im Bereich des sogenannten Krautrock? Da schaut man am besten in den beiden anerkannten Nachschlagewerken nach. Steven und Alan Freeman führen sie in ihrem Buch „The Crack in the Cosmic Egg“ (Leicester 1997, stark erweiterte CD-ROM Leicester 2007, desgleichen in 24 Einzelheften) unter den 100 besten Krautrock-LPs auf. Einzelne Ränge werden dort nicht vergeben. Auf der gleichnamigen, wiederum stark erweiterten DVD-ROM (Leicester 2020) werden die besten 200 Krautrock-LPs gelistet, und dort ist dann auch „Bury my heart at Wounded Knee“ vertreten. In „Cosmic Dreams at Play“ (Glasgow 1997) von Dag Erik Asbjørnsen findet sich auf Seite 234 eine ebenfalls alphabetische Liste der zehn besten Krautrock-LPs, zusammengestellt von Tormod Aas. Und sogar dort ist die erste Gila-LP vertreten. Weiterhin wurde in der deutschen Zeitschrift „Eclipsed“ eine sechsteilige Krautrock-Geschichte abgedruckt. Im sechsten und letzten Teil (in Heft Nr. 231 vom Juni 2021) findet sich u. a. eine chronologische Liste der 50 besten Krautrock-LPs, darunter auch die erste von Gila.

Zum Schluss noch ein paar Besprechungen der ersten Gila-LP, jeweils in Auszügen. Auf den Babyblauen Seiten (www.babyblaue-seiten.de) vergibt Jochen Rindfrey zehn von fünfzehn möglichen Wertungspunkten und schreibt: „Musikalisch umgesetzt wird das Konzept weniger mit typischem Krautrock als mit psychedelischen, teilweise auch spacerockigen Klängen, vergleichbar den frühen Pink Floyd. Im Vordergrund stehen Gitarre und Orgel, die über meist eher einfacheren, aber dynamischen und effektvollen rhythmischen Grundlagen wilde Soli in bester Frühsiebziger-Manier abliefern. Dabei kommt bisweilen auch Akustik-Gitarre zum Einsatz, so im Schlussteil von Kontakt, oder exotisches Schlagwerk, wie in der wilden Percussion-Orgie Individualität. Gesungen wird nur selten, und wenn, dann ziemlich im Hintergrund. Einige Stellen sind auch mit gesprochenem Text unterlegt. Aber zum Glück ist das meiste instrumental. Höhepunkt des kurzen Albums ist der Titel Kommunikation, der mit seinen spacerockigen Gitarreneinsätzen etwas an Grobschnitts Solar Music erinnert. Psychedelic/Krautrock-Interessierte sollten dieses Album zumindest mal antesten.“ Wolfgang Pokall schreibt in „German Rock News“ 7/1999 (und ebenso im Netz unter www.germanrock.de): „Ein Meilenstein in der Historie des Krautrocks ist ohne Zweifel das gleichnamige Debutalbum der Stuttgarter Band Gila. Das war 1971 wirklich experimenteller Sound mit ausladender Gitarrenarbeit auf zielbewusstem Rhythmusfundament. Dazu gibt es einfallsreiche elektronische Improvisationen, die das aufregende Gesamtbild entscheidend mitprägen. Mancher meint, hier Pink Floyd herauszuhören, doch ich meine, dass eher bei den Floyds diese Scheibe öfter rotiert hat. Aber das wird natürlich keiner zugeben. Live soll diese Truppe noch besser gewesen sein und sich mit Guru Guru heiße Duelle geliefert haben – schade, habe ich nie gesehen, doch schon diese Platte lässt erahnen, was da so passiert sein muss. Gila passt, ohne Abstriche, auch ins Heute, weil vergleichbare Musik eigentlich nie mehr gemacht worden ist.“ Peter Thelen schreibt auf Exposé (www.expose.org): „Das erste Album zeigt eine Jam-Band, die wirklich Gedanken lesen kann; jedes Mitglied verfolgt die Bewegungen der anderen, während jedes Stück sich entwickelt. Die sechs Stücke scheinen aus etwas zuvor Komponiertem und Geprobtem hervorzugehen, bewegen sich aber schnell in freies Rock-Improvisationsgebiet. Die Band ist gleichzeitig psychedelisch und frei, rockt aber hart nach ihren eigenen Regeln, wobei ab und zu deutscher Gesang und gesprochene Parts auftauchen. Ein Vergleich mit dem Frühwerk von Amon Düül II in der Zeit von Phallus Dei oder Teilen von Yeti drängt sich auf, besonders in den Improvisationen. Das zarte Akustikgitarrenstück Kontakt auf Seite zwei, das in das längere Bandstück Kollektivität übergeht, zeigt die gekonnten und geschmackvollen Gitarrenkünste von Conny Veit und ist auch beispielhaft dafür, wie die Band ihren Sound im Flug aufbaut. Aber es ist wahrscheinlich der Abschluss der ersten Seite, Kommunikation, mit 13 Minuten, der ihre Rock-Persönlichkeit am besten zeigt. Dies ist ein essentielles Album, das erfolgreich eine Brücke zwischen der psychedelischen und der progressiven Rockwelt schlägt, ohne viel gesanglichen Ballast zu haben..“ Frank Schuster schreibt in „Good Times“ Nr. 4/2017: „Hört man Free Electric Sound, ist man erstaunt, wie düster die Band um Gitarrist Conny Veit in ihrer Anfangszeit klang. Das fast reine Instrumentalwerk geht mit wabernden Wah-Wah-Effekten, metallischen Fuzz-Gitarren, schwerem Georgel, manischem Getrommel und trippigen Hörspieleinblendungen eher in Richtung der frühen Pink Floyd. Die Stücke beweisen Mut zum Experiment; ein entdeckenswerter Höhepunkt des frühen psychedelischen Krautrock!“ Martin Dambeck schreibt in „Empire“ 1/2018 (Heft 124): „Gila spielen einen orgelgeschwängerten und gitarrendominierten Mix aus Kraut-, Psychedelic- und Space Rock. Dazu kommt ein großer Einfluss der frühen Pink Floyd. Die überwiegend instrumentale Musik wirkt nie stressig oder zusammenhanglos, hat aber gleichzeitig einen fast schon hypnotischen, treibenden Grundrhythmus, dem man sich nur schwer entziehen kann. Wer es gerne etwas spacig bis psychedelisch mag und für die frühen Floyd-Sachen schwärmt, kommt an dieser Scheibe einfach nicht vorbei.“

Quelle: Garden Of Delights

Bilder

Quelle: Garden of Delights
1971

Quelle: Garden of Delights

Conny Veit
Quelle: Garden of Delights

Konzertbericht

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Danke [jg]

Diskografie

Jahr vonJahr bisBezeichnungArtCover
1971 Gila LP
1973 Bury my heart at Wounded Knee LP
1999 Night Works LP

Rezensionen

GILA

Gila Free Electric Sound

BASF 2021109-6

Reissue: LRS Peak 2021109/6

Bezug über Boots Vertrieb Hannover

Das Original der ersten Gila-LP gehört heute zu den sehr seltenen Sammler-Stücken. Jetzt wurde diese LP wiederveröffentlicht – Grund genug, sie näher zu betrachten.

Äußerlich lässt das Original von der Reissue nur durch einen hinten aufgeklebten, circa 1x3 cm großen Sticker mit dem Text „Mit freundlicher Genehmigung von Fonoteam“ unterscheiden. Ansonsten ist das Cover originalgetreu, so dass einer Täuschung schlecht  informierter Sammler durch Entfernen des Aufklebers Vorschub geleistet wird. Wer aber die Platte aus der Hülle nimmt, sieht am anderen LP-Logo den Unterschied zwischen Original und Reissue. Während das Original natürlich ein rotes BASF-Logo hatte, hat die Wiederveröffentlichung das gelbe Logo des LRS-Labels.

Als die LP im Jahre 1971 aufgenommen wurde, spielte Gila in der Besetzung Daniel Alluno, Fritz Scheyhing, Conny Veidt und Walter Wiederkehr. Nur Conny Veidt bleib dem Projekt treu und nahm die zweite LP Bury My Heart At Wounded Knee (WEA-WB 46234) mit Florian Fricke und Daniel Fichelscher (beide von Popol Vuh) sowie der Sängerin Sabine Merbach auf. Durch diese Umbesetzung trat eine stilistische Veränderung ein, die die beiden LP’s nur teilweise vergleichbar macht. Gila 1 klingt noch relativ unausgewogen, enthält neben meditativen Klängen auch harte Rock- und Undergroundpassagen und kann bei weitem nicht das klare Klangbild der Wounded Knee-LP vorweisen.

Dennoch gehört Gilas erste Scheibe aus historischen Gründen in jede Deutschrocksammlung.

Kurt Wehrs

(Dieser Beitrag wurde von Margit Hagen für den German Rock e.V. transkribiert und stammt aus dem Magazin  "Oldie Markt" Mitte der 80er Jahre. Der damalige Redakteur Kurt Wehrs hat uns mit den anderen Verantwortlichen die Veröffentlichung exklusiv genehmigt, und da diese Texte nirgendwo sonst im Netz stehen nehmen wir das gerne wahr)

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Gila (1971)

 
Ein Meilenstein in der Historie des Krautrocks ist ohne Zweifel das gleichnamige Debutalbum der Stuttgarter Band Gila, nun wieder als CD bei Ohr/Zyx. Das war damals, 1971, wirklich experimenteller Sound mit ausladender Gitarrenarbeit auf zielbewußtem Rhythmusfundament. Dazu gibt es einfallsreiche elektronische Improvisationen, die das aufregende Gesamtbild entscheidend mitprägen. Mancher meint, hier Pink Floyd herauszuhören, doch ich meine, daß eher bei den Floyds diese Scheibe öfter rotiert hat. Aber das wird natürlich keiner zugeben. Live soll diese Truppe noch besser gewesen sein und sich mit Guru Guru heiße Duelle geliefert haben - schade, habe ich nie gesehen, doch schon diese CD läßt erahnen, was da so pasiert sein muß. Gila paßt, ohne Abstriche, auch ins Heute, weil vergleichbare Musik eigentlich nie mehr gemacht worden ist.


Wolfgang Pokall


GILA

Night Works

Garden of Delights cd035, 1999


Wie schön, dass das [Garden-of-Delights-] Paket mit einer Super CD abgeschlossen wird, denn wieder handelt es sich um eine WDR-Liveaufnahme von 1972. Die CD beginnt mit Around Midnight leicht und spannend. Braintwist entführt uns schwebend auf den Trampelpfad, der langsam tapsend erforscht wird.

Da fließt und wabert es aus den Verstärkern, daß es eine Pracht ist. Viva Arabica beginnt sanft und pulsierend mit Bass und Schlagzeug. Dieser Rhythmus wird im gesamten Stück gehalten und erzeugt magische Visionen. Psychedelisch ist dann die großartige Gila Symphony. In 13 Minuten wird die ganze Bandbreite der Band hervorragend in Szene gesetzt. Ich wundere mich wirklich wieso aus Gila nicht mehr wurde. Gut auch CommunicationII. Leider wird das letzte Stück The Needle nach nur 52 Sekunden ausgeblendet. Schade! Doch beim WDR war die Sendezeit um. Andere Mitschnitte dieses Events gab es nicht.

Fazit: Wieder hat Walter tolle Aufnahmen ausgegraben. Für Krautrockfans sind diese Scheiben ein Muss.

Kurt Mitzkatis


GILA

Bury My Heart At Wounded Knee

(1973, re-release 2000, Garden of Delights CD 046)


Diese Scheibe ist ein absolutes Juwel. Gila widmeten ihr Album dem Massaker an den Indianern in Wounded Knee. 1973 begann man unter dem Eindruck des Vietnamkrieges sich mit dem Thema Völkermord auseinander zu setzen. Der Film Wiegenlied vom Totschlag, der ebenfalls Wounded Knee behandelte, wurde zum Kassenschlager und schockte die Massen. Gila fangen ihr Album sehr raffiniert an. Ähnlich wie im Film beginnt alles mit wunderschön vorgetragenem Folk, untermalt von den zwölfsaitigen Gitarren, manchmal im Stil von Crosby, Stills, Nash & Young (Young Coyote). Ganz stark auch das Stück The Buffaloes Are Coming. Man hört sie regelrecht antraben. Doch dann wird es traurig. In Black Kattle's Ballad wird zu traurig schöner Weise von den unfassbaren Greueltaten gesungen. Aus der Sicht eines Indianers. Das geht unter die Haut - immer noch! Little Smoke ist fast schon ein Requiem. Sehr beeindruckend.


Nach dem offiziellen Teil hat sich noch der Bonustrack Mindwinds And Heartfrost auf die CD gemogelt. Er zerstört die Stimmung gnadenlos. Mein Tipp: nicht nach den anderen Stücken anhören.


Ansonsten gilt: Eine der besten Scheiben, die Garden of Delights je wiederveröffentlicht hat. Spitzenklasse!
 

Kurt Mitzkatis

Interviews

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Musiker

1969-72

Alluno, Daniel - d

Alluno, Daniel

1969-72 Trommler für Gila.

Scheyhing, Fritz - Orgel. Mellotron

Scheyhing, Fritz

1969-72 Orgel und Mellotron für Gila.

Veit, Conny - v, g

Veit, Conny

Gründer und Gitarrist von Gila.
Wechselte 1974 zu Guru Guru.

Wiederkehr, Walter - b

Wiederkehr, Walter

1969-72 Bassist von Gila.


1972-74

Fichelscher, Daniel - d, perc, b

Fichelscher, Daniel

1972-74 Trommel, Percussions und Bass für Gila.

Fricke, Florian - Mellotron, Piano

Fricke, Florian

*1944, + 29.12.2001
1972-74 Piano und Mellotron für Gila.
Mitglied bei Popol Vuh

Merbach, Sabine - v

Merbach, Sabine

1972-74 Sängerin für Gila.

Veit, Conny - v, g, Flute, Moog)

News

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