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Prophecy Fest 2017


PROPHECY FEST

Balve, Balver Höhle, 28.-29.07.2017

 

Das Prophecy Fest wurde von dem Prophecy Label erstmals 2015 in der malerischen Balver Höhle veranstaltet. Wie es schon der Name ausdrückt, ist es eine Art Familienfest des in der Underground- und Alternativeszene hoch angesehenen Prophecy Labels, bei dem vorwiegend – jedoch nicht ausschließlich – Bands des Labels präsentiert und gefördert werden.

 

Das diesjährige Fest ist somit das dritte seiner Art, bringt jedoch ein kleines Sorgenkind mit: Die Veranstaltung weiterer Feste ist laut Prophecy nicht garantiert und wird auf Jahr-zu-Jahr-Basis jeweils neu entschieden, da es nach dem Auftakt 2015 nicht mehr ausverkauft war. Auch wenn das auf den ersten Blick unschön klingt, ist es nachvollziehbar, da das Label offensichtlich darauf achtet, höchste Qualitätsmaßstäbe – und das in wirklich jeder Beziehung – zu bieten. Es wird auf den PA -Verleiher Acoustic Network gesetzt, der mit einer hochwertigen Nexo Anlage das Potential für einen fantastischen Sound gewährleistet und darüber hinaus aus langjähriger Erfahrung bestens mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut ist; das Catering (Getränke, Pommesbude, türkische Spezialitäten) ist professionell und von hoher Qualität, man sollte nur den türkischen Tee meiden. Die sanitären Anlagen, die vom lokalen Schützenverein zur Verfügung gestellt werden und deren Wartung sind absolut vorbildlich, das gesamte Gelände ist barrierefrei und damit auch für körperlich behinderte Menschen geeignet, für die der Securitydienst als Nebenservice auch die behindertengerechte Toilette exklusiv aufschließt. Ein Securityservice, der sich im Übrigen durch außergewöhnlich freundliches Auftreten und Kompetenz auszeichnet, was uns bereits bei dem letztjährigen Prophecy Fest positiv aufgefallen ist. Darüber hinaus werden ausreichend Park- und Campingmöglichkeiten nebst mietbaren Zelten zu äußerst fairen Preisen zur Verfügung gestellt – auch das ist ungewöhnlich und in der gebotenen Qualität keineswegs selbstverständlich. Das alles und dann noch der gesamte Aufwand um die Künstler kostet natürlich auch einiges und damit wird die fehlende Garantie für eine Fortführung nachvollziehbar. Doch nun genug der Misstöne und zum Bericht, der hoffentlich dazu beiträgt, dass das nächste Prophecy Fest nicht nur stattfinden kann, sondern an beiden Tagen restlos ausverkauft ist – denn so viel vorab: Dieses Fest ist jeden Cent und noch viel mehr wert, wie es auch schon aus diesem Statement des Labels herauszuhören ist:

 

„Im Gegensatz zu anderen Festivals werden wir nicht mit dem "kleinsten" Künstler anfangen und einen "Headliner" zum Schluss auftreten lassen. Für uns sind alle Künstler gleichberechtigt und wurden ausgesucht, weil wir atemberaubende Konzerte von ihnen erwarten. Deshalb erhält jeder genügend Spielzeit für sein Programm, und die Reihenfolge wird widerspiegeln, was wir in puncto Dramaturgie und Spannung am besten finden.“  

 

Der Besucher bekommt am Eingang das schon bekannte hochwertig erstellte Begleitbuch mit zwei CD‘s, kurzen Infos zu den Bands und Künstlern und thematisch passend erstellten Bildern überreicht. Danach kann er direkt in die Höhle zu den Vorführungen gehen. Dort finden sich ein Autogrammstand, eine üppig dimensionierte Bühne, ein großer Zuschauerraum, an der Seite eine Getränketheke und in den hinteren Bereichen ein großer Merchandising Stand sowie eine Gemäldepräsentation des Künstlers Irrwisch. Dieser hat für die Band Lotus Thief das Artwork des neuen Albums Gramarye erstellt und damit das Prophecy Label überzeugt, dass er die diesjährige künstlerische Leitung und Grafik übernehmen sollte.

 

Die Bands:

 

Freitag, 28.07.2017:

16:00 Nhor
17:20 Soror Dolorosa
18:55 Sun Of The Sleepless
20:15 Arcturus
22:00 GlerAkur
23:30 Sólstafir

Samstag, 29.07.2017:
11:50 Lotus Thief
13:20 The Moon And The Nightspirit
14:35 Spiritual Front
15:45 Noêta
16:50 Dornenreich
18:20 The Vision Bleak (with Shadow Philharmonics)
19:50 Hexvessel
21:45 Dool
23:35 Hypnopazūzu

Freitag, der 28.07.2017

 

Dank des durch die Ferien bedingten Verkehrskollapses haben wir die Performance von Nhor nicht miterleben können. Noch ärgerlicher ist das, weil es die Weltpremiere war. Wir kommen gerade an, als die Zuschauermengen herausströmen. Ein kurzes Interview mit einem Fotografen ergibt: „Ruhige, schöne, Klaviermusik und dazu hat eine Frau ein dunkles Bild gemalt.“

 

Nach einer sehr kurzen Umbauphase beginnen nun Soror Dolorosa mit ihrer Aufführung. Diese Band existiert mit einigen Umbesetzungen seit 2001. Der Sänger Andy Julia hat dort ursprünglich als Schlagzeuger begonnen, prägt jetzt aber mit seiner markanten Stimme und der ausgeprägten und professionell vorgetragenen Theatralik sehr stark die Musik – er erinnert manchmal ein wenig an Jim Morrison von The Doors, aber auch starke Einflüsse von Fields Of The Nephilim und The Mission werden während des Konzertes deutlich. Auch das Outfit erinnert ein wenig an Fields Of The Nephilim. Die Stücke sind eingängig, kraftvoll und stilistisch sehr nah zu typischem 90er Dark Wave und Gothic und sowohl spielerisch als auch vom Sound sehr gut vorgetragen. Allerdings sind die Pausen häufig etwas ausgedehnter und werden auch nicht überbrückt – erstaunlich, da die Band ansonsten eine sehr ausgefeilte Darbietung kredenzt. Zwischendurch streikt der Bass, wird aber vom Musiker schnell wieder in Ordnung gebracht. Der Bassist ist sowieso ein ganz besonderer: Er benutzt tatsächlich ein Spiralkabel – ich dachte ja, dass diese Kabel in den späten 80ern ausgestorben wären, aber ich muss mich geirrt haben. Denn wie jeder Musiker weiß, halten sie nicht lange. Soror Dolorosa präsentiert einen groovigen, teilweise hypnotischen und sehr dichten Sound, die Stücke sind im Rahmen der Stilistik abwechslungsreich und zum Schluss spielen sie einen regelrechten Powerknaller, vom Stil ein wenig wie Killing Joke um das Jahr 2000 herum. Das Konzert hat auch völlig zu Recht die Leute in der Halle zu intensivem Applaus animiert. Es hat sich gezeigt, dass die Wahl des letzten Stückes als finaler Aufrüttler und Powersong (dessen Titel allerdings wahrscheinlich niemand verstanden hat) eine gute Wahl war. Sie haben sicher bei allen Anwesenden einen bleibenden Eindruck erzeugt und zwar einen guten.

 

Es folgt die Umbaupause für die nächste Band Sun Of The Sleepless. Schon während des Soundchecks wird klar, dass der Schlagzeuger gerne schnell spielt und kein Freund der leisen Töne ist. Bald beginnt die eigentliche Vorführung. In der Mitte der Bühne stehen zwei große Äste mit brennenden Fackeln am Ende und als Intro wabern Dead Can Dance-artige Gesänge durch die Höhle. Danach starten drei Gitarren, Fauchgesang und ein konstantes Doublebass-Gewummer. Auch wenn die tonale Komplexität nicht sehr hoch ist, ist der Klang insgesamt etwas verwaschen aber druckvoll. Das Publikum goutiert das Black Metal-Feuerwerk auch mit  engagiertem Headbangen – die Musik kommt an. Auf der Bühne passiert nicht ganz so viel: Die Gitarristen zelebrieren Actionstehen in Perfektion, ab und zu durch gemütliche Stimmpausen unterbrochen und sind von den scheinbar allgegenwärtigen Haaren des Bassisten umgeben. Den musikalisch äußerst umtriebigen Gitarristen und Sänger  Ulf Theodor Schwadorf (Pseudonym) werden wir später noch bei einer anderen Band ein zweites Mal erleben. Er ist denn auch durch sein Charisma, mit dem er genretypische Merkmale gekonnt präsentiert, der Publikumsmagnet auf der Bühne. Dieser Auftritt ist eine klassische Black Metal Darbietung, mit allem was dazu gehört, um das Publikum zu begeistern, was auch gut funktioniert.

 

Es folgt die schon gewohnte Umbaupause, die es den Bands ermöglicht, mit ihrem Setup und nicht irgendwelchem Leihkram bestmöglich ihre Musik zu kreieren. Leider ist es heutzutage üblich, dass zum Beispiel mehrere Schlagzeuger sich ein Set teilen müssen, auf dem außer dem Besitzer niemand so richtig gut zurechtkommt, um diese Pausen zu verkürzen. Nicht so beim Prophecy Fest: Hier werden die Bands nicht verramscht, sondern bekommen bestmögliche Bedingungen. Es ist eine Schande für unsere Veranstalter, dass man so etwas mittlerweile positiv erwähnen muss – aber es ist ein Aushängeschild für das Prophecy Fest, wo die „kleinen“ Bands genauso gut unterstützt werden wie die „großen“. Eine der „Großen“ ist dann auch die nächste Band, die eine große Fangemeinde besitzt: Arcturus ist eine Avantgarde Metal Band der ganz besonderen Sorte. Virtuosität jedes einzelnen Musikers, komplexe aber dennoch eingängige Arrangements und fesselnde, mit einem Beamer auf die große Leinwand geworfene Filmsequenzen schaffen ein atmosphärisches Feuerwerk gleich einer pulsierenden Sonne wie dem Arcturus.

 

Allerdings finden die Filme dank des Sängers wenig Aufmerksamkeit – er ist der geborene Publikumsmitreißer. Mit leicht psychopathisch anmutender Mimik, einer angesichts seiner immensen Größe unerwartet hohen Stimme und einer ansteckenden Bewegungsfreude dominiert er die Bühne, obwohl seine Mitstreiter auch nicht gerade unscheinbar sind. Ein Bassist, der wie der Templerritter aus Indiana Jones aussieht, ein Schlagzeuger, der eine Twoface-Maske trägt, ein wohltuend stückedienlich spielender Keyboarder mit Fliegermütze und ein Gitarrist mit wallenden Haaren und Gewändern bereiten ihm das Fundament für seine exzessive und faszinierende Show. Diese Band hat es nicht nötig, das Publikum zum Mitklatschen aufzufordern – das macht es ganz von alleine! Die ausgefeilten Lieder der Band schöpfen Assoziationen wie Psycho Metal goes Mr. Bungle und zitiert Europe. Wobei Vergleiche nicht angebracht sind – ihre Musik zeichnet sich nicht nur durch Qualität und atmosphärische Dichte aus, sie ist einfach eigenständig. Natürlich auch insbesondere aufgrund des Sängers, der durchaus Ähnlichkeiten zu Jonathan Davis (Korn), Michael Patton (Faith No More) und vielen anderen erkennen lässt, aber trotz dieser Elemente absolut einzigartig ist. Mit so einem Sänger, der selbst Pausen zwischen den Stücken zu einem Erlebnis macht, hat man sofort gewonnen und tatsächlich sind die Zuhörer auch äußerst lautstark begeistert. Zum Schluss zeigt der Gitarrist noch einmal, dass er den Amon Amarth Headbanger beherrscht und der Sonnensturm verlässt unter lautem Applaus die Bühne. Einziger Wermutstropfen: Der Sound klingt während der gesamten Darbietung etwas undifferenziert, was eventuell an der teilweise etwas starken Verzerrung der Gitarre gelegen haben mag.

 

Die nächste Umbaupause zieht sich etwas länger – es werden GlerAkur auftreten. Eine Band mit zwei Schlagzeugern, vier Gitarristen, einem Bassisten und Keyboardunterstützung aus der Dose. GlerAkur haben auch 2016 schon auf dem Prophecy Fest gespielt und sind dort so gut angekommen, dass die Veranstalter sie auch bei dem diesjährigen dabei haben wollten. Die Stücke von GlerAkur folgen eigentlich immer einem einfachen Konzept: Eine eingängige Midtempo-Melodieführung beginnt leise und wird bis zum Ende des Stückes durchgespielt, aber dabei immer lauter und durch unterstützende Melodien verstärkt, um schließlich in einem brachialen, orgiastischen Höhepunkt zu enden. So harmlos wie das Konzept klingt, so geradezu apokalyptisch brachial ist es in der Umsetzung. Der Begriff „Wall of Sound“ ist schon fast eine Verharmlosung der Geschehnisse. Live scheint sich ein Tor nach und nach immer weiter zu öffnen und einen immer stärker werdenden Sturm auf den Zuhörer loszulassen. Alles pulsiert und vibriert irgendwie, bis schließlich zwei Schlagzeuge das Stück zu einem donnernden Höhepunkt führen. Dabei bleibt die Musik durchaus hypnotisch und harmonisch und wird mitnichten zu einer Kakophonie – das ist große Kunst. Der Erfolg der Gruppe um Elvar Geir Sævarsson, der hauptberuflich als Tontechniker beim isländischen  Staatstheater arbeitet, beginnt gerade erst Fahrt aufzunehmen, wird aber sicherlich – und hoffentlich - so wenig zu bremsen sein, wie ihre Musik. Als letztes Stück lassen sie sich eine Überraschung einfallen: Plötzlich entern noch ein bezopfter Bassist und ein langbärtiger Sänger die Bühne und stimmen zusammen mit den Musikern von GlerAkur das letzte Lied an. Die Bühne ist jetzt richtig voll und der Sound auch: Rage Against The Machine meets GlerAkur. Wer bis jetzt dachte, es geht nicht mehr brachialer, wird nun eines besseren belehrt und dennoch bleibt der Sound gut differenzierbar und sogar auch der Gesang, der peitschend obenauf zu liegen scheint. Die beiden ebenfalls isländischen Musiker von Sólstafir beenden das Konzert mit ihren Freunden von GlerAkur mit einer fulminanten Rockpowerexplosion.

 

Es folgen ein paar Umbauarbeiten und der gerade erlebte Sänger Aðalbjörn Tryggvason eröffnet mit seinen Mitstreitern am Bass, Schlagzeug und Gitarre von Sólstafir das letzte Konzert dieses Abends. Es ist eine der wenigen Bands auf diesem Festival, die nicht bei dem Prophecy Label unter Vertrag stehen, aber sie passen mit ihrem druckvollen Alternative/Psychedelic-Metal Sound hervorragend in das Konzept. Teilweise erinnert die Musik wie schon vorher bei Soror Dolorosa ein wenig an Fields Of The Nephilim bis hin zu The Mission, wenngleich die bevorzugte Tonlage des Sängers deutlich höher ist. Atmosphärisch und mit viel Raum geben die Musiker ihren Stücken Zeit, sich zu entwickeln. Und das lohnt sich, denn es sind sehr dynamische, meist düstere Lieder, die hier überzeugend vorgetragen werden. Auch das Outfit passt – der Gitarrist mit etwas angeranztem Nephilim-Hut und Cowboystiefeln, ein Bassist mit langen, blonden Zöpfen, der charismatische, bärtige Sänger, der auch Gitarre spielt – das alles zeichnet ein stimmiges Bild. Es sind sehr melodische Songs, oft von E-Bow Gitarre unterstützt, die hier der Sänger spielt, was ihn übrigens nicht davon abhält, einfach mal ab und zu ins Publikum zu hüpfen. Ähnlich wie zuvor der Sänger von Arcturus schafft er es spielend, das Publikum in den Bann zu ziehen und dennoch eine großartige musikalische Leistung sowohl als Sänger als auch als Gitarrist abzuliefern. Das Fundament wird groovig und akzentuiert durch einen sehr guten Schlagzeuger und einen mit ihm perfekt harmonierenden Bassisten mit einem riesigen Rickenbaker-Bass gelegt. Der Gitarrist selbst hat einen außergewöhnlich guten Sound, weiß mit seinem Instrument gut umzugehen und macht mit seinem Spiel die Lieder der Band zu Liedern, die einen berühren. Und auch als ehemalige Viking-Metal Band (1994) wissen die Musiker von Sólstafir, die seit 2002 mit Ausnahme des Schlagzeugers in der aktuellen Besetzung spielen, Balladen gefühlvoll und sanft zu steigern, regelrecht zu zelebrieren.

 

Etwas ungewöhnlich ist etwa in der Mitte des Sets das Einbringen einer sehr persönlichen Komponente: Eines Songs, der den Suizidtod eines Freundes thematisiert. Der Sänger besteht auf absoluter Stille, die er auch erreicht, indem er zum Beispiel lachende Leute im Publikum sehr offensiv mit der Bitte anspricht, das doch bitte zu unterlassen. Er spricht nun über das Wesen von Depressionen, die Implikationen der medizinischen Behandlung und beginnt schließlich zusammen mit dem Bassisten das sehr gefühlvolle Lied, welches das Ereignis behandelt, erstmalig live zu präsentieren. Nach diesem Intermezzo geht wieder die Post ab und mündet wie schon in dem Konzert zuvor darin, dass Musiker von der befreundeten Band zum letzten Song auf die Bühne kommen. Die Gitarristen und der Bassist von GlerAkur performen denn auch zusammen mit Sólstafir einen kraftvollen letzten Song als Abschluss des ersten Tages des Prophecy Festes. Das Resultat ist der bis dahin intensivste Applaus aus dem Publikum, das den Tag bis in die tiefe Nacht offensichtlich in vollsten Zügen genossen hat.

 

Sonnabend, der 29.07.2017

 

Der zweite Tag beginnt mit einem Gast aus dem fernen San Francisco – einer Gothic Metal Band mit zwei weiblichen Grazien als Sängerinnen. Beide Sängerinnen spielen parallel auch noch ein Instrument – die eine Bass, die andere Keyboard. Lotus Thief heißt die Formation, die an diesem Morgen das musikalische Programm direkt hochkarätig startet, erstaunlicherweise auch zur frühen Stunde in einer gut gefüllten Balver Höhle. Stiltypisch getragene, klare Gesänge mit sehr schönen zweistimmigen Sequenzen werden durch eine kräftige Rhythmusgruppe und zwei angenehm disziplinierte Gitarrenwerker unterstützt. Leider sind die durchaus virtuosen Soli des langhaarigen Gitarristen auf der rechten Seite meist zu leise; insgesamt ist der Sound aber von hoher Qualität, druckvoll und trotz stark verzerrter Gitarrensounds sehr differenziert. Die Musik ist typisch amerikanischer, leicht mainstreamiger Gothic-Metal im Midtempobereich, oft mit Halftimerhythmen des sehr überzeugenden Drummers kraftstrotzend in Szene gesetzt. Unterstützt wird der düstere Eindruck durch Filmsequenzen mit Atombombenexplosionen. Die prägnanten Melodien gehen unter die Haut und das Ganze ist höchst professionell vorgetragen. Folglich ernten die Amerikaner auch verdient einen morgendlichen Applaussturm und hinterlassen ein zufriedenes Publikum.

 

Die nächste, nun etwas beschaulichere Band ist The Moon And The Nightspirit. Es sind eher ruhige Klänge die ein wenig an Dead Can Dance während ihrer Mittelaltermusikphase erinnern. Die Sängerin, die auch Geige spielt, pflegt ähnlich wie Lisa Gerrard phonetischen Gesang und wird dabei von einem äußerst fröhlichen Percussionisten, sowie einem 12-Saiter-Gitarristen und einem Bassisten unterstützt. Zusätzlich werden noch Harfen- und Synthieklänge eingespielt. Die Band kommt offensichtlich gut an, obwohl sie es nach dem Powerplay der Band zuvor nicht ganz einfach haben. Es sind eher beschauliche, sehr harmonische und zarte Klänge, die maßgeblich von der sanften Stimme von  Ágnes Toth geprägt werden. Ein schöner Kontrast zu der bisher etwas härteren Gangart.

 

Diese kommt auch wieder zurück, aber etwas anders als erwartet. Ein stilistisch echter Ausreißer ist die nächste Band namens Spiritual Front. Diese aus Rom stammende Combo ist durchaus international erfolgreich und hat neben Film- und Serienmusik-Beiträgen eine stolze Vita an Auftritten und Studioalben vorzuweisen. Sie selbst beschreiben ihre Musik als „Suicide Pop Neofolk“. Tatsächlich wirkt die musikalische Präsentation eher wie eine fröhliche Mischung – wenn man die Texte nicht versteht – aus Italo-Pop mit britischem Neofolk und Country Music. Der sehr sichere und versierte Sänger und Gitarrist Simone H. Salvatori ist der geborene Entertainer und zieht die Leute mit seiner sprühenden Energie in den Bann. Begleitet von einem Gitarristen, einem Bassisten und einem Schlagzeuger, der auch die Computereinspielungen steuert, kommen einem beim Hören mitunter Assoziationen zu einer Brit-Pop spielenden Combo auf Hawaii in den Kopf. Diese Aufführung ist doch ein ziemlicher Kontrast zu dem bisherigen Programm, aber erntet nicht nur Akzeptanz beim Publikum, sondern regelrechte Begeisterung – was auch als Kompliment an den sehr weit gefassten Geschmackshorizont des Publikums verstanden werden kann, das Qualität goutiert, auch wenn das Präsentierte nicht unbedingt dem Erwarteten entspricht.

 

Unterhaltung kann auch abwechslungsreich sein! Überhaupt scheint der Samstag vom Prophecy Label eher als bunte, genreübergreifende Mischung geplant zu sein – die nun aufwartende Gruppe besteht nur aus zwei Leuten und einem Computermusiker: Noêta sind die Sängerin Êlea und der Gitarrist Ândris, der nebenbei auch die Computereinspielungen bedient. Ihre Musik ist schwer in eine Kategorie einzuordnen. Sie zeichnet sich in Vielem dadurch aus, was sie nicht ist: So ist sie zum Beispiel kein reiner Dark Ambient, es gibt kein Schlagzeug, die Lieder sind nicht in Strophen und Refrains gegliedert und doch lassen die sanfte Stimme und die spartanische Gitarre einen dunklen Raum entstehen, der auf seine ganz eigene Art eine besondere Faszination ausübt. Leider hakelt es ab und zu ein wenig, da der frappierend an Brendan Perry von Dead Can Dance erinnernde Gitarrist mitunter ein paar Probleme mit den Einspielungen vom Looper oder Computer hat. Dennoch ist das Konzert ein ruhiger Genuss, der auch verdient Applaus erntet.

 

Nach dieser Aufführung ist die Umbaupause recht kurz – kein Wunder, denn auch die nächste Band besteht nur aus zwei Mitgliedern: Einem Gitarristen und einem Geiger. Das leicht alternative Outfit lässt Neofolk erwarten und die Erwartung wird auch nicht enttäuscht, auch wenn es schon eher Avantgarde-Folk ist, der von der österreichischen Gruppe Dornenreich präsentiert wird. Der Gitarrist spielt versiert und mit sehr dynamischem als auch energischem Strumming auf seiner Westerngitarre und flüstert oder zischt eine Art unterdrückten Sprechgesang ins Mikrofon. Genaugenommen speit er die Worte eher aus. Leise aber dennoch intensiv. Dabei wird er von einem sehr präzisen Geiger begleitet. Es sind Lieder über psychische Zwangslagen und man kann erkennen, dass den Musikern die Texte wichtig sind und sie wohl auch einen persönlichen Bezug haben. Die Songs sind so eine Art musikalischer Ausdruck einer Ausnahmesituation, die allerdings – wahrscheinlich auch wegen der sparsamen Instrumentierung – recht arm an Abwechslung sind. Diese Musik ist nicht jedermanns Sache, aber kommt beim Publikum offensichtlich gut an, welches auch nicht mit Applaus geizt.

 

Die nächste Umbaupause dauert deutlich länger. Der ursprüngliche Zeitplan ist mittlerweile eher eine freundliche Erinnerung, denn es wird Wert darauf gelegt, dass die jeweiligen Bands sich bestmöglich präsentieren können und da kann es schon mal zu Verzögerungen kommen. Aber schließlich ist der Soundcheck abgeschlossen, der Vorhang gibt die Bühne frei und die mittlerweile dicht gedrängt stehenden Anwesenden erblicken den nächsten Act: The Vision Bleak. Und da gibt es einiges zu sehen: In der Mitte steht ein schiefes Kreuz, auf dem ein ausgestopfter Bussard (?) und ein Totenkopf residieren. Hinten links gibt es Kesselpauken, in der Mitte wie gewohnt das Schlagzeug, rechts sitzen eine Geigerin und ein Cellist. Vorne kämpfen eine Sängerin, ein muskelbepackter Sänger, ein Gitarrist, noch ein Sänger, der ein geweißtes Gesicht mit Duke Nukem-Frisur sein Eigen nennt und ein Bassist, der eine ganz erstaunliche Ähnlichkeit mit Fursy Teyssier von Les Discrets hat, um den Platz. Den Gitarristen haben wir schon mal gesehen – es ist  Ulf Theodor Schwadorf von Sun Of The Sleepless. Die Zeit der leisen Töne und des gesitteten Bildungsbürgerauftretens ist vorbei. Es ist großes Besteck, was hier zusammen mit  den Shadow Philharmonics als Gästen aufgefahren wird. Das Auftreten der Akteure ist martialisch, bis hin zum Karikaturhaften. So ist zum Beispiel die Manie des Muskelsängers, sein Mikro wie einen Penis mit beiden Händen fest im Griff vor seinem Schritt zu platzieren – und er singt als zweiter Sänger nicht viel – etwas irritierend. Man hofft unwillkürlich, dass er sich nicht zu der neben ihm stehenden, Haare schüttelnden Sängerin dreht. Zum Glück bleibt es beim eigenen Phallusgriff, denn er orientiert sich konsequent in Richtung Publikum. Und das ist begeistert! Die Mannen auf der Bühne entpuppen sich als großartige und mitreißende Animateure, die ihren Horrormetal mit Blackmetaleinflüssen brutalstmöglich und mit hervorragendem Sound in die Gesichter der Zuhörer prügeln. Der weiß geschminkte Leadsänger versteht sein Handwerk in wirklich jeder Beziehung – er kann fauchen, er kann klingen wie Rob Halford, er kann tief und hoch und währenddessen interagiert er auch noch hautnah mit dem begeisterten Publikum. Begleitet wird er von einer toll gespielten Brachialgitarre, einer sicheren Rhythmusgruppe und drei Stimmen – die Frau und der Phallushalter, sowie der Gitarrist unterstützen seinen Vortrag gesanglich sehr gekonnt und akzentuiert. Die Glanzlichter werden von den Shadow Philharmonics dezent bis markant und gut in die Lieder integriert hinzugefügt. Es sind vorwiegend Midtempostücke, die mit viel Power und interessanten Arrangements das Publikum zum Headbangen motivieren. Und der Auftritt wird auch derart professionell durchgezogen, dass die Band verdient den bis dahin lautesten Applaus erntet. Doch so schnell wie das Klanggewitter über die Zuhörer hereinbricht, ist es auch schon wieder vorbei: Aufgrund der bisherigen Verzögerungen und der langen Umbaupause kann die Band nur knapp eine halbe Stunde spielen, in der sie es jedoch verstanden hat zu überzeugen.

 

Auf den Horrorsturm folgt nun wieder eine deutlich gemäßigtere Gruppe – schon die leicht mittelalterlich anmutende Kleidung lässt vermuten, dass es eher folkig zugehen wird. Und so ist es dann auch: Die finnische Band Hexvessel, die übrigens wie Sólstafir nicht bei Prophecy unter Vertrag steht, bietet einen kräftig verrockten Psychedelic Folk intelligenter Machart, mit komplexen, aber gut nachvollziehbaren Arrangements, häufigen zweistimmigen Gitarrenmelodien und perfekten zweistimmigen, ab und zu mehrstimmigen Gesängen. Die Band tritt in großer Besetzung auf: Zwei Gitarristen, ein Keyboarder, eine Bassistin mit den wahrscheinlich längsten Dreadlocks des diesjährigen Events, ein Schlagzeuger mit interessanten und einfallsreichen Breaks, sowie eine stark verhallte E-Geigerin erzeugen einen dichten, orchestralen Klangteppich, über dem seidenweich die ungewöhnlich hohe Stimme des Leadsängers Mat McNerney liegt. Die Grenzen zwischen Neofolk und Rock verschwimmen mitunter manchmal, aber die Musik klingt immer eingängig und authentisch. Die Musiker verstehen es, das Publikum zu entspannen und mit schönen Tönen zu verzaubern und liefern eine wirklich stimmige Show und werden unter lautem Applaus nach einer nur leicht verkürzten Spielzeit vom Publikum verabschiedet.

 

Die nun folgende Umbaupause für die Formation Dool aus den Niederlanden ist etwas anders als die vorherigen. Der Vorhang geht diesmal schon während des Soundchecks auf und lässt zum einen die Komplexität des Umbaus als auch die große Routine der Musiker erahnen. Es zieht sich ein wenig und es scheint auch ein paar kleinere technische Probleme zu geben, die aber von der Crew schnell in den Griff bekommen werden. Es ist tatsächlich auch mal interessant, Musikern und Bühnentechnikern bei der Arbeit vor der Arbeit zuzusehen. Insbesondere wenn dies so zielstrebig und diszipliniert von Statten geht. Schließlich scheint alles zu passen, die Musiker verlassen die Bühne und das Licht geht aus. Schon nach knapp drei Minuten kommen die Musiker zurück, das Licht geht wieder an und die Leadsängerin Ryanne van Dorst entschuldigt ganz locker die Verzögerungen. Und dann beginnt ganz ohne Vorwarnung eine wunderbare, musikalische Überraschung!

 

Die Bühne ist ganz schön voll: Links stehen zwei Sängerinnen und eine Geigerin in dezentem Dark Wave Outfit, dahinter ein Gitarrist in weniger dezenter Aufmachung, der viel Brust und Achseln zeigt und ein wenig an Jim Morrison von The Doors erinnert, ein Schlagzeuger hinter einem Ludwigset mit 24er oder 26er Bassdrum, das ziemlich genau wie das Set des Led Zeppelin Drummers John Bonham aussieht, daneben ein Bassist und ein Gitarrist, als auch am rechten Rand ein Keyboarder hinter einer kleinen Keyboardburg. In der Mitte steht die Sängerin und Gitarristin Ryanne van Dorst, welche die treibende Kraft bei Dool ist. Niederländischen Landsleuten ist sie schon länger als Frontfrau Elle Bandita der gleichnamigen Formation und aus diversen eher nicht erwähnenswerten TV-Formaten bekannt. Dool ist seit 2015 ihre aktuelle Band, die den seltenen Glücksfall erlebt hat, sich nicht selbst um ein Label kümmern zu müssen, sondern nach einem Konzert von einem Mitarbeiter des Prophecy Labels angesprochen zu werden, ob sie nicht Lust hätten, einen Vertrag zu zeichnen. In Zeiten, in denen die Musikindustrie nicht nur in Deutschland quasi täglich neue Niveaulimborekorde mit irgendwelchen zusammengecasteten Ramschplastikbands in die Öffentlichkeit pusht und wahre Perlen der Musikalität in irgendwelchen Bunkern und Kellern ungehört verschimmeln, ist es schon etwas ganz besonderes, wenn eine Band live derart überzeugt, dass sich ein A&R Manager berufen fühlt, diese Band in der bestehenden Form direkt unter Vertrag zu nehmen.

 

Es steckt auch viel Konzept in dieser Band – Dool zum Beispiel heißt übersetzt „wandern“ oder „umherstreifen“, das im Februar erschienene Debutalbum Here Now There Then greift dieses Thema folgerichtig auch in den Texten wieder auf, die Songs selbst erzählen wie zum Beispiel bei dem Lied Oweynagat Extrapolationen von eigenen Erlebnissen – in dem Falle einer Tour zur besagten Höhle in Irland – die mit okkulten Elementen garniert werden. Alle Stücke bis auf eines sind von Ryanne van Dorst geschrieben, sowie getextet und stehen mit einem Bein in okkulten, mit dem anderen in zwischenmenschlichen Themen. Aber der Eindruck, dass es sich um ein Soloprojekt mit Band als Anhang handelt, könnte nicht unzutreffender sein. Schon mit dem ersten Stück wird klar, dass hier eine richtige Band steht, bei der die Leute miteinander spielen und zusammen das Beste geben. Sie starten mit nahezu perfektem Sound, was die lange Umbaupause rechtfertigt, der trotz der drei Gitarren noch nicht einmal im Ansatz verwaschen klingt. Die Rhythmusgruppe bestehend aus Micha Haring, dem ehemaligen Schlagzeuger der recht bekannten Psychedelic-Okkult-Rock Band The Devil's Blood und dem Basser Job van de Zande, ebenfalls aus dieser Band, spielt druckvoll und passend. Bei dem Drummer erinnert nicht nur das Set an John Bonham; auch stilistisch klingt er sehr ähnlich. Die Gitarristen verstehen ihr Instrument als melodiebildend und nicht als Herausforderung, möglichst viele Töne in einer möglichst kurzen Zeitspanne unterbringen zu können. Die atmosphärische Weite wird durch den unauffälligen aber in der Gesamtheit bedeutsamen Keyboardeinsatz und durch eine sporadisch eingesetzte E-Geige vergrößert. Darüber, darunter und dazwischen liegt der charismatische, raue bis sanfte, abwechslungsreiche und sehr emotionale Gesang  Ryanne van Dorst‘s, gekonnt unterstützt von den beiden Gastsängerinnen. Großartige düstere und kraftvolle Musik wird hier von großartigen Musikern dem Publikum offeriert. Dabei wird das gesamte Spektrum von brachial laut bis lyrisch leise abgedeckt und so überzeugend vorgetragen, dass das Publikum regelrecht in den Bann gezogen wird. Auch die Bühnenshow kann sich sehen lassen: Der rechte Bassist und Gitarrist betreiben unisono professionelles Nackenmuskulaturtraining, der linke Gitarrist sieht im Hintergrund immer noch wie Jim Morrison aus, die beiden Backgroundsängerinnen und die Geigerin tanzen passend im jeweiligen Takt und die Sängerin und Gitarristin Ryanne van Dorst ist äußerst agil und springgewaltig. Selbst wenn diverse Moves einstudiert sein sollten, kommt das ganze sehr authentisch herüber. Der Keyboarder hat auch seinen Moment im Rampenlicht, als er zusammen mit der Sängerin eine sehr emotionale Ballade performt. Ansonsten sitzt er ruhig hinter seinem Instrument und erweitert unauffällig die Klangbreite. Diese Band versteht es zu faszinieren und ihr gelingt das besondere Kunststück, nicht den kleinsten Moment der Langeweile aufkommen zu lassen und das, obwohl sie doch stilistisch sehr breit aufgestellt ist. Dementsprechend erhält Dool nach dem letzten Stück einen wahrhaft tosenden Applaus – den intensivsten dieser beiden Tage – und das, obwohl sich angesichts der späten Stunde die Reihen schon etwas gelichtet haben.

 

Und nach diesem Highlight kommt nun der letzte Akt des zweitägigen Festivals. Das britische Projekt Hypnopazūzu, welches wie Sólstafir und Hexvessel nicht bei dem Prophecy Label unter Vertrag steht, ist ein Projekt des Killing Joke Bassisten und Produzenten Martin ‘Youth’ Glover und David Tibet, das vielleicht am besten mit „Poetry meets Music“ beschrieben werden kann. Die Aufführung beginnt mit einem Einspieler eines fröhlichen 60er Jahre Songs in totaler Dunkelheit, dessen Frequenzgang nach und nach zu einem schrillen Kreischen verändert wird, das den Gehörsinn regelrecht quält. Eine interessante Eröffnung, doch leider ist nach dem abrupten Ende – geplant oder nicht? – eine Pause und erst nach mehr als einer Minute tauchen die Musiker auf der Bühne auf. Hypnopazūzu starten in großer Besetzung: Zwei Keyboarder, ein Geiger, Schlagzeuger, Bass und der Sänger David Tibet, der eine während des Konzertes durchaus öfters genutzte Weinflasche in der Hand hält, füllen die Bühne. Sphärische Klänge, die den Zuhörer an asiatische Länder denken lassen, wabern unterstützt von einer vorwiegend klangmalerischen Gitarre und dezentem, mit Mallets gespieltem Schlagzeug und ruhigem Bass durch die Höhle. Dazu zelebriert  David Tibet eine Art Rezitiergesang, der nicht immer tonal kompatibel zur Musik ist. Die Textverständlichkeit lässt allerdings etwas zu wünschen übrig, so dass sich der Sinn der dramatisch vorgetragenen Rezitationen nicht richtig erschließen kann. Es kommt dennoch keine Langeweile auf, denn optisch wird einiges geboten: Allen voran Martin ‘Youth’ Glover. Wer ihn schon einmal mit Killing Joke gesehen hat weiß, dass dieser Mann die Definition von Schmerzlosigkeit ist. Er posiert in einer Art Kimono, der viele Gelegenheiten bietet, die größtenteils stark behaarte Haut der frischen Luft auszusetzen. Geschmückt ist er mit einer an einem Goldkettchen hängenden Goldmünze – oder Teller? - die jeden um brennende Mülltonnen tanzenden Rapper aus den USA angesichts der schieren Größe vor Neid erblassen lassen würde. Stilsicher ist sein Haupt mit einer die Haare frei lassenden Tenniskappe aus den 80ern geschmückt. Mit unnachahmlicher Coolness und ganz offensichtlichem Spaß an der Sache ist er der tiefe Ton des hypnotischen Ambientsounds. Und neben seinem unnachahmlichen Stil gibt es auch bei den anderen Musikern eine große Varianz. Wo die beiden Keyboarder ein bisschen wirken, als wären sie von Depeche Mode entliehen, ist der barfüßige Sänger David Tibet offensichtlich ein bisher geheim gehaltener Blues Brother, wie an seinem Outfit ganz klar zu erkennen ist. Auch der Geiger, der die Musik durchaus mit schönen Melodiebögen bereichert, weckt visuelles Interesse, da sich sein Bogen während des Konzertes nach und nach auflöst. Haarverlust mal anders! Es ist insgesamt eine sehr atmosphärische Aufführung, unterlegt mit projizierten Kaleidoskop Bildern und sehr gutem Klang. Der Rezitationscharakter der Darbietung legt nahe, dass die Aussagen der Texte ein wichtiger Bestandteil der Musik sind. Aufgrund der Sprachbarriere und des für Engländer sicherlich unproblematischen Akzents hat sich die Bedeutung der Texte einem großen Teil des Publikums wohl eher nicht oder nur partiell erschlossen. Dennoch ist es eine interessante und unterhaltsame Präsentation und wird auch mit ordentlichem Applaus belohnt.

 

Damit gehen zwei Tage außergewöhnlicher Unterhaltung zu Ende. Die Organisatoren des diesjährigen Prophecy Festes haben es geschafft, eine fesselnde Mischung verschiedener hochklassiger Bands zu präsentieren, die es in dieser faszinierenden Kombination und mit derart günstigen Rahmenbedingungen für die Bands wohl auf keinem anderen Festival gibt. Es ist müßig zu erwähnen, dass es nicht die üblichen Klangqualitätsspielchen zwischen kommerziell erfolgreichen und weniger erfolgreichen Bands gibt. So und nicht anders hat ein Festival von Musikliebhabern für Musikliebhaber organisiert zu sein! Es bleibt zu hoffen, dass die aufwendige Finanzierung tragfähig bleibt, damit dieses Fest, welches zu Recht schon nach dem dritten Mal als Traditionsfest begriffen wird, auch in den nächsten Jahren in dieser Form stattfinden kann. Vielleicht kann ja auch mal über eine Art Crowdfounding nachgedacht werden, falls das Finanzierungskonzept nicht aufgeht? Dieses Fest wäre es wirklich wert.

 

Lars Schwittay


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Arcturus auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

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Dool auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Dool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDool auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Dornenreich auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Dornenreich auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDornenreich auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDornenreich auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDornenreich auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehDornenreich auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Glerakur auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Glerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehGlerakur auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Hexvessel auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

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Hypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Hypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehHypnopazuzu auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Impressionen vom Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

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Lotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Lotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehLotus Thief auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Noeta auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Noeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehNoeta auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Solstafir auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

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Soror Dolorosa auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

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Spiritual Front auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

Spiritual Front auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehSpiritual Front auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehSpiritual Front auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehSpiritual Front auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehSpiritual Front auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

Sun Of The Sleepness auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

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The Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

The Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Moon And The Nightspirit auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

The Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017 Foto: Julia Noeh

The Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia NoehThe Vision Bleak auf dem Prophecy Fest 2017  Foto: Julia Noeh

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